Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite
v. d. historischen Wahrscheinlichkeit.
§. 4.
Zweyter Versuch bey widersprechenden
Aussagen.

Wenn aber bey widersprechenden Aussagen und
Nachrichten in Ansehung ihres Verstandes keine
Vereinigung zu finden ist, sondern der eine klar be-
jahet, was der andere verneinet, so muß einer da-
von nothwendig falsch seyn. Und alsdenn ist 2. nö-
thig, daß man erforschet, ob beyde würcklich Zu-
schauer
gewesen, und also Urheber der Erzeh-
lung sind, oder nur einer: ingleichen ob nicht beyde
nur Nachsager sind. (§. 3. 4. C. 7.) Denn ist
der eine ein Zuschauer, der andere aber ein Nach-
sager; so muß bey jedem eine besondere Untersu-
chung angestellt werden. Denn bey dem letztern
muß man nothwendig weiter zurück gehen, und den
Canal untersuchen, wo er selbst zu der Nachricht
gekommen ist; (§. 5. C. 7.) bis wir auf den Au-
tor
oder Zuschauer kommen, von dem er es in Er-
fahrung gebracht hat. Man kan nicht so schlecht
weg dem Zuschauer recht geben, und den Nach-
sager
verwerffen: weil jener vorsetzlich die Wahr-
heit verheelen kan, da dieser vielleicht von einem
wahrhafftigen Zuschauer die Nachricht bekom-
men hat. Mit zwey Nachsagern, die einander
widersprechen, ist nichts anzufangen, als daß man
von beyden Erkundigung einziehet, von welchem
autor ein jeder unter ihnen die Nachricht erhalten
habe.

§. 5.
X 2
v. d. hiſtoriſchen Wahrſcheinlichkeit.
§. 4.
Zweyter Verſuch bey widerſprechenden
Ausſagen.

Wenn aber bey widerſprechenden Ausſagen und
Nachrichten in Anſehung ihres Verſtandes keine
Vereinigung zu finden iſt, ſondern der eine klar be-
jahet, was der andere verneinet, ſo muß einer da-
von nothwendig falſch ſeyn. Und alsdenn iſt 2. noͤ-
thig, daß man erforſchet, ob beyde wuͤrcklich Zu-
ſchauer
geweſen, und alſo Urheber der Erzeh-
lung ſind, oder nur einer: ingleichen ob nicht beyde
nur Nachſager ſind. (§. 3. 4. C. 7.) Denn iſt
der eine ein Zuſchauer, der andere aber ein Nach-
ſager; ſo muß bey jedem eine beſondere Unterſu-
chung angeſtellt werden. Denn bey dem letztern
muß man nothwendig weiter zuruͤck gehen, und den
Canal unterſuchen, wo er ſelbſt zu der Nachricht
gekommen iſt; (§. 5. C. 7.) bis wir auf den Au-
tor
oder Zuſchauer kommen, von dem er es in Er-
fahrung gebracht hat. Man kan nicht ſo ſchlecht
weg dem Zuſchauer recht geben, und den Nach-
ſager
verwerffen: weil jener vorſetzlich die Wahr-
heit verheelen kan, da dieſer vielleicht von einem
wahrhafftigen Zuſchauer die Nachricht bekom-
men hat. Mit zwey Nachſagern, die einander
widerſprechen, iſt nichts anzufangen, als daß man
von beyden Erkundigung einziehet, von welchem
autor ein jeder unter ihnen die Nachricht erhalten
habe.

§. 5.
X 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0359" n="323"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">v. d. hi&#x017F;tori&#x017F;chen Wahr&#x017F;cheinlichkeit.</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 4.<lb/>
Zweyter Ver&#x017F;uch bey wider&#x017F;prechenden<lb/>
Aus&#x017F;agen.</head><lb/>
          <p>Wenn aber bey wider&#x017F;prechenden Aus&#x017F;agen und<lb/>
Nachrichten in An&#x017F;ehung ihres Ver&#x017F;tandes keine<lb/>
Vereinigung zu finden i&#x017F;t, &#x017F;ondern der eine klar be-<lb/>
jahet, was der andere verneinet, &#x017F;o muß einer da-<lb/>
von nothwendig fal&#x017F;ch &#x017F;eyn. Und alsdenn i&#x017F;t 2. no&#x0364;-<lb/>
thig, daß man erfor&#x017F;chet, ob beyde wu&#x0364;rcklich <hi rendition="#fr">Zu-<lb/>
&#x017F;chauer</hi> gewe&#x017F;en, und al&#x017F;o <hi rendition="#fr">Urheber</hi> der Erzeh-<lb/>
lung &#x017F;ind, oder nur einer: ingleichen ob nicht beyde<lb/>
nur Nach&#x017F;ager &#x017F;ind. (§. 3. 4. C. 7.) Denn i&#x017F;t<lb/>
der eine ein Zu&#x017F;chauer, der andere aber ein Nach-<lb/>
&#x017F;ager; &#x017F;o muß bey jedem eine be&#x017F;ondere Unter&#x017F;u-<lb/>
chung ange&#x017F;tellt werden. Denn bey dem letztern<lb/>
muß man nothwendig weiter zuru&#x0364;ck gehen, und den<lb/><hi rendition="#fr">Canal</hi> unter&#x017F;uchen, wo er &#x017F;elb&#x017F;t zu der Nachricht<lb/>
gekommen i&#x017F;t; (§. 5. C. 7.) bis wir auf den <hi rendition="#fr">Au-<lb/>
tor</hi> oder Zu&#x017F;chauer kommen, von dem er es in Er-<lb/>
fahrung gebracht hat. Man kan nicht &#x017F;o &#x017F;chlecht<lb/>
weg dem <hi rendition="#fr">Zu&#x017F;chauer</hi> recht geben, und den <hi rendition="#fr">Nach-<lb/>
&#x017F;ager</hi> verwerffen: weil jener vor&#x017F;etzlich die Wahr-<lb/>
heit verheelen kan, da die&#x017F;er vielleicht von einem<lb/><hi rendition="#fr">wahrhafftigen</hi> Zu&#x017F;chauer die Nachricht bekom-<lb/>
men hat. Mit zwey Nach&#x017F;agern, die einander<lb/>
wider&#x017F;prechen, i&#x017F;t nichts anzufangen, als daß man<lb/>
von beyden Erkundigung einziehet, von welchem<lb/>
autor ein jeder unter ihnen die Nachricht erhalten<lb/>
habe.</p>
        </div><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">X 2</fw>
        <fw place="bottom" type="catch">§. 5.</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[323/0359] v. d. hiſtoriſchen Wahrſcheinlichkeit. §. 4. Zweyter Verſuch bey widerſprechenden Ausſagen. Wenn aber bey widerſprechenden Ausſagen und Nachrichten in Anſehung ihres Verſtandes keine Vereinigung zu finden iſt, ſondern der eine klar be- jahet, was der andere verneinet, ſo muß einer da- von nothwendig falſch ſeyn. Und alsdenn iſt 2. noͤ- thig, daß man erforſchet, ob beyde wuͤrcklich Zu- ſchauer geweſen, und alſo Urheber der Erzeh- lung ſind, oder nur einer: ingleichen ob nicht beyde nur Nachſager ſind. (§. 3. 4. C. 7.) Denn iſt der eine ein Zuſchauer, der andere aber ein Nach- ſager; ſo muß bey jedem eine beſondere Unterſu- chung angeſtellt werden. Denn bey dem letztern muß man nothwendig weiter zuruͤck gehen, und den Canal unterſuchen, wo er ſelbſt zu der Nachricht gekommen iſt; (§. 5. C. 7.) bis wir auf den Au- tor oder Zuſchauer kommen, von dem er es in Er- fahrung gebracht hat. Man kan nicht ſo ſchlecht weg dem Zuſchauer recht geben, und den Nach- ſager verwerffen: weil jener vorſetzlich die Wahr- heit verheelen kan, da dieſer vielleicht von einem wahrhafftigen Zuſchauer die Nachricht bekom- men hat. Mit zwey Nachſagern, die einander widerſprechen, iſt nichts anzufangen, als daß man von beyden Erkundigung einziehet, von welchem autor ein jeder unter ihnen die Nachricht erhalten habe. §. 5. X 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/359
Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/359>, abgerufen am 26.04.2024.