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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

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Haus an Florentinens Schlafkammer vorüber, und
machte noch schnell einen Gang durch den Garten.
Es war in der Nacht ein warmer Regen gefallen, die
Nachtigallen schlugen überall aus den erfrischten Bü¬
schen, hin und her bellten Hunde fern in den Dör¬
fern, sonst lag alles noch still im prächtigen Mond¬
schein unter dem weiten, gestirnten Himmel. -- Als er
zurückkehrte, hörte er unten im Hause leise ein Fenster
öffnen, es war Florentine, die sich in leichter Morgen¬
kleidung hinauslehnte. Zisch aus! zisch aus! rief sie
ihm entgegen, ich bin früher wach gewesen, als Sie!
Dann, sich im Garten umsehend, sagte sie: das ist
gerade wie damals, da Sie hier das Ständchen brach¬
ten, und wir Sie zum erstenmal sahen. -- Nun wird
es hier wieder recht einsam seyn, und ich wollte Sie
eben nur noch bitten, daß Sie auf Ihrer Reise von
sich hören lassen, und manchmal an Waltern schreiben,
der Ihnen außerordentlich gut ist, und gern von frem¬
den Ländern hört. -- Fortunat versprach es, und bat
sie um einen Kuß zum Abschiede. -- Warum nicht
gar! rief das Mädchen lachend, indem sie ihm schnell
die Hand hinausreichte, dann schloß sie geschwind das
Fenster, und er sah sie nicht wieder. Fortunat warf
sich nun ungesäumt auf sein Pferd, und ritt durch die
hohe, dunkle Allee an dem Gitterthor des Gartens
und dem stillen Dorfe vorüber. Draußen auf dem
Berge aber wandte er sich noch einmal zurück. Geseg¬

Haus an Florentinens Schlafkammer voruͤber, und
machte noch ſchnell einen Gang durch den Garten.
Es war in der Nacht ein warmer Regen gefallen, die
Nachtigallen ſchlugen uͤberall aus den erfriſchten Buͤ¬
ſchen, hin und her bellten Hunde fern in den Doͤr¬
fern, ſonſt lag alles noch ſtill im praͤchtigen Mond¬
ſchein unter dem weiten, geſtirnten Himmel. — Als er
zuruͤckkehrte, hoͤrte er unten im Hauſe leiſe ein Fenſter
oͤffnen, es war Florentine, die ſich in leichter Morgen¬
kleidung hinauslehnte. Ziſch aus! ziſch aus! rief ſie
ihm entgegen, ich bin fruͤher wach geweſen, als Sie!
Dann, ſich im Garten umſehend, ſagte ſie: das iſt
gerade wie damals, da Sie hier das Staͤndchen brach¬
ten, und wir Sie zum erſtenmal ſahen. — Nun wird
es hier wieder recht einſam ſeyn, und ich wollte Sie
eben nur noch bitten, daß Sie auf Ihrer Reiſe von
ſich hoͤren laſſen, und manchmal an Waltern ſchreiben,
der Ihnen außerordentlich gut iſt, und gern von frem¬
den Laͤndern hoͤrt. — Fortunat verſprach es, und bat
ſie um einen Kuß zum Abſchiede. — Warum nicht
gar! rief das Maͤdchen lachend, indem ſie ihm ſchnell
die Hand hinausreichte, dann ſchloß ſie geſchwind das
Fenſter, und er ſah ſie nicht wieder. Fortunat warf
ſich nun ungeſaͤumt auf ſein Pferd, und ritt durch die
hohe, dunkle Allee an dem Gitterthor des Gartens
und dem ſtillen Dorfe voruͤber. Draußen auf dem
Berge aber wandte er ſich noch einmal zuruͤck. Geſeg¬

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[59/0066] Haus an Florentinens Schlafkammer voruͤber, und machte noch ſchnell einen Gang durch den Garten. Es war in der Nacht ein warmer Regen gefallen, die Nachtigallen ſchlugen uͤberall aus den erfriſchten Buͤ¬ ſchen, hin und her bellten Hunde fern in den Doͤr¬ fern, ſonſt lag alles noch ſtill im praͤchtigen Mond¬ ſchein unter dem weiten, geſtirnten Himmel. — Als er zuruͤckkehrte, hoͤrte er unten im Hauſe leiſe ein Fenſter oͤffnen, es war Florentine, die ſich in leichter Morgen¬ kleidung hinauslehnte. Ziſch aus! ziſch aus! rief ſie ihm entgegen, ich bin fruͤher wach geweſen, als Sie! Dann, ſich im Garten umſehend, ſagte ſie: das iſt gerade wie damals, da Sie hier das Staͤndchen brach¬ ten, und wir Sie zum erſtenmal ſahen. — Nun wird es hier wieder recht einſam ſeyn, und ich wollte Sie eben nur noch bitten, daß Sie auf Ihrer Reiſe von ſich hoͤren laſſen, und manchmal an Waltern ſchreiben, der Ihnen außerordentlich gut iſt, und gern von frem¬ den Laͤndern hoͤrt. — Fortunat verſprach es, und bat ſie um einen Kuß zum Abſchiede. — Warum nicht gar! rief das Maͤdchen lachend, indem ſie ihm ſchnell die Hand hinausreichte, dann ſchloß ſie geſchwind das Fenſter, und er ſah ſie nicht wieder. Fortunat warf ſich nun ungeſaͤumt auf ſein Pferd, und ritt durch die hohe, dunkle Allee an dem Gitterthor des Gartens und dem ſtillen Dorfe voruͤber. Draußen auf dem Berge aber wandte er ſich noch einmal zuruͤck. Geſeg¬

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/66>, abgerufen am 26.04.2024.