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Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 3. Heidelberg, 1808.

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Zerreiß, was dich gefangen hält,
Damit dein Fuß die Ruhe finde,
Wo kein Geräusche dich verstöret;
Kein Zuspruch, Sorgen und Verdruß
Den Umgang dir mit Gott verwehret,
Der hier oft unterbleiben muß.

Ich freu mich schon auf eine Kammer,
Die mich in sich verschliessen wird;
Und durch den engen Raum abführt,
Von aller Unruh, Streit und Jammer,
Den große Städt und Schlösser haben;
Hier soll nur meine Ruhstädt seyn,
Da Sicherheit und Fried mich laben,
Und kein Unfriede bricht herein.
Nun will ich erst recht singen, beten,
Und in der Andacht kommen weit;
Weil ich nicht durch so viel zerstreut,
Vor Gott mit stillem Geist darf treten.
Da soll kein Feind mich hindern können,
Ich geh in Canaan schon ein,
Mein Paradies soll man es nennen,
Hier will ich auch begraben seyn.
Gegensatz.
Ach triumphir nicht vor dem Siege,
O Seel wo willt du fliehen hin;
Da dein verblendter Eigensinn

Zerreiß, was dich gefangen haͤlt,
Damit dein Fuß die Ruhe finde,
Wo kein Geraͤuſche dich verſtoͤret;
Kein Zuſpruch, Sorgen und Verdruß
Den Umgang dir mit Gott verwehret,
Der hier oft unterbleiben muß.

Ich freu mich ſchon auf eine Kammer,
Die mich in ſich verſchlieſſen wird;
Und durch den engen Raum abfuͤhrt,
Von aller Unruh, Streit und Jammer,
Den große Staͤdt und Schloͤſſer haben;
Hier ſoll nur meine Ruhſtaͤdt ſeyn,
Da Sicherheit und Fried mich laben,
Und kein Unfriede bricht herein.
Nun will ich erſt recht ſingen, beten,
Und in der Andacht kommen weit;
Weil ich nicht durch ſo viel zerſtreut,
Vor Gott mit ſtillem Geiſt darf treten.
Da ſoll kein Feind mich hindern koͤnnen,
Ich geh in Canaan ſchon ein,
Mein Paradies ſoll man es nennen,
Hier will ich auch begraben ſeyn.
Gegenſatz.
Ach triumphir nicht vor dem Siege,
O Seel wo willt du fliehen hin;
Da dein verblendter Eigenſinn
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[217/0227] Zerreiß, was dich gefangen haͤlt, Damit dein Fuß die Ruhe finde, Wo kein Geraͤuſche dich verſtoͤret; Kein Zuſpruch, Sorgen und Verdruß Den Umgang dir mit Gott verwehret, Der hier oft unterbleiben muß. Ich freu mich ſchon auf eine Kammer, Die mich in ſich verſchlieſſen wird; Und durch den engen Raum abfuͤhrt, Von aller Unruh, Streit und Jammer, Den große Staͤdt und Schloͤſſer haben; Hier ſoll nur meine Ruhſtaͤdt ſeyn, Da Sicherheit und Fried mich laben, Und kein Unfriede bricht herein. Nun will ich erſt recht ſingen, beten, Und in der Andacht kommen weit; Weil ich nicht durch ſo viel zerſtreut, Vor Gott mit ſtillem Geiſt darf treten. Da ſoll kein Feind mich hindern koͤnnen, Ich geh in Canaan ſchon ein, Mein Paradies ſoll man es nennen, Hier will ich auch begraben ſeyn. Gegenſatz. Ach triumphir nicht vor dem Siege, O Seel wo willt du fliehen hin; Da dein verblendter Eigenſinn

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Zitationshilfe: Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 3. Heidelberg, 1808, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn03_1808/227>, abgerufen am 26.04.2024.