abzuhärten. Alsbald nach seiner Ankunft in Bremerhafen be- gann er auch Cognac mit Wasser zu trinken und Tabak zu kauen, da er beides für nothwendige Requisiten eines Seemannes hielt. Doch nur in ersterem brachte er es zu einiger Fertigkeit; das Tabakskauen wollte ihm trotz aller Willensfestigkeit und Uebelkeit nicht gelingen und er tröstete sich schließlich damit, daß ein Zahlmeister allenfalls auch ohne dasselbe leben könne. Zwar harrte seiner eine abermalige Enttäuschung, als er bei seinem Eintritte in die Marine nicht an Bord eines Schiffes, sondern in das Arsenal commandirt wurde, um in sein neues Fach ein- geführt zu werden, jedoch fand er hier einen Kameraden, den Zahlmeister Wollweber, der ihn in die Obliegenheiten und Ge- heimnisse seines Dienstes einweihte.
Wollweber war bereits ein älterer Mann, der zwar die Zahlmeistergeschäfte ebenfalls erst seit einigen Wochen über- nommen hatte, dem dafür aber mancherlei Lebenserfahrungen zu Gebote standen. Ursprünglich auch Jurist von Fach und nebenbei ein vorzüglicher Musiker, war er in die Göttinger Universitätsaffaire von 1831 verwickelt worden, nach Amerika ausgewandert, hatte dort eine Reihe von Jahren gelebt und nach seiner Rückkehr die Stellung als Zahlmeister und Vor- stand des Arsenals gefunden. Sein musikalisches Talent, seine gediegene Bildung und sein wohlwollendes Wesen, dem das wechselvolle Leben nicht den angeborenen Humor geraubt, hatte ihn im Kreise aller Kameraden sehr beliebt gemacht.
Das "Arsenal" bestand damals bei Gründung der Flotte vorläufig noch aus einem gemietheten Schuppen, in dem die von allen Seiten beschafften und herbeiströmenden Vorraths- gegenstände, namentlich artilleristischer Natur, gelagert wurden, und es war die Aufgabe der beiden ehemaligen Rechtskundigen, sie zu verwalten und Ordnung in dies Chaos der heterogensten und zum größten Theile ihnen unbekannten Dinge zu bringen. Wollweber hatte jedoch bereits einige Fortschritte in der Kennt-
Werner
abzuhärten. Alsbald nach ſeiner Ankunft in Bremerhafen be- gann er auch Cognac mit Waſſer zu trinken und Tabak zu kauen, da er beides für nothwendige Requiſiten eines Seemannes hielt. Doch nur in erſterem brachte er es zu einiger Fertigkeit; das Tabakskauen wollte ihm trotz aller Willensfeſtigkeit und Uebelkeit nicht gelingen und er tröſtete ſich ſchließlich damit, daß ein Zahlmeiſter allenfalls auch ohne daſſelbe leben könne. Zwar harrte ſeiner eine abermalige Enttäuſchung, als er bei ſeinem Eintritte in die Marine nicht an Bord eines Schiffes, ſondern in das Arſenal commandirt wurde, um in ſein neues Fach ein- geführt zu werden, jedoch fand er hier einen Kameraden, den Zahlmeiſter Wollweber, der ihn in die Obliegenheiten und Ge- heimniſſe ſeines Dienſtes einweihte.
Wollweber war bereits ein älterer Mann, der zwar die Zahlmeiſtergeſchäfte ebenfalls erſt ſeit einigen Wochen über- nommen hatte, dem dafür aber mancherlei Lebenserfahrungen zu Gebote ſtanden. Urſprünglich auch Juriſt von Fach und nebenbei ein vorzüglicher Muſiker, war er in die Göttinger Univerſitätsaffaire von 1831 verwickelt worden, nach Amerika ausgewandert, hatte dort eine Reihe von Jahren gelebt und nach ſeiner Rückkehr die Stellung als Zahlmeiſter und Vor- ſtand des Arſenals gefunden. Sein muſikaliſches Talent, ſeine gediegene Bildung und ſein wohlwollendes Weſen, dem das wechſelvolle Leben nicht den angeborenen Humor geraubt, hatte ihn im Kreiſe aller Kameraden ſehr beliebt gemacht.
Das „Arſenal“ beſtand damals bei Gründung der Flotte vorläufig noch aus einem gemietheten Schuppen, in dem die von allen Seiten beſchafften und herbeiſtrömenden Vorraths- gegenſtände, namentlich artilleriſtiſcher Natur, gelagert wurden, und es war die Aufgabe der beiden ehemaligen Rechtskundigen, ſie zu verwalten und Ordnung in dies Chaos der heterogenſten und zum größten Theile ihnen unbekannten Dinge zu bringen. Wollweber hatte jedoch bereits einige Fortſchritte in der Kennt-
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Werner
abzuhärten. Alsbald nach ſeiner Ankunft in Bremerhafen be-
gann er auch Cognac mit Waſſer zu trinken und Tabak zu
kauen, da er beides für nothwendige Requiſiten eines Seemannes
hielt. Doch nur in erſterem brachte er es zu einiger Fertigkeit;
das Tabakskauen wollte ihm trotz aller Willensfeſtigkeit und
Uebelkeit nicht gelingen und er tröſtete ſich ſchließlich damit, daß
ein Zahlmeiſter allenfalls auch ohne daſſelbe leben könne. Zwar
harrte ſeiner eine abermalige Enttäuſchung, als er bei ſeinem
Eintritte in die Marine nicht an Bord eines Schiffes, ſondern
in das Arſenal commandirt wurde, um in ſein neues Fach ein-
geführt zu werden, jedoch fand er hier einen Kameraden, den
Zahlmeiſter Wollweber, der ihn in die Obliegenheiten und Ge-
heimniſſe ſeines Dienſtes einweihte.
Wollweber war bereits ein älterer Mann, der zwar die
Zahlmeiſtergeſchäfte ebenfalls erſt ſeit einigen Wochen über-
nommen hatte, dem dafür aber mancherlei Lebenserfahrungen
zu Gebote ſtanden. Urſprünglich auch Juriſt von Fach und
nebenbei ein vorzüglicher Muſiker, war er in die Göttinger
Univerſitätsaffaire von 1831 verwickelt worden, nach Amerika
ausgewandert, hatte dort eine Reihe von Jahren gelebt und
nach ſeiner Rückkehr die Stellung als Zahlmeiſter und Vor-
ſtand des Arſenals gefunden. Sein muſikaliſches Talent,
ſeine gediegene Bildung und ſein wohlwollendes Weſen, dem
das wechſelvolle Leben nicht den angeborenen Humor geraubt,
hatte ihn im Kreiſe aller Kameraden ſehr beliebt gemacht.
Das „Arſenal“ beſtand damals bei Gründung der Flotte
vorläufig noch aus einem gemietheten Schuppen, in dem die
von allen Seiten beſchafften und herbeiſtrömenden Vorraths-
gegenſtände, namentlich artilleriſtiſcher Natur, gelagert wurden,
und es war die Aufgabe der beiden ehemaligen Rechtskundigen,
ſie zu verwalten und Ordnung in dies Chaos der heterogenſten
und zum größten Theile ihnen unbekannten Dinge zu bringen.
Wollweber hatte jedoch bereits einige Fortſchritte in der Kennt-
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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/256>, abgerufen am 18.06.2024.
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