Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

lassen: Vive Robespierre! Tod all' diesen Schreiern! -- War betrunken wie eine Kanone! -- Will das höchste Wesen selber sein! -- Herunter mit ihm! herunter! Muß seine Claqueurs gut bezahlt haben, der blutige Comödiant!

Anges, der in namenloser Angst in den wenigen Tagen das Herz geschlagen hatte, die sie in Paris zugebracht, und welche von ihr benutzt worden waren theils nach le Mans wegen ihrer Scheidung, theils an ihre Eltern in Zweibrücken wegen ihrer Rückkehr die nöthigen Briefe zu schreiben, machte jetzt der Gedanke schwindeln, daß sie es gewagt, das theuere Kind und sich selbst, die für das Kind zu leben und zu sterben gelobt hatte, so großer, mannigfaltiger Gefahr auszusetzen, deren Größe sie freilich nicht ahnen konnte, weil sie glaubte, Paris sei noch dasselbe wie vor einigen Jahren. Sie athmete tief auf, als die Lüfte des schönen Sommerabends sie rein umflossen, drückte das Kind innig liebevoll an ihr Herz, faltete seine Hände still unter den ihrigen und sprach mit sanft zum Himmel emporgerichtetem Blick ein leises Dankgebet. Sie glich so völlig dem Bilde einer jugendlichen heiligen Mutter Anna, wie diese auf schönen Bildern die ewige Jungfrau, der Engel Königin, auf ihrem Schooße hält.

Ange's Begleiter fühlten, was im Inneren der jungen Frau vorging, und ehrten durch Schweigen die Empfindung, die rein und mächtig durch ihre Seele bebte.

Kein Unfall, kein Hemmniß störte die Reise; es war als ob Engel schützend und schirmend die Reisenden umschwebten.



lassen: Vive Robespierre! Tod all’ diesen Schreiern! — War betrunken wie eine Kanone! — Will das höchste Wesen selber sein! — Herunter mit ihm! herunter! Muß seine Claqueurs gut bezahlt haben, der blutige Comödiant!

Angés, der in namenloser Angst in den wenigen Tagen das Herz geschlagen hatte, die sie in Paris zugebracht, und welche von ihr benutzt worden waren theils nach le Mans wegen ihrer Scheidung, theils an ihre Eltern in Zweibrücken wegen ihrer Rückkehr die nöthigen Briefe zu schreiben, machte jetzt der Gedanke schwindeln, daß sie es gewagt, das theuere Kind und sich selbst, die für das Kind zu leben und zu sterben gelobt hatte, so großer, mannigfaltiger Gefahr auszusetzen, deren Größe sie freilich nicht ahnen konnte, weil sie glaubte, Paris sei noch dasselbe wie vor einigen Jahren. Sie athmete tief auf, als die Lüfte des schönen Sommerabends sie rein umflossen, drückte das Kind innig liebevoll an ihr Herz, faltete seine Hände still unter den ihrigen und sprach mit sanft zum Himmel emporgerichtetem Blick ein leises Dankgebet. Sie glich so völlig dem Bilde einer jugendlichen heiligen Mutter Anna, wie diese auf schönen Bildern die ewige Jungfrau, der Engel Königin, auf ihrem Schooße hält.

Angé’s Begleiter fühlten, was im Inneren der jungen Frau vorging, und ehrten durch Schweigen die Empfindung, die rein und mächtig durch ihre Seele bebte.

Kein Unfall, kein Hemmniß störte die Reise; es war als ob Engel schützend und schirmend die Reisenden umschwebten.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0143" n="139"/>
lassen: <hi rendition="#aq">Vive Robespierre!</hi> Tod all&#x2019; diesen Schreiern! &#x2014; War betrunken wie eine Kanone! &#x2014; Will das höchste Wesen selber sein! &#x2014; Herunter mit ihm! herunter! Muß seine Claqueurs gut bezahlt haben, der blutige Comödiant!</p>
          <p>Angés, der in namenloser Angst in den wenigen Tagen das Herz geschlagen hatte, die sie in Paris zugebracht, und welche von ihr benutzt worden waren theils nach le Mans wegen ihrer Scheidung, theils an ihre Eltern in Zweibrücken wegen ihrer Rückkehr die nöthigen Briefe zu schreiben, machte jetzt der Gedanke schwindeln, daß sie es gewagt, das theuere Kind und sich selbst, die für das Kind zu leben und zu sterben gelobt hatte, so großer, mannigfaltiger Gefahr auszusetzen, deren Größe sie freilich nicht ahnen konnte, weil sie glaubte, Paris sei noch dasselbe wie vor einigen Jahren. Sie athmete tief auf, als die Lüfte des schönen Sommerabends sie rein umflossen, drückte das Kind innig liebevoll an ihr Herz, faltete seine Hände still unter den ihrigen und sprach mit sanft zum Himmel emporgerichtetem Blick ein leises Dankgebet. Sie glich so völlig dem Bilde einer jugendlichen heiligen Mutter Anna, wie diese auf schönen Bildern die ewige Jungfrau, der Engel Königin, auf ihrem Schooße hält.</p>
          <p>Angé&#x2019;s Begleiter fühlten, was im Inneren der jungen Frau vorging, und ehrten durch Schweigen die Empfindung, die rein und mächtig durch ihre Seele bebte.</p>
          <p>Kein Unfall, kein Hemmniß störte die Reise; es war als ob Engel schützend und schirmend die Reisenden umschwebten.</p>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="2">
</div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[139/0143] lassen: Vive Robespierre! Tod all’ diesen Schreiern! — War betrunken wie eine Kanone! — Will das höchste Wesen selber sein! — Herunter mit ihm! herunter! Muß seine Claqueurs gut bezahlt haben, der blutige Comödiant! Angés, der in namenloser Angst in den wenigen Tagen das Herz geschlagen hatte, die sie in Paris zugebracht, und welche von ihr benutzt worden waren theils nach le Mans wegen ihrer Scheidung, theils an ihre Eltern in Zweibrücken wegen ihrer Rückkehr die nöthigen Briefe zu schreiben, machte jetzt der Gedanke schwindeln, daß sie es gewagt, das theuere Kind und sich selbst, die für das Kind zu leben und zu sterben gelobt hatte, so großer, mannigfaltiger Gefahr auszusetzen, deren Größe sie freilich nicht ahnen konnte, weil sie glaubte, Paris sei noch dasselbe wie vor einigen Jahren. Sie athmete tief auf, als die Lüfte des schönen Sommerabends sie rein umflossen, drückte das Kind innig liebevoll an ihr Herz, faltete seine Hände still unter den ihrigen und sprach mit sanft zum Himmel emporgerichtetem Blick ein leises Dankgebet. Sie glich so völlig dem Bilde einer jugendlichen heiligen Mutter Anna, wie diese auf schönen Bildern die ewige Jungfrau, der Engel Königin, auf ihrem Schooße hält. Angé’s Begleiter fühlten, was im Inneren der jungen Frau vorging, und ehrten durch Schweigen die Empfindung, die rein und mächtig durch ihre Seele bebte. Kein Unfall, kein Hemmniß störte die Reise; es war als ob Engel schützend und schirmend die Reisenden umschwebten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

gutenberg.org: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in HTML. (2013-01-22T14:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus gutenberg.org entsprechen muss.
austrian literature online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-22T14:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von HTML nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-22T14:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Der Zeilenfall wurde aufgehoben, die Absätze beibehalten.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/143
Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/143>, abgerufen am 26.04.2024.