Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Glocke geschlagen hat." Kann sich ein Dichter harmloser
seinem Publikum gegenüberstellen?

In der Vorrede zu der im Jahre 1838 erschienenen
neuen französischen Uebersetzung des Peter Schlemihl macht
Chamisso sich in seiner Weise über die klügelnden Fragen
nach seiner eigentlichen Intention lustig. "Gegenwärtige
Geschichte -- sagt er -- ist in die Hände von besonnenen
Leuten gefallen, die, gewohnt nur zu ihrer Belehrung zu
lesen, sich darüber beunruhigt haben, was denn wohl der
Schatten bedeute. Mehrere haben darüber curiose Hypo-
thesen aufgestellt; andere, indem sie mir die Ehre erwie-
sen, mich für gelehrter zu halten als ich es bin, haben
sich an mich gewandt, um durch mich die Lösung ihrer
Zweifel bewirkt zu sehen. Die Frage, mit welcher sie mich
bestürmten, hat mich über meine Unwissenheit erröthen
lassen. Sie haben mich dahin gebracht, in den Umfang
meiner Studien einen mir bis dahin fremd gebliebenen
Gegenstand aufzunehmen, und ich habe mich gelehrten
Untersuchungen ergeben, deren Resultat ich hier aufzeich-
nen will.

Vom Schatten.
""Ein nicht leuchtender Körper kann nur theilweise von
einem leuchtenden Körper erhellt werden. Der licht-
lose Raum, welcher auf der Seite des nicht beleuch-
teten Theiles liegt, ist das was man Schatten
nennt. Schatten bezeichnet also im eigentlichen Sinne
einen körperlichen Raum, dessen Gestalt zugleich von
der Gestalt des leuchtenden Körpers, von der des be-
leuchteten und von ihrer gegenseitigen Stellung gegen
einander abhängt.
Der auf einer hinter dem schattenwerfenden Körper
befindlichen Fläche aufgefangene Schatten ist daher

Glocke geſchlagen hat.〞 Kann ſich ein Dichter harmloſer
ſeinem Publikum gegenüberſtellen?

In der Vorrede zu der im Jahre 1838 erſchienenen
neuen franzöſiſchen Ueberſetzung des Peter Schlemihl macht
Chamiſſo ſich in ſeiner Weiſe über die klügelnden Fragen
nach ſeiner eigentlichen Intention luſtig. 〟Gegenwärtige
Geſchichte — ſagt er — iſt in die Hände von beſonnenen
Leuten gefallen, die, gewohnt nur zu ihrer Belehrung zu
leſen, ſich darüber beunruhigt haben, was denn wohl der
Schatten bedeute. Mehrere haben darüber curioſe Hypo-
theſen aufgeſtellt; andere, indem ſie mir die Ehre erwie-
ſen, mich für gelehrter zu halten als ich es bin, haben
ſich an mich gewandt, um durch mich die Löſung ihrer
Zweifel bewirkt zu ſehen. Die Frage, mit welcher ſie mich
beſtürmten, hat mich über meine Unwiſſenheit erröthen
laſſen. Sie haben mich dahin gebracht, in den Umfang
meiner Studien einen mir bis dahin fremd gebliebenen
Gegenſtand aufzunehmen, und ich habe mich gelehrten
Unterſuchungen ergeben, deren Reſultat ich hier aufzeich-
nen will.

Vom Schatten.
〟〟Ein nicht leuchtender Körper kann nur theilweiſe von
einem leuchtenden Körper erhellt werden. Der licht-
loſe Raum, welcher auf der Seite des nicht beleuch-
teten Theiles liegt, iſt das was man Schatten
nennt. Schatten bezeichnet alſo im eigentlichen Sinne
einen körperlichen Raum, deſſen Geſtalt zugleich von
der Geſtalt des leuchtenden Körpers, von der des be-
leuchteten und von ihrer gegenſeitigen Stellung gegen
einander abhängt.
Der auf einer hinter dem ſchattenwerfenden Körper
befindlichen Fläche aufgefangene Schatten iſt daher
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0007" n="V"/>
Glocke ge&#x017F;chlagen hat.&#x301E; Kann &#x017F;ich ein Dichter harmlo&#x017F;er<lb/>
&#x017F;einem Publikum gegenüber&#x017F;tellen?</p><lb/>
        <p>In der Vorrede zu der im Jahre 1838 er&#x017F;chienenen<lb/>
neuen franzö&#x017F;i&#x017F;chen Ueber&#x017F;etzung des Peter Schlemihl macht<lb/>
Chami&#x017F;&#x017F;o &#x017F;ich in &#x017F;einer Wei&#x017F;e über die klügelnden Fragen<lb/>
nach &#x017F;einer eigentlichen Intention lu&#x017F;tig. &#x301F;Gegenwärtige<lb/>
Ge&#x017F;chichte &#x2014; &#x017F;agt er &#x2014; i&#x017F;t in die Hände von be&#x017F;onnenen<lb/>
Leuten gefallen, die, gewohnt nur zu ihrer Belehrung zu<lb/>
le&#x017F;en, &#x017F;ich darüber beunruhigt haben, was denn wohl der<lb/>
Schatten bedeute. Mehrere haben darüber curio&#x017F;e Hypo-<lb/>
the&#x017F;en aufge&#x017F;tellt; andere, indem &#x017F;ie mir die Ehre erwie-<lb/>
&#x017F;en, mich für gelehrter zu halten als ich es bin, haben<lb/>
&#x017F;ich an mich gewandt, um durch mich die Lö&#x017F;ung ihrer<lb/>
Zweifel bewirkt zu &#x017F;ehen. Die Frage, mit welcher &#x017F;ie mich<lb/>
be&#x017F;türmten, hat mich über meine Unwi&#x017F;&#x017F;enheit erröthen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. Sie haben mich dahin gebracht, in den Umfang<lb/>
meiner Studien einen mir bis dahin fremd gebliebenen<lb/>
Gegen&#x017F;tand aufzunehmen, und ich habe mich gelehrten<lb/>
Unter&#x017F;uchungen ergeben, deren Re&#x017F;ultat ich hier aufzeich-<lb/>
nen will.</p><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Vom Schatten</hi>.</head><lb/>
          <list>
            <item>&#x301F;&#x301F;Ein nicht leuchtender Körper kann nur theilwei&#x017F;e von<lb/>
einem leuchtenden Körper erhellt werden. Der licht-<lb/>
lo&#x017F;e Raum, welcher auf der Seite des nicht beleuch-<lb/>
teten Theiles liegt, i&#x017F;t das was man <hi rendition="#g">Schatten</hi><lb/>
nennt. Schatten bezeichnet al&#x017F;o im eigentlichen Sinne<lb/>
einen körperlichen Raum, de&#x017F;&#x017F;en Ge&#x017F;talt zugleich von<lb/>
der Ge&#x017F;talt des leuchtenden Körpers, von der des be-<lb/>
leuchteten und von ihrer gegen&#x017F;eitigen Stellung gegen<lb/>
einander abhängt.<lb/>
Der auf einer hinter dem &#x017F;chattenwerfenden Körper<lb/>
befindlichen Fläche aufgefangene Schatten i&#x017F;t daher<lb/></item>
          </list>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[V/0007] Glocke geſchlagen hat.〞 Kann ſich ein Dichter harmloſer ſeinem Publikum gegenüberſtellen? In der Vorrede zu der im Jahre 1838 erſchienenen neuen franzöſiſchen Ueberſetzung des Peter Schlemihl macht Chamiſſo ſich in ſeiner Weiſe über die klügelnden Fragen nach ſeiner eigentlichen Intention luſtig. 〟Gegenwärtige Geſchichte — ſagt er — iſt in die Hände von beſonnenen Leuten gefallen, die, gewohnt nur zu ihrer Belehrung zu leſen, ſich darüber beunruhigt haben, was denn wohl der Schatten bedeute. Mehrere haben darüber curioſe Hypo- theſen aufgeſtellt; andere, indem ſie mir die Ehre erwie- ſen, mich für gelehrter zu halten als ich es bin, haben ſich an mich gewandt, um durch mich die Löſung ihrer Zweifel bewirkt zu ſehen. Die Frage, mit welcher ſie mich beſtürmten, hat mich über meine Unwiſſenheit erröthen laſſen. Sie haben mich dahin gebracht, in den Umfang meiner Studien einen mir bis dahin fremd gebliebenen Gegenſtand aufzunehmen, und ich habe mich gelehrten Unterſuchungen ergeben, deren Reſultat ich hier aufzeich- nen will. Vom Schatten. 〟〟Ein nicht leuchtender Körper kann nur theilweiſe von einem leuchtenden Körper erhellt werden. Der licht- loſe Raum, welcher auf der Seite des nicht beleuch- teten Theiles liegt, iſt das was man Schatten nennt. Schatten bezeichnet alſo im eigentlichen Sinne einen körperlichen Raum, deſſen Geſtalt zugleich von der Geſtalt des leuchtenden Körpers, von der des be- leuchteten und von ihrer gegenſeitigen Stellung gegen einander abhängt. Der auf einer hinter dem ſchattenwerfenden Körper befindlichen Fläche aufgefangene Schatten iſt daher

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/Yw_7531_1
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/Yw_7531_1/7
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1839, S. V. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/Yw_7531_1/7>, abgerufen am 26.04.2024.