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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.

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wenn es im Sinne jener Fortbildungstheorie unmöglich ist zu behaup-
ten, daß z. B. ein allmäliger Uebergang von den Nagern zu den In-
sektenfressern stattfinde, so erscheint es ebenso unstatthaft, die barokke
Behauptung aufzustellen, der Orang sei ein Mittelglied zwischen Affen
und Menschen, während zugleich auf der anderen Seite feststeht, daß
die Kluft zwischen Vierhändern und Zweihändern durchaus nicht so
unübersehbar tief ist, als man sie hat darstellen wollen.

Die Haut des Menschen unterscheidet sich in ihrer Struktur nicht
wesentlich von derjenigen der übrigen Säugethiere, indem sie wie diese
stets aus zwei, deutlich von einander geschiedenen Lagen, aus der
eigentlichen Lederhaut, welche aus verschlungenen elastischen Fasern
besteht, und aus der Oberhaut zusammengesetzt ist, deren Grundlage
von Hornzellen gebildet wird, welche um so weicher und voller sind,
je näher sie der Lederhaut und ihren vorstehenden Gefühlswärzchen
aufliegen. Von der Haut der Affen unterscheidet sich indeß die mensch-
liche Haut wesentlich durch die äußerst lichte, unbedeutende Behaa-
rung des Körpers, mit Ausnahme einiger Stellen, wie des Kopfes,
der Achselhöhlen und Schaamgegend, auf welchen längere und derbere
Haare dicht concentrirt sind. Die Behaarung der Affen ist stets weit
gleichförmiger über den ganzen Körper verbreitet und namentlich ist
die Streckseite der Glieder stets mit vollständigem Pelze besetzt, was
auch bei übermäßiger Entwicklung der Haare, wie sie bei manchen
Menschenrassen vorkommt, niemals stattfindet. In der Entwicklung
der Haare, namentlich des Hauptes, zeigen sich vielfache Verschieden-
heiten. Meistens ist es schlicht, mehr oder minder lang, oft zur Locken-
bildung geneigt; in andern Fällen lang und so kraus und lockig, daß
die betreffenden Völkerschaften hölzerne Spießlein im Haar zu tragen
pflegen, um sich zu kratzen. Bei den Negern endlich ist es kurz, kraus
und so fein, daß es als Wolle erscheint, obgleich es die charakteristi-
schen Eigenschaften der Thierwolle nicht besitzt. In der Farbe der
Haare kann man besonders zwei Typen unterscheiden: schwarze oder
schwarzbraune, am weitesten verbreitet, da solche Haare allen Polar-
völkern und allen Völkern der wärmeren Zone zukommen, und blonde
mit den verschiedenen Abstufungen von hellbraun, gelb und roth, die
fast nur in gemäßigten Zonen vorkommen. Indessen giebt es unter
allen schwarzen Völkerschaften entweder blonde Stämme oder doch
blonde Individuen, die unter den rein schwarzen, wie den Negern,
gewöhnlich braunroth oder brandroth erscheinen, und sind anderseits

wenn es im Sinne jener Fortbildungstheorie unmöglich iſt zu behaup-
ten, daß z. B. ein allmäliger Uebergang von den Nagern zu den In-
ſektenfreſſern ſtattfinde, ſo erſcheint es ebenſo unſtatthaft, die barokke
Behauptung aufzuſtellen, der Orang ſei ein Mittelglied zwiſchen Affen
und Menſchen, während zugleich auf der anderen Seite feſtſteht, daß
die Kluft zwiſchen Vierhändern und Zweihändern durchaus nicht ſo
unüberſehbar tief iſt, als man ſie hat darſtellen wollen.

Die Haut des Menſchen unterſcheidet ſich in ihrer Struktur nicht
weſentlich von derjenigen der übrigen Säugethiere, indem ſie wie dieſe
ſtets aus zwei, deutlich von einander geſchiedenen Lagen, aus der
eigentlichen Lederhaut, welche aus verſchlungenen elaſtiſchen Faſern
beſteht, und aus der Oberhaut zuſammengeſetzt iſt, deren Grundlage
von Hornzellen gebildet wird, welche um ſo weicher und voller ſind,
je näher ſie der Lederhaut und ihren vorſtehenden Gefühlswärzchen
aufliegen. Von der Haut der Affen unterſcheidet ſich indeß die menſch-
liche Haut weſentlich durch die äußerſt lichte, unbedeutende Behaa-
rung des Körpers, mit Ausnahme einiger Stellen, wie des Kopfes,
der Achſelhöhlen und Schaamgegend, auf welchen längere und derbere
Haare dicht concentrirt ſind. Die Behaarung der Affen iſt ſtets weit
gleichförmiger über den ganzen Körper verbreitet und namentlich iſt
die Streckſeite der Glieder ſtets mit vollſtändigem Pelze beſetzt, was
auch bei übermäßiger Entwicklung der Haare, wie ſie bei manchen
Menſchenraſſen vorkommt, niemals ſtattfindet. In der Entwicklung
der Haare, namentlich des Hauptes, zeigen ſich vielfache Verſchieden-
heiten. Meiſtens iſt es ſchlicht, mehr oder minder lang, oft zur Locken-
bildung geneigt; in andern Fällen lang und ſo kraus und lockig, daß
die betreffenden Völkerſchaften hölzerne Spießlein im Haar zu tragen
pflegen, um ſich zu kratzen. Bei den Negern endlich iſt es kurz, kraus
und ſo fein, daß es als Wolle erſcheint, obgleich es die charakteriſti-
ſchen Eigenſchaften der Thierwolle nicht beſitzt. In der Farbe der
Haare kann man beſonders zwei Typen unterſcheiden: ſchwarze oder
ſchwarzbraune, am weiteſten verbreitet, da ſolche Haare allen Polar-
völkern und allen Völkern der wärmeren Zone zukommen, und blonde
mit den verſchiedenen Abſtufungen von hellbraun, gelb und roth, die
faſt nur in gemäßigten Zonen vorkommen. Indeſſen giebt es unter
allen ſchwarzen Völkerſchaften entweder blonde Stämme oder doch
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gewöhnlich braunroth oder brandroth erſcheinen, und ſind anderſeits

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[536/0542] wenn es im Sinne jener Fortbildungstheorie unmöglich iſt zu behaup- ten, daß z. B. ein allmäliger Uebergang von den Nagern zu den In- ſektenfreſſern ſtattfinde, ſo erſcheint es ebenſo unſtatthaft, die barokke Behauptung aufzuſtellen, der Orang ſei ein Mittelglied zwiſchen Affen und Menſchen, während zugleich auf der anderen Seite feſtſteht, daß die Kluft zwiſchen Vierhändern und Zweihändern durchaus nicht ſo unüberſehbar tief iſt, als man ſie hat darſtellen wollen. Die Haut des Menſchen unterſcheidet ſich in ihrer Struktur nicht weſentlich von derjenigen der übrigen Säugethiere, indem ſie wie dieſe ſtets aus zwei, deutlich von einander geſchiedenen Lagen, aus der eigentlichen Lederhaut, welche aus verſchlungenen elaſtiſchen Faſern beſteht, und aus der Oberhaut zuſammengeſetzt iſt, deren Grundlage von Hornzellen gebildet wird, welche um ſo weicher und voller ſind, je näher ſie der Lederhaut und ihren vorſtehenden Gefühlswärzchen aufliegen. Von der Haut der Affen unterſcheidet ſich indeß die menſch- liche Haut weſentlich durch die äußerſt lichte, unbedeutende Behaa- rung des Körpers, mit Ausnahme einiger Stellen, wie des Kopfes, der Achſelhöhlen und Schaamgegend, auf welchen längere und derbere Haare dicht concentrirt ſind. Die Behaarung der Affen iſt ſtets weit gleichförmiger über den ganzen Körper verbreitet und namentlich iſt die Streckſeite der Glieder ſtets mit vollſtändigem Pelze beſetzt, was auch bei übermäßiger Entwicklung der Haare, wie ſie bei manchen Menſchenraſſen vorkommt, niemals ſtattfindet. In der Entwicklung der Haare, namentlich des Hauptes, zeigen ſich vielfache Verſchieden- heiten. Meiſtens iſt es ſchlicht, mehr oder minder lang, oft zur Locken- bildung geneigt; in andern Fällen lang und ſo kraus und lockig, daß die betreffenden Völkerſchaften hölzerne Spießlein im Haar zu tragen pflegen, um ſich zu kratzen. Bei den Negern endlich iſt es kurz, kraus und ſo fein, daß es als Wolle erſcheint, obgleich es die charakteriſti- ſchen Eigenſchaften der Thierwolle nicht beſitzt. In der Farbe der Haare kann man beſonders zwei Typen unterſcheiden: ſchwarze oder ſchwarzbraune, am weiteſten verbreitet, da ſolche Haare allen Polar- völkern und allen Völkern der wärmeren Zone zukommen, und blonde mit den verſchiedenen Abſtufungen von hellbraun, gelb und roth, die faſt nur in gemäßigten Zonen vorkommen. Indeſſen giebt es unter allen ſchwarzen Völkerſchaften entweder blonde Stämme oder doch blonde Individuen, die unter den rein ſchwarzen, wie den Negern, gewöhnlich braunroth oder brandroth erſcheinen, und ſind anderſeits

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 536. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/542>, abgerufen am 30.04.2024.