Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.Zweite Abtheilung. dies Wollen und Nichtwollen, o es ist gar zuschön! Dies Ueberwinden eines gewissen seltsamen Widerwillens macht gerade das Pikante von der Sache. Hat mans nun erst gekostet, so möchte man gar nichts anders mehr essen, alle andern Speisen sind dagegen nüchtern und miserabel und jedes andre Fleisch schmeckt hölzern. Man kanns leider nur nicht immer haben, man muß auch wie- der mit andrer Kost vorlieb nehmen. O ich weiß, wenn Ihrs nur mal versuchtet, ihr würdet meiner Meinung werden und einer vor dem andern nicht mehr sicher seyn. Doch laßts nur bleiben und ver- harrt in Eurem Aberglauben, für Euch sind die übrigen Speisen gut genug, es muß nicht zu viele Liebhaber geben. Malwina. Du hast aber heut schon so viel gegessen, Lieber. Leidgast. Da hast du nicht Unrecht, zum Frühstück müssen sie noch besser schmecken, und -- eben fällt mir ein Gedanke ein, -- meinen beiden Landsleuten hier im Walde habe ich schon seit lange viele Verbindlichkeiten, die will ich dazu invitiren, die sind Kenner, die werden die Delikatesse zu schäz- zen wissen. -- Frau, bring sie hinauf in die Kam- mer, zu unsern Kleinen; schließ ja ab, das sag ich dir. Schlaft wohl, Kinder, schlaft recht ge- sund, daß ihr morgen nicht eingefallen seid. Da, küßt mir die Hand. Gute Nacht, liebes Volk. (Malvina mit den Kindern ab.) Semmelziege. Gnädiger Herr, wenn nur Ihre drei Kleinen nicht aufwachen. Zweite Abtheilung. dies Wollen und Nichtwollen, o es iſt gar zuſchoͤn! Dies Ueberwinden eines gewiſſen ſeltſamen Widerwillens macht gerade das Pikante von der Sache. Hat mans nun erſt gekoſtet, ſo moͤchte man gar nichts anders mehr eſſen, alle andern Speiſen ſind dagegen nuͤchtern und miſerabel und jedes andre Fleiſch ſchmeckt hoͤlzern. Man kanns leider nur nicht immer haben, man muß auch wie- der mit andrer Koſt vorlieb nehmen. O ich weiß, wenn Ihrs nur mal verſuchtet, ihr wuͤrdet meiner Meinung werden und einer vor dem andern nicht mehr ſicher ſeyn. Doch laßts nur bleiben und ver- harrt in Eurem Aberglauben, fuͤr Euch ſind die uͤbrigen Speiſen gut genug, es muß nicht zu viele Liebhaber geben. Malwina. Du haſt aber heut ſchon ſo viel gegeſſen, Lieber. Leidgaſt. Da haſt du nicht Unrecht, zum Fruͤhſtuͤck muͤſſen ſie noch beſſer ſchmecken, und — eben faͤllt mir ein Gedanke ein, — meinen beiden Landsleuten hier im Walde habe ich ſchon ſeit lange viele Verbindlichkeiten, die will ich dazu invitiren, die ſind Kenner, die werden die Delikateſſe zu ſchaͤz- zen wiſſen. — Frau, bring ſie hinauf in die Kam- mer, zu unſern Kleinen; ſchließ ja ab, das ſag ich dir. Schlaft wohl, Kinder, ſchlaft recht ge- ſund, daß ihr morgen nicht eingefallen ſeid. Da, kuͤßt mir die Hand. Gute Nacht, liebes Volk. (Malvina mit den Kindern ab.) Semmelziege. Gnaͤdiger Herr, wenn nur Ihre drei Kleinen nicht aufwachen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <sp who="#LEI"> <p><pb facs="#f0515" n="506"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> dies Wollen und Nichtwollen, o es iſt gar zu<lb/> ſchoͤn! Dies Ueberwinden eines gewiſſen ſeltſamen<lb/> Widerwillens macht gerade das Pikante von der<lb/> Sache. Hat mans nun erſt gekoſtet, ſo moͤchte<lb/> man gar nichts anders mehr eſſen, alle andern<lb/> Speiſen ſind dagegen nuͤchtern und miſerabel und<lb/> jedes andre Fleiſch ſchmeckt hoͤlzern. Man kanns<lb/> leider nur nicht immer haben, man muß auch wie-<lb/> der mit andrer Koſt vorlieb nehmen. O ich weiß,<lb/> wenn Ihrs nur mal verſuchtet, ihr wuͤrdet meiner<lb/> Meinung werden und einer vor dem andern nicht<lb/> mehr ſicher ſeyn. Doch laßts nur bleiben und ver-<lb/> harrt in Eurem Aberglauben, fuͤr Euch ſind die<lb/> uͤbrigen Speiſen gut genug, es muß nicht zu viele<lb/> Liebhaber geben.</p> </sp><lb/> <sp who="#MAL"> <speaker><hi rendition="#g">Malwina</hi>.</speaker> <p>Du haſt aber heut ſchon ſo viel<lb/> gegeſſen, Lieber.</p> </sp><lb/> <sp who="#LEI"> <speaker><hi rendition="#g">Leidgaſt</hi>.</speaker> <p>Da haſt du nicht Unrecht, zum<lb/> Fruͤhſtuͤck muͤſſen ſie noch beſſer ſchmecken, und —<lb/> eben faͤllt mir ein Gedanke ein, — meinen beiden<lb/> Landsleuten hier im Walde habe ich ſchon ſeit lange<lb/> viele Verbindlichkeiten, die will ich dazu invitiren,<lb/> die ſind Kenner, die werden die Delikateſſe zu ſchaͤz-<lb/> zen wiſſen. — Frau, bring ſie hinauf in die Kam-<lb/> mer, zu unſern Kleinen; ſchließ ja ab, das ſag<lb/> ich dir. Schlaft wohl, Kinder, ſchlaft recht ge-<lb/> ſund, daß ihr morgen nicht eingefallen ſeid. Da,<lb/> kuͤßt mir die Hand. Gute Nacht, liebes Volk.</p><lb/> <stage> <hi rendition="#et">(Malvina mit den Kindern ab.)</hi> </stage> </sp><lb/> <sp who="#SEM"> <speaker><hi rendition="#g">Semmelziege</hi>.</speaker> <p>Gnaͤdiger Herr, wenn nur<lb/> Ihre drei Kleinen nicht aufwachen.</p> </sp><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [506/0515]
Zweite Abtheilung.
dies Wollen und Nichtwollen, o es iſt gar zu
ſchoͤn! Dies Ueberwinden eines gewiſſen ſeltſamen
Widerwillens macht gerade das Pikante von der
Sache. Hat mans nun erſt gekoſtet, ſo moͤchte
man gar nichts anders mehr eſſen, alle andern
Speiſen ſind dagegen nuͤchtern und miſerabel und
jedes andre Fleiſch ſchmeckt hoͤlzern. Man kanns
leider nur nicht immer haben, man muß auch wie-
der mit andrer Koſt vorlieb nehmen. O ich weiß,
wenn Ihrs nur mal verſuchtet, ihr wuͤrdet meiner
Meinung werden und einer vor dem andern nicht
mehr ſicher ſeyn. Doch laßts nur bleiben und ver-
harrt in Eurem Aberglauben, fuͤr Euch ſind die
uͤbrigen Speiſen gut genug, es muß nicht zu viele
Liebhaber geben.
Malwina. Du haſt aber heut ſchon ſo viel
gegeſſen, Lieber.
Leidgaſt. Da haſt du nicht Unrecht, zum
Fruͤhſtuͤck muͤſſen ſie noch beſſer ſchmecken, und —
eben faͤllt mir ein Gedanke ein, — meinen beiden
Landsleuten hier im Walde habe ich ſchon ſeit lange
viele Verbindlichkeiten, die will ich dazu invitiren,
die ſind Kenner, die werden die Delikateſſe zu ſchaͤz-
zen wiſſen. — Frau, bring ſie hinauf in die Kam-
mer, zu unſern Kleinen; ſchließ ja ab, das ſag
ich dir. Schlaft wohl, Kinder, ſchlaft recht ge-
ſund, daß ihr morgen nicht eingefallen ſeid. Da,
kuͤßt mir die Hand. Gute Nacht, liebes Volk.
(Malvina mit den Kindern ab.)
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Zitationshilfe: | Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 506. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/515>, abgerufen am 13.06.2024. |