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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.

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Agathon.
Schein der Wahrheit gegen ihn aufbringen könnten; so
hatte er gut auf eine so feyerliche Untersuchung zu drin-
gen. Aber dazu konnten es die Cleonissen und die Phi-
liste, und der Tyrann selbst, der bey allem diesem sehr
verlegen war, nicht kommen lassen; und da die Tarenti-
ner ihnen keine Zeit lassen wollten, die Sache in die
Länge zu ziehen; so sahe Dionys sich endlich genöthi-
get, öffentlich zu erklären: Daß eine starke Vermuthung,
als ob Agathon sich in eine Conspiration gegen ihn habe
verwikeln lassen, die einzige Ursache seines Verhafts ge-
wesen sey; und daß er keinen Augenblik anstehen wolle,
ihm seine Freyheit wiederzugeben, sobald er sich, unter
Verbürgung der Tarentiner, durch ein feyrliches Ver-
sprechen, auf keinerley Weise künftighin gegen Diony-
sen etwas zu unternehmen, sich von diesem Verdacht
am besten gereiniget haben werde. Die Bereitwillig-
keit, womit die Gesandten von Tarent sich diesen An-
trag gefallen liessen, bewieß, daß es dem Archytes allein
um die Befreyung Agathons zu thun war; und wir
werden vielleicht in der Folge den Grund entdeken,
warum dieses Haupt einer in diese Sache nicht unmit-
telbar verwikelten Republik, sich dieses Puncts mit so
ausserordentlichem Eifer annahm. Aber Agathon, der
seine Freyheit keinem unedeln Schritt zu danken haben
wollte, konnte lange nicht überredet werden, eine Er-
klärung von sich zu geben, welche als eine Art von
Geständnis angesehen werden konnte, daß er die Par-
tey, die er genommen hatte, verläugne. Doch diese
in Ansehung seiner Umstände, in der That allzuspiz-

fündige

Agathon.
Schein der Wahrheit gegen ihn aufbringen koͤnnten; ſo
hatte er gut auf eine ſo feyerliche Unterſuchung zu drin-
gen. Aber dazu konnten es die Cleoniſſen und die Phi-
liſte, und der Tyrann ſelbſt, der bey allem dieſem ſehr
verlegen war, nicht kommen laſſen; und da die Tarenti-
ner ihnen keine Zeit laſſen wollten, die Sache in die
Laͤnge zu ziehen; ſo ſahe Dionys ſich endlich genoͤthi-
get, oͤffentlich zu erklaͤren: Daß eine ſtarke Vermuthung,
als ob Agathon ſich in eine Conſpiration gegen ihn habe
verwikeln laſſen, die einzige Urſache ſeines Verhafts ge-
weſen ſey; und daß er keinen Augenblik anſtehen wolle,
ihm ſeine Freyheit wiederzugeben, ſobald er ſich, unter
Verbuͤrgung der Tarentiner, durch ein feyrliches Ver-
ſprechen, auf keinerley Weiſe kuͤnftighin gegen Diony-
ſen etwas zu unternehmen, ſich von dieſem Verdacht
am beſten gereiniget haben werde. Die Bereitwillig-
keit, womit die Geſandten von Tarent ſich dieſen An-
trag gefallen lieſſen, bewieß, daß es dem Archytes allein
um die Befreyung Agathons zu thun war; und wir
werden vielleicht in der Folge den Grund entdeken,
warum dieſes Haupt einer in dieſe Sache nicht unmit-
telbar verwikelten Republik, ſich dieſes Puncts mit ſo
auſſerordentlichem Eifer annahm. Aber Agathon, der
ſeine Freyheit keinem unedeln Schritt zu danken haben
wollte, konnte lange nicht uͤberredet werden, eine Er-
klaͤrung von ſich zu geben, welche als eine Art von
Geſtaͤndnis angeſehen werden konnte, daß er die Par-
tey, die er genommen hatte, verlaͤugne. Doch dieſe
in Anſehung ſeiner Umſtaͤnde, in der That allzuſpiz-

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[260/0262] Agathon. Schein der Wahrheit gegen ihn aufbringen koͤnnten; ſo hatte er gut auf eine ſo feyerliche Unterſuchung zu drin- gen. Aber dazu konnten es die Cleoniſſen und die Phi- liſte, und der Tyrann ſelbſt, der bey allem dieſem ſehr verlegen war, nicht kommen laſſen; und da die Tarenti- ner ihnen keine Zeit laſſen wollten, die Sache in die Laͤnge zu ziehen; ſo ſahe Dionys ſich endlich genoͤthi- get, oͤffentlich zu erklaͤren: Daß eine ſtarke Vermuthung, als ob Agathon ſich in eine Conſpiration gegen ihn habe verwikeln laſſen, die einzige Urſache ſeines Verhafts ge- weſen ſey; und daß er keinen Augenblik anſtehen wolle, ihm ſeine Freyheit wiederzugeben, ſobald er ſich, unter Verbuͤrgung der Tarentiner, durch ein feyrliches Ver- ſprechen, auf keinerley Weiſe kuͤnftighin gegen Diony- ſen etwas zu unternehmen, ſich von dieſem Verdacht am beſten gereiniget haben werde. Die Bereitwillig- keit, womit die Geſandten von Tarent ſich dieſen An- trag gefallen lieſſen, bewieß, daß es dem Archytes allein um die Befreyung Agathons zu thun war; und wir werden vielleicht in der Folge den Grund entdeken, warum dieſes Haupt einer in dieſe Sache nicht unmit- telbar verwikelten Republik, ſich dieſes Puncts mit ſo auſſerordentlichem Eifer annahm. Aber Agathon, der ſeine Freyheit keinem unedeln Schritt zu danken haben wollte, konnte lange nicht uͤberredet werden, eine Er- klaͤrung von ſich zu geben, welche als eine Art von Geſtaͤndnis angeſehen werden konnte, daß er die Par- tey, die er genommen hatte, verlaͤugne. Doch dieſe in Anſehung ſeiner Umſtaͤnde, in der That allzuſpiz- fuͤndige

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/262>, abgerufen am 30.04.2024.