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Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876.

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Aber wie - hat nicht das Christenthum den Frauen
die ihnen entsprechende würdige Stellung gegeben?
haben nicht im Zeitalter der Minnesänger die Männer
im Leben und in Liedern den Frauen den Tribut ihrer
Huldigung und Werthschätzung dargebracht?

Jn Liedern ja, im Leben mit nichten.

Werfen wir nur einen flüchtigen Blick auf das
gepriesene Mittelalter.

Die Hexenprozesse wurden bekanntlich von Männern
geleitet. Auf einen Hexenmeister, so berichtet Michelet,
kamen ungefähr 10,000 Hexen, allerdings eine starke
Berücksichtigung des weiblichen Geschlechts vor dem
männlichen.

Jn einigen Theilen Frankreichs konnte im Mittel-
alter der Lehnsherr von seiner Vasallin verlangen, den
zu heirathen, welchen er für sie bestimmt hatte, "und
wäre er 80 Jahre alt und halb verfault", so lautete
der Urtheilsspruch eines Richters.

Ein florentinischer Edelmann, Namens Pandolfin,
der eine vornehme Dame aus dem Hause der Strozzi
geheirathet hatte, führte sie nach der Verheirathung in
sein Betzimmer und ließ sie zur heiligen Jungfrau
beten, daß sie ihm viele Knaben schenken möge. Nicht
etwa Mädchen, denn die galten für Luxus, die dem
Hauswesen nur Verlegenheit bereiten.

Aber wie – hat nicht das Christenthum den Frauen
die ihnen entsprechende würdige Stellung gegeben?
haben nicht im Zeitalter der Minnesänger die Männer
im Leben und in Liedern den Frauen den Tribut ihrer
Huldigung und Werthschätzung dargebracht?

Jn Liedern ja, im Leben mit nichten.

Werfen wir nur einen flüchtigen Blick auf das
gepriesene Mittelalter.

Die Hexenprozesse wurden bekanntlich von Männern
geleitet. Auf einen Hexenmeister, so berichtet Michelet,
kamen ungefähr 10,000 Hexen, allerdings eine starke
Berücksichtigung des weiblichen Geschlechts vor dem
männlichen.

Jn einigen Theilen Frankreichs konnte im Mittel-
alter der Lehnsherr von seiner Vasallin verlangen, den
zu heirathen, welchen er für sie bestimmt hatte, „und
wäre er 80 Jahre alt und halb verfault‟, so lautete
der Urtheilsspruch eines Richters.

Ein florentinischer Edelmann, Namens Pandolfin,
der eine vornehme Dame aus dem Hause der Strozzi
geheirathet hatte, führte sie nach der Verheirathung in
sein Betzimmer und ließ sie zur heiligen Jungfrau
beten, daß sie ihm viele Knaben schenken möge. Nicht
etwa Mädchen, denn die galten für Luxus, die dem
Hauswesen nur Verlegenheit bereiten.

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[90/0098] Aber wie – hat nicht das Christenthum den Frauen die ihnen entsprechende würdige Stellung gegeben? haben nicht im Zeitalter der Minnesänger die Männer im Leben und in Liedern den Frauen den Tribut ihrer Huldigung und Werthschätzung dargebracht? Jn Liedern ja, im Leben mit nichten. Werfen wir nur einen flüchtigen Blick auf das gepriesene Mittelalter. Die Hexenprozesse wurden bekanntlich von Männern geleitet. Auf einen Hexenmeister, so berichtet Michelet, kamen ungefähr 10,000 Hexen, allerdings eine starke Berücksichtigung des weiblichen Geschlechts vor dem männlichen. Jn einigen Theilen Frankreichs konnte im Mittel- alter der Lehnsherr von seiner Vasallin verlangen, den zu heirathen, welchen er für sie bestimmt hatte, „und wäre er 80 Jahre alt und halb verfault‟, so lautete der Urtheilsspruch eines Richters. Ein florentinischer Edelmann, Namens Pandolfin, der eine vornehme Dame aus dem Hause der Strozzi geheirathet hatte, führte sie nach der Verheirathung in sein Betzimmer und ließ sie zur heiligen Jungfrau beten, daß sie ihm viele Knaben schenken möge. Nicht etwa Mädchen, denn die galten für Luxus, die dem Hauswesen nur Verlegenheit bereiten.

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Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/98>, abgerufen am 26.04.2024.