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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

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14.
Eduard Burton an Mortimer.

Ihr Brief hat mich nicht beleidigt, sondern
getröstet. Warum verstand ich jenen, der mich
zuerst gegen Lovell aufbrachte, nicht eben so gut?
Bin ich denn nicht aller derselben Schwächen
schuldig, ach! und noch vielen andern. -- Eben
unser Herz, das uns von innen veredelt und
bessert, indem Empfindungen auf und nieder-
steigen, um es zu erwärmen und zu reinigen,
eben dies bewegt uns am Ende wieder, diese
Empfindungen für ganz etwas Einziges zu hal-
ten, sie viel zu hoch uns selber anzurechnen,
und dadurch eine Scheidemauer zwischen uns
und die übrigen Menschen zu ziehn. In Lo-
vell's Bekenntnissen finde ich jetzt mich selbst
wieder, nur daß er übertreibt, wie denn alles
übertrieben ist, was man absondert, um es
einzeln hinzustellen, damit es andre fassen und

14.
Eduard Burton an Mortimer.

Ihr Brief hat mich nicht beleidigt, ſondern
getroͤſtet. Warum verſtand ich jenen, der mich
zuerſt gegen Lovell aufbrachte, nicht eben ſo gut?
Bin ich denn nicht aller derſelben Schwaͤchen
ſchuldig, ach! und noch vielen andern. — Eben
unſer Herz, das uns von innen veredelt und
beſſert, indem Empfindungen auf und nieder-
ſteigen, um es zu erwaͤrmen und zu reinigen,
eben dies bewegt uns am Ende wieder, dieſe
Empfindungen fuͤr ganz etwas Einziges zu hal-
ten, ſie viel zu hoch uns ſelber anzurechnen,
und dadurch eine Scheidemauer zwiſchen uns
und die uͤbrigen Menſchen zu ziehn. In Lo-
vell's Bekenntniſſen finde ich jetzt mich ſelbſt
wieder, nur daß er uͤbertreibt, wie denn alles
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einzeln hinzuſtellen, damit es andre faſſen und

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[206/0213] 14. Eduard Burton an Mortimer. Bonſtreet. Ihr Brief hat mich nicht beleidigt, ſondern getroͤſtet. Warum verſtand ich jenen, der mich zuerſt gegen Lovell aufbrachte, nicht eben ſo gut? Bin ich denn nicht aller derſelben Schwaͤchen ſchuldig, ach! und noch vielen andern. — Eben unſer Herz, das uns von innen veredelt und beſſert, indem Empfindungen auf und nieder- ſteigen, um es zu erwaͤrmen und zu reinigen, eben dies bewegt uns am Ende wieder, dieſe Empfindungen fuͤr ganz etwas Einziges zu hal- ten, ſie viel zu hoch uns ſelber anzurechnen, und dadurch eine Scheidemauer zwiſchen uns und die uͤbrigen Menſchen zu ziehn. In Lo- vell's Bekenntniſſen finde ich jetzt mich ſelbſt wieder, nur daß er uͤbertreibt, wie denn alles uͤbertrieben iſt, was man abſondert, um es einzeln hinzuſtellen, damit es andre faſſen und

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/213>, abgerufen am 30.04.2024.