in die richtigen Hände, in die des Zahlmeisters kam. Für die nächsten Monate hielt er sich aber sehr zurück und die Seeoffi- ciere hatten Aufwasser. Fähnrich Mathy, der das Artillerie- material an Bord zu verwalten hatte, war höchlich erstaunt, daß Kartätschbüchsen unter die Vorräthe der Officiersmesse gerathen waren. Er ließ die drei gekochten wieder löthen, neu anstreichen und sie, um späteren Mißverständnissen vorzubeugen, dorthin ver- stauen, wohin sie gehörten, in die Kugelracken um die Masten.
An schönen Sommerabenden pflegten sich nach Beendi- gung des Dienstes die meisten Messemitglieder auf dem Ober- deck, mittschiffs, in der Nähe des Maschinenschornsteins zu versammeln, um bei einer Cigarre ein Plauderstündchen zu halten. Unten in der Messe durfte nämlich nicht geraucht werden; der Commandant betrachtete das als ein Capitalver- brechen. An Bord der Kriegsschiffe herrscht mancherlei sonder- bare Etikette, die vielfach berechtigt ist, aber aus früheren Zeiten auch eine Menge zopfigen Ballastes mit sich führt, der an und für sich keinen weiteren Sinn hat, als Unterofficieren und Mannschaften einen unnöthigen Zwang aufzulegen und ihnen dadurch das Leben zu erschweren. In neuerer Zeit hat man verständiger Weise Verschiedenes von diesem Zopf abge- schafft und dabei in Betracht gezogen, daß ein Wohlfühlen der Besatzung an Bord und Gewähren harmloser und gewohnter Genüsse viel mehr zur Aufrechterhaltung der Disciplin und eines guten Geistes beiträgt, als alle Strenge und zwecklose Etikette. Unser Kapitän vermochte die Sache jedoch nicht von diesem weiteren Gesichtspunkte aufzufassen; je weniger der alte Mann vom eigentlichen Dienste verstand, desto mehr suchte er ihn in der peinlichen Beobachtung von Aeußerlichkeiten. Das Nichtrauchen in der Messe war ihm noch aus seiner kurzen Dienstzeit vor drei Jahrzehnten als Master in der englischen Marine erinnerlich und nun ritt er es als Steckenpferd.
An einem prachtvollen warmen Sommerabend saßen Offi-
Ernſtes und Heiteres
in die richtigen Hände, in die des Zahlmeiſters kam. Für die nächſten Monate hielt er ſich aber ſehr zurück und die Seeoffi- ciere hatten Aufwaſſer. Fähnrich Mathy, der das Artillerie- material an Bord zu verwalten hatte, war höchlich erſtaunt, daß Kartätſchbüchſen unter die Vorräthe der Officiersmeſſe gerathen waren. Er ließ die drei gekochten wieder löthen, neu anſtreichen und ſie, um ſpäteren Mißverſtändniſſen vorzubeugen, dorthin ver- ſtauen, wohin ſie gehörten, in die Kugelracken um die Maſten.
An ſchönen Sommerabenden pflegten ſich nach Beendi- gung des Dienſtes die meiſten Meſſemitglieder auf dem Ober- deck, mittſchiffs, in der Nähe des Maſchinenſchornſteins zu verſammeln, um bei einer Cigarre ein Plauderſtündchen zu halten. Unten in der Meſſe durfte nämlich nicht geraucht werden; der Commandant betrachtete das als ein Capitalver- brechen. An Bord der Kriegsſchiffe herrſcht mancherlei ſonder- bare Etikette, die vielfach berechtigt iſt, aber aus früheren Zeiten auch eine Menge zopfigen Ballaſtes mit ſich führt, der an und für ſich keinen weiteren Sinn hat, als Unterofficieren und Mannſchaften einen unnöthigen Zwang aufzulegen und ihnen dadurch das Leben zu erſchweren. In neuerer Zeit hat man verſtändiger Weiſe Verſchiedenes von dieſem Zopf abge- ſchafft und dabei in Betracht gezogen, daß ein Wohlfühlen der Beſatzung an Bord und Gewähren harmloſer und gewohnter Genüſſe viel mehr zur Aufrechterhaltung der Disciplin und eines guten Geiſtes beiträgt, als alle Strenge und zweckloſe Etikette. Unſer Kapitän vermochte die Sache jedoch nicht von dieſem weiteren Geſichtspunkte aufzufaſſen; je weniger der alte Mann vom eigentlichen Dienſte verſtand, deſto mehr ſuchte er ihn in der peinlichen Beobachtung von Aeußerlichkeiten. Das Nichtrauchen in der Meſſe war ihm noch aus ſeiner kurzen Dienſtzeit vor drei Jahrzehnten als Maſter in der engliſchen Marine erinnerlich und nun ritt er es als Steckenpferd.
An einem prachtvollen warmen Sommerabend ſaßen Offi-
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Ernſtes und Heiteres
in die richtigen Hände, in die des Zahlmeiſters kam. Für die
nächſten Monate hielt er ſich aber ſehr zurück und die Seeoffi-
ciere hatten Aufwaſſer. Fähnrich Mathy, der das Artillerie-
material an Bord zu verwalten hatte, war höchlich erſtaunt, daß
Kartätſchbüchſen unter die Vorräthe der Officiersmeſſe gerathen
waren. Er ließ die drei gekochten wieder löthen, neu anſtreichen
und ſie, um ſpäteren Mißverſtändniſſen vorzubeugen, dorthin ver-
ſtauen, wohin ſie gehörten, in die Kugelracken um die Maſten.
An ſchönen Sommerabenden pflegten ſich nach Beendi-
gung des Dienſtes die meiſten Meſſemitglieder auf dem Ober-
deck, mittſchiffs, in der Nähe des Maſchinenſchornſteins zu
verſammeln, um bei einer Cigarre ein Plauderſtündchen zu
halten. Unten in der Meſſe durfte nämlich nicht geraucht
werden; der Commandant betrachtete das als ein Capitalver-
brechen. An Bord der Kriegsſchiffe herrſcht mancherlei ſonder-
bare Etikette, die vielfach berechtigt iſt, aber aus früheren
Zeiten auch eine Menge zopfigen Ballaſtes mit ſich führt, der
an und für ſich keinen weiteren Sinn hat, als Unterofficieren
und Mannſchaften einen unnöthigen Zwang aufzulegen und
ihnen dadurch das Leben zu erſchweren. In neuerer Zeit hat
man verſtändiger Weiſe Verſchiedenes von dieſem Zopf abge-
ſchafft und dabei in Betracht gezogen, daß ein Wohlfühlen der
Beſatzung an Bord und Gewähren harmloſer und gewohnter
Genüſſe viel mehr zur Aufrechterhaltung der Disciplin und
eines guten Geiſtes beiträgt, als alle Strenge und zweckloſe
Etikette. Unſer Kapitän vermochte die Sache jedoch nicht
von dieſem weiteren Geſichtspunkte aufzufaſſen; je weniger der
alte Mann vom eigentlichen Dienſte verſtand, deſto mehr ſuchte
er ihn in der peinlichen Beobachtung von Aeußerlichkeiten. Das
Nichtrauchen in der Meſſe war ihm noch aus ſeiner kurzen
Dienſtzeit vor drei Jahrzehnten als Maſter in der engliſchen
Marine erinnerlich und nun ritt er es als Steckenpferd.
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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/277>, abgerufen am 14.06.2024.
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