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Weise, Christian: Der freymüthige und höfliche Redner. Leipzig, 1693.

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hat den höchsten Danck verdienet/
wenn er einem solchen Menschen die
Bewegung durchaus abgewehnet.

LXVIII.

Zwar ich weiß noch ei-
nen andern Tantzmeister/ den ein
jedweder in Gedancken führet/ das
ist der innerliche affect, der die Men-
schen offtermals mehr zu gewissen
Geberden zwingen kan/ als ihnen
selbst lieb ist. Der Zorn bringt es
dahin/ daß wir die Rede abbrechen/
und confuse Dinge nach einander
setzen. Die Traurigkeit und die
Liebe nöthiget uns offt zum weinen.
Die Freude machet/ daß unsere
Mund voll Lachens und unsere Zun-
ge voll rühmens ist. Also kan man-
cher mit blossen Thränen/ mit ei-
ner Mine/ da die Worte gleichsam
im Munde sterben/ oder auch wenn
er sich stellet/ als wenn er gantz ohn-
mächtig würde/ mehr ausrichten/
als mit der künstlichen Rede. Nur

die

hat den hoͤchſten Danck verdienet/
wenn er einem ſolchen Menſchen die
Bewegung durchaus abgewehnet.

LXVIII.

Zwar ich weiß noch ei-
nen andern Tantzmeiſter/ den ein
jedweder in Gedancken fuͤhret/ das
iſt der innerliche affect, der die Men-
ſchen offtermals mehr zu gewiſſen
Geberden zwingen kan/ als ihnen
ſelbſt lieb iſt. Der Zorn bringt es
dahin/ daß wir die Rede abbrechen/
und confuſe Dinge nach einander
ſetzen. Die Traurigkeit und die
Liebe noͤthiget uns offt zum weinen.
Die Freude machet/ daß unſere
Mund voll Lachens uñ unſere Zun-
ge voll ruͤhmens iſt. Alſo kan man-
cher mit bloſſen Thraͤnen/ mit ei-
ner Mine/ da die Worte gleichſam
im Munde ſterben/ oder auch wenn
er ſich ſtellet/ als wenn er gantz ohn-
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als mit der kuͤnſtlichen Rede. Nur

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[0068] hat den hoͤchſten Danck verdienet/ wenn er einem ſolchen Menſchen die Bewegung durchaus abgewehnet. LXVIII. Zwar ich weiß noch ei- nen andern Tantzmeiſter/ den ein jedweder in Gedancken fuͤhret/ das iſt der innerliche affect, der die Men- ſchen offtermals mehr zu gewiſſen Geberden zwingen kan/ als ihnen ſelbſt lieb iſt. Der Zorn bringt es dahin/ daß wir die Rede abbrechen/ und confuſe Dinge nach einander ſetzen. Die Traurigkeit und die Liebe noͤthiget uns offt zum weinen. Die Freude machet/ daß unſere Mund voll Lachens uñ unſere Zun- ge voll ruͤhmens iſt. Alſo kan man- cher mit bloſſen Thraͤnen/ mit ei- ner Mine/ da die Worte gleichſam im Munde ſterben/ oder auch wenn er ſich ſtellet/ als wenn er gantz ohn- maͤchtig wuͤrde/ mehr ausrichten/ als mit der kuͤnſtlichen Rede. Nur die

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Der freymüthige und höfliche Redner. Leipzig, 1693, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_redner_1693/68>, abgerufen am 30.04.2024.