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Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

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Viertes Buch, drittes Kapitel.
franzen hervorquollen. An den Wänden hingen
große bunte Kostümbilder im Geschmacke der eng¬
lischen Ästheten, aber heiterer, frecher. Mit dem
Geruch des Old Judge mischten sich Parfüms
von der resoluten Art, wie man sie in den Garde¬
roben von Varietedivas einatmet.

Stilpe war von Grund der Seele aus ver¬
gnügt. Wenn er einmal die Feder weglegte, rieb
er sich die Hände und pfiff vor sich hin. Ja, er
murmelte sogar zuweilen Worte erregter Befrie¬
digung: Hop! So! Tja, tja, tja, tja! Höh! Das
reißt!

Und doch war der erste Momus-Rausch, der
Rausch der Pläne und Phantasieen vorüber, der
Rausch der Tage und Nächte, als sie in täglichen
Zusammenkünften die Idee der Sängerin im Verein
mit ihr genauer durchgesprochen hatten.

Wie hatten sie da über die Zeitschrift gelacht,
wie hatten sie die Sängerin gefeiert als Retterin
aus dem schlimmsten aller Tintensümpfe; wie war
da Stilpe von Tag zu Tag lebhafter, lustiger ge¬
worden.

-- Ha: Die Renaissance aller Künste und des
ganzen Lebens vom Tingeltangel her! Oh, das
ingeniöse Mädchen aus Holstein! Man wird sie

Viertes Buch, drittes Kapitel.
franzen hervorquollen. An den Wänden hingen
große bunte Koſtümbilder im Geſchmacke der eng¬
liſchen Äſtheten, aber heiterer, frecher. Mit dem
Geruch des Old Judge miſchten ſich Parfüms
von der reſoluten Art, wie man ſie in den Garde¬
roben von Variétédivas einatmet.

Stilpe war von Grund der Seele aus ver¬
gnügt. Wenn er einmal die Feder weglegte, rieb
er ſich die Hände und pfiff vor ſich hin. Ja, er
murmelte ſogar zuweilen Worte erregter Befrie¬
digung: Hop! So! Tja, tja, tja, tja! Höh! Das
reißt!

Und doch war der erſte Momus-Rauſch, der
Rauſch der Pläne und Phantaſieen vorüber, der
Rauſch der Tage und Nächte, als ſie in täglichen
Zuſammenkünften die Idee der Sängerin im Verein
mit ihr genauer durchgeſprochen hatten.

Wie hatten ſie da über die Zeitſchrift gelacht,
wie hatten ſie die Sängerin gefeiert als Retterin
aus dem ſchlimmſten aller Tintenſümpfe; wie war
da Stilpe von Tag zu Tag lebhafter, luſtiger ge¬
worden.

— Ha: Die Renaiſſance aller Künſte und des
ganzen Lebens vom Tingeltangel her! Oh, das
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[357/0371] Viertes Buch, drittes Kapitel. franzen hervorquollen. An den Wänden hingen große bunte Koſtümbilder im Geſchmacke der eng¬ liſchen Äſtheten, aber heiterer, frecher. Mit dem Geruch des Old Judge miſchten ſich Parfüms von der reſoluten Art, wie man ſie in den Garde¬ roben von Variétédivas einatmet. Stilpe war von Grund der Seele aus ver¬ gnügt. Wenn er einmal die Feder weglegte, rieb er ſich die Hände und pfiff vor ſich hin. Ja, er murmelte ſogar zuweilen Worte erregter Befrie¬ digung: Hop! So! Tja, tja, tja, tja! Höh! Das reißt! Und doch war der erſte Momus-Rauſch, der Rauſch der Pläne und Phantaſieen vorüber, der Rauſch der Tage und Nächte, als ſie in täglichen Zuſammenkünften die Idee der Sängerin im Verein mit ihr genauer durchgeſprochen hatten. Wie hatten ſie da über die Zeitſchrift gelacht, wie hatten ſie die Sängerin gefeiert als Retterin aus dem ſchlimmſten aller Tintenſümpfe; wie war da Stilpe von Tag zu Tag lebhafter, luſtiger ge¬ worden. — Ha: Die Renaiſſance aller Künſte und des ganzen Lebens vom Tingeltangel her! Oh, das ingeniöſe Mädchen aus Holſtein! Man wird ſie

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Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/371>, abgerufen am 26.04.2024.