Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Effi Briest
her ihrem Manne zuschob: "Geert, Du könntest
heute den liebenswürdigen Wirt machen; ich für mein
Teil find' es so schön in diesem Schaukelstuhl, daß
ich nicht aufstehen mag. Also strenge Dich an, und
wenn Du Dich recht freust, mich wieder hier zu
haben, so werd' ich mich auch zu revanchieren wissen."
Und dabei zupfte sie die weiße Damastdecke zurecht
und legte ihre Hand darauf, die Innstetten nahm
und küßte.

"Wie bist Du nur eigentlich ohne mich fertig
geworden?"

"Schlecht genug, Effi."

"Das sagst Du so hin und machst ein betrübtes
Gesicht, und ist doch eigentlich alles nicht wahr."

"Aber Effi ..."

"Was ich Dir beweisen will. Denn wenn Du
ein bißchen Sehnsucht nach Deinem Kinde gehabt
hättest -- von mir selber will ich nicht sprechen,
was ist man am Ende solchem hohen Herrn, der so
lange Jahre Junggeselle war und es nicht eilig
hatte ..."

"Nun?"

"Ja, Geert, wenn Du nur ein bißchen Sehn¬
sucht gehabt hättest, so hättest Du mich nicht sechs
Wochen mutterwindallein in Hohen-Cremmen sitzen
lassen wie eine Witwe, und nichts da als Niemeyer

Th. Fontane, Effi Briest. 14

Effi Brieſt
her ihrem Manne zuſchob: „Geert, Du könnteſt
heute den liebenswürdigen Wirt machen; ich für mein
Teil find' es ſo ſchön in dieſem Schaukelſtuhl, daß
ich nicht aufſtehen mag. Alſo ſtrenge Dich an, und
wenn Du Dich recht freuſt, mich wieder hier zu
haben, ſo werd' ich mich auch zu revanchieren wiſſen.“
Und dabei zupfte ſie die weiße Damaſtdecke zurecht
und legte ihre Hand darauf, die Innſtetten nahm
und küßte.

„Wie biſt Du nur eigentlich ohne mich fertig
geworden?“

„Schlecht genug, Effi.“

„Das ſagſt Du ſo hin und machſt ein betrübtes
Geſicht, und iſt doch eigentlich alles nicht wahr.“

„Aber Effi …“

„Was ich Dir beweiſen will. Denn wenn Du
ein bißchen Sehnſucht nach Deinem Kinde gehabt
hätteſt — von mir ſelber will ich nicht ſprechen,
was iſt man am Ende ſolchem hohen Herrn, der ſo
lange Jahre Junggeſelle war und es nicht eilig
hatte …“

„Nun?“

„Ja, Geert, wenn Du nur ein bißchen Sehn¬
ſucht gehabt hätteſt, ſo hätteſt Du mich nicht ſechs
Wochen mutterwindallein in Hohen-Cremmen ſitzen
laſſen wie eine Witwe, und nichts da als Niemeyer

Th. Fontane, Effi Brieſt. 14
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0218" n="209"/><fw place="top" type="header">Effi Brie&#x017F;t<lb/></fw> her ihrem Manne zu&#x017F;chob: &#x201E;Geert, Du könnte&#x017F;t<lb/>
heute den liebenswürdigen Wirt machen; ich für mein<lb/>
Teil find' es &#x017F;o &#x017F;chön in die&#x017F;em Schaukel&#x017F;tuhl, daß<lb/>
ich nicht auf&#x017F;tehen mag. Al&#x017F;o &#x017F;trenge Dich an, und<lb/>
wenn Du Dich recht freu&#x017F;t, mich wieder hier zu<lb/>
haben, &#x017F;o werd' ich mich auch zu revanchieren wi&#x017F;&#x017F;en.&#x201C;<lb/>
Und dabei zupfte &#x017F;ie die weiße Dama&#x017F;tdecke zurecht<lb/>
und legte ihre Hand darauf, die Inn&#x017F;tetten nahm<lb/>
und küßte.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wie bi&#x017F;t Du nur eigentlich ohne mich fertig<lb/>
geworden?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Schlecht genug, Effi.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das &#x017F;ag&#x017F;t Du &#x017F;o hin und mach&#x017F;t ein betrübtes<lb/>
Ge&#x017F;icht, und i&#x017F;t doch eigentlich alles nicht wahr.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber Effi &#x2026;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Was ich Dir bewei&#x017F;en will. Denn wenn Du<lb/>
ein bißchen Sehn&#x017F;ucht nach Deinem Kinde gehabt<lb/>
hätte&#x017F;t &#x2014; von mir &#x017F;elber will ich nicht &#x017F;prechen,<lb/>
was i&#x017F;t man am Ende &#x017F;olchem hohen Herrn, der &#x017F;o<lb/>
lange Jahre Jungge&#x017F;elle war und es nicht eilig<lb/>
hatte &#x2026;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nun?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja, Geert, wenn Du nur ein bißchen Sehn¬<lb/>
&#x017F;ucht gehabt hätte&#x017F;t, &#x017F;o hätte&#x017F;t Du mich nicht &#x017F;echs<lb/>
Wochen mutterwindallein in Hohen-Cremmen &#x017F;itzen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en wie eine Witwe, und nichts da als Niemeyer<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Th</hi>. <hi rendition="#g">Fontane</hi>, Effi Brie&#x017F;t. 14<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[209/0218] Effi Brieſt her ihrem Manne zuſchob: „Geert, Du könnteſt heute den liebenswürdigen Wirt machen; ich für mein Teil find' es ſo ſchön in dieſem Schaukelſtuhl, daß ich nicht aufſtehen mag. Alſo ſtrenge Dich an, und wenn Du Dich recht freuſt, mich wieder hier zu haben, ſo werd' ich mich auch zu revanchieren wiſſen.“ Und dabei zupfte ſie die weiße Damaſtdecke zurecht und legte ihre Hand darauf, die Innſtetten nahm und küßte. „Wie biſt Du nur eigentlich ohne mich fertig geworden?“ „Schlecht genug, Effi.“ „Das ſagſt Du ſo hin und machſt ein betrübtes Geſicht, und iſt doch eigentlich alles nicht wahr.“ „Aber Effi …“ „Was ich Dir beweiſen will. Denn wenn Du ein bißchen Sehnſucht nach Deinem Kinde gehabt hätteſt — von mir ſelber will ich nicht ſprechen, was iſt man am Ende ſolchem hohen Herrn, der ſo lange Jahre Junggeſelle war und es nicht eilig hatte …“ „Nun?“ „Ja, Geert, wenn Du nur ein bißchen Sehn¬ ſucht gehabt hätteſt, ſo hätteſt Du mich nicht ſechs Wochen mutterwindallein in Hohen-Cremmen ſitzen laſſen wie eine Witwe, und nichts da als Niemeyer Th. Fontane, Effi Brieſt. 14

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/218
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/218>, abgerufen am 26.04.2024.