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[Beer, Johann]: Jucundi Jucundissimi Wunderliche Lebens-Beschreibung. [s. l.], 1680.

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Hlstorie V. Buch.
stentheils liederliche Baurn-Historien waren/
ist es unvonnöthen/ den Leser damit zu beschwe-
ren/ ob wir schon an dergleichen Erzehlung alle
Vergnügung hatten. Dann/ die Warheit zu
gestehen/ so finde ich vor meine Person in denen
Handlungen der gemeinen Leute und niedrigen
Stands-Personen oftmals eine mehrere Lust/
als in denen Thaten der großen und Welt. be-
schryenen Helden-Geschichten/ welche oftmals
nit allein recht lächerlich fingirt/ sondern noch
darzu mit solchen Schwachheiten angefüllet
seyn/ daß man die Erz-Lügen mit allen fünf
Fingern greiffen kan.

Der Student muste den Winter noch bey
uns bleiben/ dann er thate sich dermaßen bey der
Edelfrau zu/ daß sie ihm zu einem guten Dienst
allerehistens zu helffen versprache/ es möchte
gleich bey einem andern vom Adel geschehen.
Aber wie eine große Langweil hatten wir doch
unter einander? Auser des Karten-Spiels hat-
ten wir wenig Ergötzlichkeit/ und die Alte lage
stets über ihrem Gebet- und Predig-Büchern/
dahero hatten wir sehr schlechte Lust. Wir fuh-
ren zu weilen im Schlitten 2. bis 3. Meil Wegs
über Feld/ aber wir hatten nichts davon/ als
ein vom scharfen Wind zerschnittenes Gesicht/
und eine erfrorne Haut/ und weil der Student
ohne dem ziemlich kalter Natur war/ saß er den
ganzen Tag über seinen Büchern/ und war mit
4. Pferden nit vom warmen Ofen zu bringen.

Wie wir nun gar nicht wusten/ wie die Zeit
lustig zu paßiren wäre/ satzte sich der Student
über eine Comödie/ die solten uns die Baurn im

Dorfe
J ij

Hlſtorie V. Buch.
ſtentheils liederliche Baurn-Hiſtorien waren/
iſt es unvonnoͤthen/ den Leſer damit zu beſchwe-
ren/ ob wir ſchon an dergleichen Erzehlung alle
Vergnuͤgung hatten. Dann/ die Warheit zu
geſtehen/ ſo finde ich vor meine Perſon in denen
Handlungen der gemeinen Leute und niedrigen
Stands-Perſonen oftmals eine mehrere Luſt/
als in denen Thaten der großen und Welt. be-
ſchryenen Helden-Geſchichten/ welche oftmals
nit allein recht laͤcherlich fingirt/ ſondern noch
darzu mit ſolchen Schwachheiten angefuͤllet
ſeyn/ daß man die Erz-Luͤgen mit allen fuͤnf
Fingern greiffen kan.

Der Student muſte den Winter noch bey
uns bleiben/ dañ er thate ſich dermaßen bey der
Edelfrau zu/ daß ſie ihm zu einem guten Dienſt
allerehiſtens zu helffen verſprache/ es moͤchte
gleich bey einem andern vom Adel geſchehen.
Aber wie eine große Langweil hatten wir doch
unter einander? Auſer des Karten-Spiels hat-
ten wir wenig Ergoͤtzlichkeit/ und die Alte lage
ſtets uͤber ihrem Gebet- und Predig-Buͤchern/
dahero hatten wir ſehr ſchlechte Luſt. Wir fuh-
ren zu weilen im Schlitten 2. bis 3. Meil Wegs
uͤber Feld/ aber wir hatten nichts davon/ als
ein vom ſcharfen Wind zerſchnittenes Geſicht/
und eine erfrorne Haut/ und weil der Student
ohne dem ziemlich kalter Natur war/ ſaß er den
ganzen Tag uͤber ſeinen Buͤchern/ und war mit
4. Pferden nit vom warmen Ofen zu bringen.

Wie wir nun gar nicht wuſten/ wie die Zeit
luſtig zu paßiren waͤre/ ſatzte ſich der Student
uͤber eine Comoͤdie/ die ſolten uns die Baurn im

Dorfe
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[191/0199] Hlſtorie V. Buch. ſtentheils liederliche Baurn-Hiſtorien waren/ iſt es unvonnoͤthen/ den Leſer damit zu beſchwe- ren/ ob wir ſchon an dergleichen Erzehlung alle Vergnuͤgung hatten. Dann/ die Warheit zu geſtehen/ ſo finde ich vor meine Perſon in denen Handlungen der gemeinen Leute und niedrigen Stands-Perſonen oftmals eine mehrere Luſt/ als in denen Thaten der großen und Welt. be- ſchryenen Helden-Geſchichten/ welche oftmals nit allein recht laͤcherlich fingirt/ ſondern noch darzu mit ſolchen Schwachheiten angefuͤllet ſeyn/ daß man die Erz-Luͤgen mit allen fuͤnf Fingern greiffen kan. Der Student muſte den Winter noch bey uns bleiben/ dañ er thate ſich dermaßen bey der Edelfrau zu/ daß ſie ihm zu einem guten Dienſt allerehiſtens zu helffen verſprache/ es moͤchte gleich bey einem andern vom Adel geſchehen. Aber wie eine große Langweil hatten wir doch unter einander? Auſer des Karten-Spiels hat- ten wir wenig Ergoͤtzlichkeit/ und die Alte lage ſtets uͤber ihrem Gebet- und Predig-Buͤchern/ dahero hatten wir ſehr ſchlechte Luſt. Wir fuh- ren zu weilen im Schlitten 2. bis 3. Meil Wegs uͤber Feld/ aber wir hatten nichts davon/ als ein vom ſcharfen Wind zerſchnittenes Geſicht/ und eine erfrorne Haut/ und weil der Student ohne dem ziemlich kalter Natur war/ ſaß er den ganzen Tag uͤber ſeinen Buͤchern/ und war mit 4. Pferden nit vom warmen Ofen zu bringen. Wie wir nun gar nicht wuſten/ wie die Zeit luſtig zu paßiren waͤre/ ſatzte ſich der Student uͤber eine Comoͤdie/ die ſolten uns die Baurn im Dorfe J ij

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Zitationshilfe: [Beer, Johann]: Jucundi Jucundissimi Wunderliche Lebens-Beschreibung. [s. l.], 1680, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beer_lebensbeschreibung_1680/199>, abgerufen am 26.04.2024.