Eisenbahn dem Lande selbst Vortheile bringt, geht deutlich genug aus dem Umstande hervor, daß die Zolleinnahmen Barranquilla's sich nach zweijährigem Bestehen der Bahn verzwölffacht haben; man kann daraus abnehmen, welcher Steigerung der Handel mit Columbien fähig ist. Bis jetzt ist letzterer zum größten Theile in den Händen der Deutschen, die Engländer erklären offen, daß sie unbegreiflicher Weise in jenen Ländern nicht mit den Deutschen concurriren können -- sorgen wir dafür, daß wir auch in Zukunft die gewonnene Position halten, befestigen und erweitern.
Wir blieben zehn Tage vor Sabanilla und benutzten die Zeit, um durch Vermessungen die ziemlich falschen Karten richtig zu stellen, sowie Land und Leute so viel wie möglich kennen zu lernen. Durch Austausch von Besuchen und durch gesellige Zu- sammenkünfte an Land und an Bord kamen wir auch mit den höheren Classen in Berührung. Sie waren sehr freundlich und zuvorkommend gegen uns, aber mein allgemeines Urtheil über die Bevölkerung fand ich auch hier bestätigt; Bildung und Intelligenz waren mit sehr wenigen Ausnahmen ungewöhnlich karg bemessen. Jedenfalls wird es trotz der Anstrengungen der Regierung eine unabsehbare Zeit dauern, ehe das Land von seinen Bewohnern aus einen Aufschwung erwarten darf und der Impuls dazu muß wol überhaupt von außen kommen.
Mit unseren liebenswürdigen deutschen Gastfreunden machten wir zu Pferde mancherlei Touren in die Umgegend, doch bietet dieselbe dem Auge nicht viel Reiz oder Ab- wechselung, besonders wenn man aus dem schönen Puerto Ca- bello kommt. Mit Ausnahme der in weiter Entfernung auf- steigenden Sierra Nevada hat man nur eine endlose leicht gewellte, wenig cultivirte Alluvialebene vor sich, die hier und dort mit Mimosen und niedrigem Laubholz bestanden ist, aber größerer Waldstrecken entbehrt.
Unser nächstes Ziel war Hayti. Im Jahre 1872 hatte
Werner
Eiſenbahn dem Lande ſelbſt Vortheile bringt, geht deutlich genug aus dem Umſtande hervor, daß die Zolleinnahmen Barranquilla’s ſich nach zweijährigem Beſtehen der Bahn verzwölffacht haben; man kann daraus abnehmen, welcher Steigerung der Handel mit Columbien fähig iſt. Bis jetzt iſt letzterer zum größten Theile in den Händen der Deutſchen, die Engländer erklären offen, daß ſie unbegreiflicher Weiſe in jenen Ländern nicht mit den Deutſchen concurriren können — ſorgen wir dafür, daß wir auch in Zukunft die gewonnene Poſition halten, befeſtigen und erweitern.
Wir blieben zehn Tage vor Sabanilla und benutzten die Zeit, um durch Vermeſſungen die ziemlich falſchen Karten richtig zu ſtellen, ſowie Land und Leute ſo viel wie möglich kennen zu lernen. Durch Austauſch von Beſuchen und durch geſellige Zu- ſammenkünfte an Land und an Bord kamen wir auch mit den höheren Claſſen in Berührung. Sie waren ſehr freundlich und zuvorkommend gegen uns, aber mein allgemeines Urtheil über die Bevölkerung fand ich auch hier beſtätigt; Bildung und Intelligenz waren mit ſehr wenigen Ausnahmen ungewöhnlich karg bemeſſen. Jedenfalls wird es trotz der Anſtrengungen der Regierung eine unabſehbare Zeit dauern, ehe das Land von ſeinen Bewohnern aus einen Aufſchwung erwarten darf und der Impuls dazu muß wol überhaupt von außen kommen.
Mit unſeren liebenswürdigen deutſchen Gaſtfreunden machten wir zu Pferde mancherlei Touren in die Umgegend, doch bietet dieſelbe dem Auge nicht viel Reiz oder Ab- wechſelung, beſonders wenn man aus dem ſchönen Puerto Ca- bello kommt. Mit Ausnahme der in weiter Entfernung auf- ſteigenden Sierra Nevada hat man nur eine endloſe leicht gewellte, wenig cultivirte Alluvialebene vor ſich, die hier und dort mit Mimoſen und niedrigem Laubholz beſtanden iſt, aber größerer Waldſtrecken entbehrt.
Unſer nächſtes Ziel war Hayti. Im Jahre 1872 hatte
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0362"n="350"/><fwplace="top"type="header">Werner</fw><lb/>
Eiſenbahn dem Lande ſelbſt Vortheile bringt, geht deutlich genug<lb/>
aus dem Umſtande hervor, daß die Zolleinnahmen Barranquilla’s<lb/>ſich nach zweijährigem Beſtehen der Bahn verz<hirendition="#g">wölf</hi>facht haben;<lb/>
man kann daraus abnehmen, welcher Steigerung der Handel mit<lb/>
Columbien fähig iſt. Bis jetzt iſt letzterer zum größten Theile<lb/>
in den Händen der Deutſchen, die Engländer erklären offen,<lb/>
daß ſie unbegreiflicher Weiſe in jenen Ländern nicht mit den<lb/>
Deutſchen concurriren können —ſorgen wir dafür, daß wir<lb/>
auch in Zukunft die gewonnene Poſition halten, befeſtigen und<lb/>
erweitern.</p><lb/><p>Wir blieben zehn Tage vor Sabanilla und benutzten die<lb/>
Zeit, um durch Vermeſſungen die ziemlich falſchen Karten richtig<lb/>
zu ſtellen, ſowie Land und Leute ſo viel wie möglich kennen zu<lb/>
lernen. Durch Austauſch von Beſuchen und durch geſellige Zu-<lb/>ſammenkünfte an Land und an Bord kamen wir auch mit den<lb/>
höheren Claſſen in Berührung. Sie waren ſehr freundlich und<lb/>
zuvorkommend gegen uns, aber mein allgemeines Urtheil über<lb/>
die Bevölkerung fand ich auch hier beſtätigt; Bildung und<lb/>
Intelligenz waren mit ſehr wenigen Ausnahmen ungewöhnlich<lb/>
karg bemeſſen. Jedenfalls wird es trotz der Anſtrengungen der<lb/>
Regierung eine unabſehbare Zeit dauern, ehe das Land von<lb/>ſeinen Bewohnern aus einen Aufſchwung erwarten darf und der<lb/>
Impuls dazu muß wol überhaupt von außen kommen.</p><lb/><p>Mit unſeren liebenswürdigen deutſchen Gaſtfreunden<lb/>
machten wir zu Pferde mancherlei Touren in die Umgegend,<lb/>
doch bietet dieſelbe dem Auge nicht viel Reiz oder Ab-<lb/>
wechſelung, beſonders wenn man aus dem ſchönen Puerto Ca-<lb/>
bello kommt. Mit Ausnahme der in weiter Entfernung auf-<lb/>ſteigenden Sierra Nevada hat man nur eine endloſe leicht<lb/>
gewellte, wenig cultivirte Alluvialebene vor ſich, die hier und<lb/>
dort mit Mimoſen und niedrigem Laubholz beſtanden iſt, aber<lb/>
größerer Waldſtrecken entbehrt.</p><lb/><p>Unſer nächſtes Ziel war Hayti. Im Jahre 1872 hatte<lb/></p></div></body></text></TEI>
[350/0362]
Werner
Eiſenbahn dem Lande ſelbſt Vortheile bringt, geht deutlich genug
aus dem Umſtande hervor, daß die Zolleinnahmen Barranquilla’s
ſich nach zweijährigem Beſtehen der Bahn verzwölffacht haben;
man kann daraus abnehmen, welcher Steigerung der Handel mit
Columbien fähig iſt. Bis jetzt iſt letzterer zum größten Theile
in den Händen der Deutſchen, die Engländer erklären offen,
daß ſie unbegreiflicher Weiſe in jenen Ländern nicht mit den
Deutſchen concurriren können — ſorgen wir dafür, daß wir
auch in Zukunft die gewonnene Poſition halten, befeſtigen und
erweitern.
Wir blieben zehn Tage vor Sabanilla und benutzten die
Zeit, um durch Vermeſſungen die ziemlich falſchen Karten richtig
zu ſtellen, ſowie Land und Leute ſo viel wie möglich kennen zu
lernen. Durch Austauſch von Beſuchen und durch geſellige Zu-
ſammenkünfte an Land und an Bord kamen wir auch mit den
höheren Claſſen in Berührung. Sie waren ſehr freundlich und
zuvorkommend gegen uns, aber mein allgemeines Urtheil über
die Bevölkerung fand ich auch hier beſtätigt; Bildung und
Intelligenz waren mit ſehr wenigen Ausnahmen ungewöhnlich
karg bemeſſen. Jedenfalls wird es trotz der Anſtrengungen der
Regierung eine unabſehbare Zeit dauern, ehe das Land von
ſeinen Bewohnern aus einen Aufſchwung erwarten darf und der
Impuls dazu muß wol überhaupt von außen kommen.
Mit unſeren liebenswürdigen deutſchen Gaſtfreunden
machten wir zu Pferde mancherlei Touren in die Umgegend,
doch bietet dieſelbe dem Auge nicht viel Reiz oder Ab-
wechſelung, beſonders wenn man aus dem ſchönen Puerto Ca-
bello kommt. Mit Ausnahme der in weiter Entfernung auf-
ſteigenden Sierra Nevada hat man nur eine endloſe leicht
gewellte, wenig cultivirte Alluvialebene vor ſich, die hier und
dort mit Mimoſen und niedrigem Laubholz beſtanden iſt, aber
größerer Waldſtrecken entbehrt.
Unſer nächſtes Ziel war Hayti. Im Jahre 1872 hatte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/362>, abgerufen am 15.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.