Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Effi Briest
dieser Schloon ist eigentlich bloß ein kümmerliches
Rinnsal, das hier rechts vom Gothener See her
herunter kommt und sich durch die Dünen schleicht.
Und im Sommer trocknet es mitunter ganz aus, und
Sie fahren dann ruhig drüber hin und wissen es
nicht einmal."

"Und im Winter?"

"Ja, im Winter, da ist es 'was anderes; nicht
immer, aber doch oft. Da wird es dann eine Soog."

"Mein Gott, was sind das nur alles für Namen
und Wörter!

"... Da wird es ein Soog, und am stärksten
immer dann, wenn der Wind nach dem Lande hin
steht. Dann drückt der Wind das Meerwasser in
das kleine Rinnsal hinein, aber nicht so, daß man
es sehen kann. Und das ist das schlimmste von der
Sache, darin steckt die eigentliche Gefahr. Alles geht
nämlich unterirdisch vor sich, und der ganze Strand¬
sand ist dann bis tief hinunter mit Wasser durchsetzt
und gefüllt. Und wenn man dann über solche Sand¬
stelle weg will, die keine mehr ist, dann sinkt man
ein, als ob es ein Sumpf oder ein Moor wäre."

"Das kenn' ich," sagte Effi lebhaft. "Das ist
wie in unsrem Luch," und inmitten all' ihrer Ängst¬
lichkeit wurde ihr mit einemmale ganz wehmütig¬
freudig zu Sinn.

Effi Brieſt
dieſer Schloon iſt eigentlich bloß ein kümmerliches
Rinnſal, das hier rechts vom Gothener See her
herunter kommt und ſich durch die Dünen ſchleicht.
Und im Sommer trocknet es mitunter ganz aus, und
Sie fahren dann ruhig drüber hin und wiſſen es
nicht einmal.“

„Und im Winter?“

„Ja, im Winter, da iſt es 'was anderes; nicht
immer, aber doch oft. Da wird es dann eine Soog.“

„Mein Gott, was ſind das nur alles für Namen
und Wörter!

„… Da wird es ein Soog, und am ſtärkſten
immer dann, wenn der Wind nach dem Lande hin
ſteht. Dann drückt der Wind das Meerwaſſer in
das kleine Rinnſal hinein, aber nicht ſo, daß man
es ſehen kann. Und das iſt das ſchlimmſte von der
Sache, darin ſteckt die eigentliche Gefahr. Alles geht
nämlich unterirdiſch vor ſich, und der ganze Strand¬
ſand iſt dann bis tief hinunter mit Waſſer durchſetzt
und gefüllt. Und wenn man dann über ſolche Sand¬
ſtelle weg will, die keine mehr iſt, dann ſinkt man
ein, als ob es ein Sumpf oder ein Moor wäre.“

„Das kenn' ich,“ ſagte Effi lebhaft. „Das iſt
wie in unſrem Luch,“ und inmitten all' ihrer Ängſt¬
lichkeit wurde ihr mit einemmale ganz wehmütig¬
freudig zu Sinn.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0285" n="276"/><fw place="top" type="header">Effi Brie&#x017F;t<lb/></fw> die&#x017F;er Schloon i&#x017F;t eigentlich bloß ein kümmerliches<lb/>
Rinn&#x017F;al, das hier rechts vom Gothener See her<lb/>
herunter kommt und &#x017F;ich durch die Dünen &#x017F;chleicht.<lb/>
Und im Sommer trocknet es mitunter ganz aus, und<lb/>
Sie fahren dann ruhig drüber hin und wi&#x017F;&#x017F;en es<lb/>
nicht einmal.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und im Winter?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja, im Winter, da i&#x017F;t es 'was anderes; nicht<lb/>
immer, aber doch oft. Da wird es dann eine Soog.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Mein Gott, was &#x017F;ind das nur alles für Namen<lb/>
und Wörter!</p><lb/>
        <p>&#x201E;&#x2026; Da wird es ein Soog, und am &#x017F;tärk&#x017F;ten<lb/>
immer dann, wenn der Wind nach dem Lande hin<lb/>
&#x017F;teht. Dann drückt der Wind das Meerwa&#x017F;&#x017F;er in<lb/>
das kleine Rinn&#x017F;al hinein, aber nicht &#x017F;o, daß man<lb/>
es &#x017F;ehen kann. Und das i&#x017F;t das &#x017F;chlimm&#x017F;te von der<lb/>
Sache, darin &#x017F;teckt die eigentliche Gefahr. Alles geht<lb/>
nämlich unterirdi&#x017F;ch vor &#x017F;ich, und der ganze Strand¬<lb/>
&#x017F;and i&#x017F;t dann bis tief hinunter mit Wa&#x017F;&#x017F;er durch&#x017F;etzt<lb/>
und gefüllt. Und wenn man dann über &#x017F;olche Sand¬<lb/>
&#x017F;telle weg will, die keine mehr i&#x017F;t, dann &#x017F;inkt man<lb/>
ein, als ob es ein Sumpf oder ein Moor wäre.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das kenn' ich,&#x201C; &#x017F;agte Effi lebhaft. &#x201E;Das i&#x017F;t<lb/>
wie in un&#x017F;rem Luch,&#x201C; und inmitten all' ihrer Äng&#x017F;<lb/>
lichkeit wurde ihr mit einemmale ganz wehmütig¬<lb/>
freudig zu Sinn.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[276/0285] Effi Brieſt dieſer Schloon iſt eigentlich bloß ein kümmerliches Rinnſal, das hier rechts vom Gothener See her herunter kommt und ſich durch die Dünen ſchleicht. Und im Sommer trocknet es mitunter ganz aus, und Sie fahren dann ruhig drüber hin und wiſſen es nicht einmal.“ „Und im Winter?“ „Ja, im Winter, da iſt es 'was anderes; nicht immer, aber doch oft. Da wird es dann eine Soog.“ „Mein Gott, was ſind das nur alles für Namen und Wörter! „… Da wird es ein Soog, und am ſtärkſten immer dann, wenn der Wind nach dem Lande hin ſteht. Dann drückt der Wind das Meerwaſſer in das kleine Rinnſal hinein, aber nicht ſo, daß man es ſehen kann. Und das iſt das ſchlimmſte von der Sache, darin ſteckt die eigentliche Gefahr. Alles geht nämlich unterirdiſch vor ſich, und der ganze Strand¬ ſand iſt dann bis tief hinunter mit Waſſer durchſetzt und gefüllt. Und wenn man dann über ſolche Sand¬ ſtelle weg will, die keine mehr iſt, dann ſinkt man ein, als ob es ein Sumpf oder ein Moor wäre.“ „Das kenn' ich,“ ſagte Effi lebhaft. „Das iſt wie in unſrem Luch,“ und inmitten all' ihrer Ängſt¬ lichkeit wurde ihr mit einemmale ganz wehmütig¬ freudig zu Sinn.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/285
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/285>, abgerufen am 26.04.2024.