Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724.ret, stehen zuhalten.und gewiesen daß es weder hohen noch niedern Gerichten zu stehe, in peinlichen oder criminal Sachen die pro Reis ausgefallenen Urtheil ab actis zu removiren, sondern daß dergleichen remotiones, wo nicht allemahl, doch mehrentheils Anzeigungen eines unlöblichen Affects wären: so darff auch ferner hier nur dasjenige wiederholet werden, was ich allbereit in 19. Handel des ersten Theils p. 209. seq. von dieser Frage in specie in einen gleichförmigen casu und deshalb gegeben responso Facultatis nostrae angeführet habe. §. VI. Der folgende andre casus gehöret nicht alleine zu der Rubrique des gegenwärtigen Handels, sondern bekräfftiget auch die dem 20. Handel des ersten Theils vorgesetzte rubrique von Schaden der aus Mißbrauch indifferenter Dinge, als zum Exempel des Brantewein-Trinckens entstehet. Anno 1699. in September solte unsere Facultät über eingeschickte acta sprechen, in welchen der Fiscal einen Pfarrer wegen etlicher excesse verklaget und zu bestraffen gebeten hatte. Ob nun wohl die Fiscalische Klage nicht gantz ungegründet war, so schiene doch, daß vermuthlich ein oder anderer sub larva eines vortrefflichen Eyffers für die orthodoxie seinen Affect wieder den Pfarrer auszulassenden Fiscal mochte zu der Klage angetrieben haben. Denn der erste exceß, der in der Fiscalischen Klage als der wichtigste u. ärgerlichste oben anstund, solte darinnen bestehen, daß der Priester an einen Bußtage die Worte aus D. Mulleri des Theologie Schluß-Kette angeführet: Fragstu einen Catholischen / wo hastu deinen GOtt? So wird er antwotten: zu Rom. Einen Reformirten? In Engelland. Einen Socinianer? In Polen &c. aber es dabey nicht bewenden lassen, sondern ärgerlicher Weise dazu gesetzt hätte: Es könten auf diese Art die von Müllern erwehnte Religions-Verwandren denen Lutherischen gleichfalls vorwerffen: daß sie ihren GOtt in Sachsen und zu Wittenberg hätten. Und dieses konte der angeklagte Pastor nicht läugnen. Er läugnete auch ferner nicht, daß er sich zum Brantewein gewöhnet, und solchen nicht wohl quittiren könte, er hoffete aber nicht daß er damit jemand ärgerlich gewesen, wolte sich auch befleißigen denselbigen sich abzugewöhnen. Er gestand auch, daß bey dem Begräbnüß einer Frauen er bey der Leichen-procession gefallen wäre; sagte aber, es sey solches aus Mattigkeit geschehen, weil er den Tagviel confitenten gehabt, und weil er über dieses von dem vielen Rauch der Fackeln incommodiret, auch von einem der Träger an den Fuß gestossen worden. Das vornehmste, was die Zeugen attestiret hatten, bestan- ret, stehen zuhalten.und gewiesen daß es weder hohen noch niedern Gerichten zu stehe, in peinlichen oder criminal Sachen die pro Reis ausgefallenen Urtheil ab actis zu removiren, sondern daß dergleichen remotiones, wo nicht allemahl, doch mehrentheils Anzeigungen eines unlöblichen Affects wären: so darff auch ferner hier nur dasjenige wiederholet werden, was ich allbereit in 19. Handel des ersten Theils p. 209. seq. von dieser Frage in specie in einen gleichförmigen casu und deshalb gegeben responso Facultatis nostrae angeführet habe. §. VI. Der folgende andre casus gehöret nicht alleine zu der Rubrique des gegenwärtigen Handels, sondern bekräfftiget auch die dem 20. Handel des ersten Theils vorgesetzte rubrique von Schaden der aus Mißbrauch indifferenter Dinge, als zum Exempel des Brantewein-Trinckens entstehet. Anno 1699. in September solte unsere Facultät über eingeschickte acta sprechen, in welchen der Fiscal einen Pfarrer wegen etlicher excesse verklaget und zu bestraffen gebeten hatte. Ob nun wohl die Fiscalische Klage nicht gantz ungegründet war, so schiene doch, daß vermuthlich ein oder anderer sub larva eines vortrefflichen Eyffers für die orthodoxie seinen Affect wieder den Pfarrer auszulassenden Fiscal mochte zu der Klage angetrieben haben. Denn der erste exceß, der in der Fiscalischen Klage als der wichtigste u. ärgerlichste oben anstund, solte darinnen bestehen, daß der Priester an einen Bußtage die Worte aus D. Mulleri des Theologie Schluß-Kette angeführet: Fragstu einen Catholischen / wo hastu deinen GOtt? So wird er antwotten: zu Rom. Einen Reformirten? In Engelland. Einen Socinianer? In Polen &c. aber es dabey nicht bewenden lassen, sondern ärgerlicher Weise dazu gesetzt hätte: Es könten auf diese Art die von Müllern erwehnte Religions-Verwandren denen Lutherischen gleichfalls vorwerffen: daß sie ihren GOtt in Sachsen und zu Wittenberg hätten. Und dieses konte der angeklagte Pastor nicht läugnen. Er läugnete auch ferner nicht, daß er sich zum Brantewein gewöhnet, und solchen nicht wohl quittiren könte, er hoffete aber nicht daß er damit jemand ärgerlich gewesen, wolte sich auch befleißigen denselbigen sich abzugewöhnen. Er gestand auch, daß bey dem Begräbnüß einer Frauen er bey der Leichen-procession gefallen wäre; sagte aber, es sey solches aus Mattigkeit geschehen, weil er den Tagviel confitenten gehabt, und weil er über dieses von dem vielen Rauch der Fackeln incommodiret, auch von einem der Träger an den Fuß gestossen worden. 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Der folgende andre casus gehöret nicht alleine zu der Rubrique des gegenwärtigen Handels, sondern bekräfftiget auch die dem 20. Handel des ersten Theils vorgesetzte rubrique von Schaden der aus Mißbrauch indifferenter Dinge, als zum Exempel des Brantewein-Trinckens entstehet. Anno 1699. in September solte unsere Facultät über eingeschickte acta sprechen, in welchen der Fiscal einen Pfarrer wegen etlicher excesse verklaget und zu bestraffen gebeten hatte. Ob nun wohl die Fiscalische Klage nicht gantz ungegründet war, so schiene doch, daß vermuthlich ein oder anderer sub larva eines vortrefflichen Eyffers für die orthodoxie seinen Affect wieder den Pfarrer auszulassenden Fiscal mochte zu der Klage angetrieben haben. Denn der erste exceß, der in der Fiscalischen Klage als der wichtigste u. ärgerlichste oben anstund, solte darinnen bestehen, daß der Priester an einen Bußtage die Worte aus D. Mulleri des Theologie Schluß-Kette angeführet: Fragstu einen Catholischen / wo hastu deinen GOtt? So wird er antwotten: zu Rom. Einen Reformirten? In Engelland. Einen <hi rendition="#i">Socinian</hi>er? In Polen &c. aber es dabey nicht bewenden lassen, sondern ärgerlicher Weise dazu gesetzt hätte: Es könten auf diese Art die von Müllern erwehnte Religions-Verwandren denen Lutherischen gleichfalls vorwerffen: daß sie ihren GOtt in Sachsen und zu Wittenberg hätten. Und dieses konte der angeklagte Pastor nicht läugnen. Er läugnete auch ferner nicht, daß er sich zum Brantewein gewöhnet, und solchen nicht wohl quittiren könte, er hoffete aber nicht daß er damit jemand ärgerlich gewesen, wolte sich auch befleißigen denselbigen sich abzugewöhnen. Er gestand auch, daß bey dem Begräbnüß einer Frauen er bey der Leichen-procession gefallen wäre; sagte aber, es sey solches aus Mattigkeit geschehen, weil er den Tagviel confitenten gehabt, und weil er über dieses von dem vielen Rauch der Fackeln incommodiret, auch von einem der Träger an den Fuß gestossen worden. 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ret, und gewiesen daß es weder hohen noch niedern Gerichten zu stehe, in peinlichen oder criminal Sachen die pro Reis ausgefallenen Urtheil ab actis zu removiren, sondern daß dergleichen remotiones, wo nicht allemahl, doch mehrentheils Anzeigungen eines unlöblichen Affects wären: so darff auch ferner hier nur dasjenige wiederholet werden, was ich allbereit in 19. Handel des ersten Theils p. 209. seq. von dieser Frage in specie in einen gleichförmigen casu und deshalb gegeben responso Facultatis nostrae angeführet habe.
stehen zuhalten. §. VI. Der folgende andre casus gehöret nicht alleine zu der Rubrique des gegenwärtigen Handels, sondern bekräfftiget auch die dem 20. Handel des ersten Theils vorgesetzte rubrique von Schaden der aus Mißbrauch indifferenter Dinge, als zum Exempel des Brantewein-Trinckens entstehet. Anno 1699. in September solte unsere Facultät über eingeschickte acta sprechen, in welchen der Fiscal einen Pfarrer wegen etlicher excesse verklaget und zu bestraffen gebeten hatte. Ob nun wohl die Fiscalische Klage nicht gantz ungegründet war, so schiene doch, daß vermuthlich ein oder anderer sub larva eines vortrefflichen Eyffers für die orthodoxie seinen Affect wieder den Pfarrer auszulassenden Fiscal mochte zu der Klage angetrieben haben. Denn der erste exceß, der in der Fiscalischen Klage als der wichtigste u. ärgerlichste oben anstund, solte darinnen bestehen, daß der Priester an einen Bußtage die Worte aus D. Mulleri des Theologie Schluß-Kette angeführet: Fragstu einen Catholischen / wo hastu deinen GOtt? So wird er antwotten: zu Rom. Einen Reformirten? In Engelland. Einen Socinianer? In Polen &c. aber es dabey nicht bewenden lassen, sondern ärgerlicher Weise dazu gesetzt hätte: Es könten auf diese Art die von Müllern erwehnte Religions-Verwandren denen Lutherischen gleichfalls vorwerffen: daß sie ihren GOtt in Sachsen und zu Wittenberg hätten. Und dieses konte der angeklagte Pastor nicht läugnen. Er läugnete auch ferner nicht, daß er sich zum Brantewein gewöhnet, und solchen nicht wohl quittiren könte, er hoffete aber nicht daß er damit jemand ärgerlich gewesen, wolte sich auch befleißigen denselbigen sich abzugewöhnen. Er gestand auch, daß bey dem Begräbnüß einer Frauen er bey der Leichen-procession gefallen wäre; sagte aber, es sey solches aus Mattigkeit geschehen, weil er den Tagviel confitenten gehabt, und weil er über dieses von dem vielen Rauch der Fackeln incommodiret, auch von einem der Träger an den Fuß gestossen worden. Das vornehmste, was die Zeugen attestiret hatten, bestan-
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/312>, abgerufen am 14.06.2024. |