was blieb mir übrig, als ihn zum Geschenk anzubieten, und so kam ich um das schöne seltene Thier, das schon ein Jahr lang mein steter Begleiter gewesen und das unter so höchst wunderbaren Umständen in meinen Besitz gelangt war, so wunderbaren, daß sie kaum glaublich sind."
"Was waren denn das für wunderbare Umstände?" fragte Albert. "Rücken Sie doch endlich damit heraus, nachdem Sie uns den Mund so wässerig gemacht."
"Gedulden Sie sich doch nur," erwiderte Mathy, der mit Befriedigung sah, daß seine Zuhörerschaft sich in der geeigneten Stimmung befand, "ich komme ja schon darauf hin. Es ist nebenbei auch eine traurige Geschichte. Vor vier Jahren war ich mit der "Wespe", einer amerikanischen Kriegsbrigg, in Rio- de-Janeiro. Wir lagen mehrere Monate dort, machten allerlei Bekanntschaften, und unter andern lernte ich auch eines Tages einen deutschen Herrn kennen, der etwa fünf Meilen von Rio nach dem Innern zu sich angesiedelt hatte. Wir fanden Ge- fallen an einander und wurden bald recht befreundet. Er lud mich dringend zu einem Besuche auf seiner Besitzung ein, und als er das nächste Mal zur Stadt kam, ritt ich mit ihm hin- aus. Unser Weg führte uns durch ein prachtvolles Stück Ur- wald, ehe wir an sein Haus gelangten, das am Fuße eines ziemlich steilen Berges gelegen und von üppigen Kaffee- und Zuckerplantagen umgeben war. In dem Walde fielen mir große Schaaren von schönen Papageien auf. Sie zeichneten sich nicht nur durch ihr wundervolles Gefieder, sondern namentlich durch den melodischen Klang ihrer Stimme aus, während man doch sonst von diesen Vögeln nur widerliches Gekreisch vernimmt. Ebenso waren sie gar nicht scheu, sondern flogen ganz zutrau- lich in unserer Nähe umher, so daß man sie fast hätte greifen können."
"Sie werden ein schönes Exemplar in meinem Hause sehen," erzählte mein Freund. "Ich habe es vor einem Jahre aus dem
Ernſtes und Heiteres
was blieb mir übrig, als ihn zum Geſchenk anzubieten, und ſo kam ich um das ſchöne ſeltene Thier, das ſchon ein Jahr lang mein ſteter Begleiter geweſen und das unter ſo höchſt wunderbaren Umſtänden in meinen Beſitz gelangt war, ſo wunderbaren, daß ſie kaum glaublich ſind.“
„Was waren denn das für wunderbare Umſtände?“ fragte Albert. „Rücken Sie doch endlich damit heraus, nachdem Sie uns den Mund ſo wäſſerig gemacht.“
„Gedulden Sie ſich doch nur,“ erwiderte Mathy, der mit Befriedigung ſah, daß ſeine Zuhörerſchaft ſich in der geeigneten Stimmung befand, „ich komme ja ſchon darauf hin. Es iſt nebenbei auch eine traurige Geſchichte. Vor vier Jahren war ich mit der „Wespe“, einer amerikaniſchen Kriegsbrigg, in Rio- de-Janeiro. Wir lagen mehrere Monate dort, machten allerlei Bekanntſchaften, und unter andern lernte ich auch eines Tages einen deutſchen Herrn kennen, der etwa fünf Meilen von Rio nach dem Innern zu ſich angeſiedelt hatte. Wir fanden Ge- fallen an einander und wurden bald recht befreundet. Er lud mich dringend zu einem Beſuche auf ſeiner Beſitzung ein, und als er das nächſte Mal zur Stadt kam, ritt ich mit ihm hin- aus. Unſer Weg führte uns durch ein prachtvolles Stück Ur- wald, ehe wir an ſein Haus gelangten, das am Fuße eines ziemlich ſteilen Berges gelegen und von üppigen Kaffee- und Zuckerplantagen umgeben war. In dem Walde fielen mir große Schaaren von ſchönen Papageien auf. Sie zeichneten ſich nicht nur durch ihr wundervolles Gefieder, ſondern namentlich durch den melodiſchen Klang ihrer Stimme aus, während man doch ſonſt von dieſen Vögeln nur widerliches Gekreiſch vernimmt. Ebenſo waren ſie gar nicht ſcheu, ſondern flogen ganz zutrau- lich in unſerer Nähe umher, ſo daß man ſie faſt hätte greifen können.“
„Sie werden ein ſchönes Exemplar in meinem Hauſe ſehen,“ erzählte mein Freund. „Ich habe es vor einem Jahre aus dem
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Ernſtes und Heiteres
was blieb mir übrig, als ihn zum Geſchenk anzubieten, und
ſo kam ich um das ſchöne ſeltene Thier, das ſchon ein Jahr
lang mein ſteter Begleiter geweſen und das unter ſo höchſt
wunderbaren Umſtänden in meinen Beſitz gelangt war, ſo
wunderbaren, daß ſie kaum glaublich ſind.“
„Was waren denn das für wunderbare Umſtände?“
fragte Albert. „Rücken Sie doch endlich damit heraus, nachdem
Sie uns den Mund ſo wäſſerig gemacht.“
„Gedulden Sie ſich doch nur,“ erwiderte Mathy, der mit
Befriedigung ſah, daß ſeine Zuhörerſchaft ſich in der geeigneten
Stimmung befand, „ich komme ja ſchon darauf hin. Es iſt
nebenbei auch eine traurige Geſchichte. Vor vier Jahren war
ich mit der „Wespe“, einer amerikaniſchen Kriegsbrigg, in Rio-
de-Janeiro. Wir lagen mehrere Monate dort, machten allerlei
Bekanntſchaften, und unter andern lernte ich auch eines Tages
einen deutſchen Herrn kennen, der etwa fünf Meilen von Rio
nach dem Innern zu ſich angeſiedelt hatte. Wir fanden Ge-
fallen an einander und wurden bald recht befreundet. Er lud
mich dringend zu einem Beſuche auf ſeiner Beſitzung ein, und
als er das nächſte Mal zur Stadt kam, ritt ich mit ihm hin-
aus. Unſer Weg führte uns durch ein prachtvolles Stück Ur-
wald, ehe wir an ſein Haus gelangten, das am Fuße eines
ziemlich ſteilen Berges gelegen und von üppigen Kaffee- und
Zuckerplantagen umgeben war. In dem Walde fielen mir große
Schaaren von ſchönen Papageien auf. Sie zeichneten ſich nicht
nur durch ihr wundervolles Gefieder, ſondern namentlich durch
den melodiſchen Klang ihrer Stimme aus, während man doch
ſonſt von dieſen Vögeln nur widerliches Gekreiſch vernimmt.
Ebenſo waren ſie gar nicht ſcheu, ſondern flogen ganz zutrau-
lich in unſerer Nähe umher, ſo daß man ſie faſt hätte greifen
können.“
„Sie werden ein ſchönes Exemplar in meinem Hauſe ſehen,“
erzählte mein Freund. „Ich habe es vor einem Jahre aus dem
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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/293>, abgerufen am 15.06.2024.
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