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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

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Einstweilen spielte ich daher nur Soldat, und es war
eine Lust, wie ich die Jungens zusammenwalkte. Ich
war der Größte und darum von Rechtswegen unser
Kurfürst, den ich mir immer nur wie einen Schlage¬
todt vorstellen konnte. Die Meisten, aber Kleinsten,
waren die Franzosen und ein Knirps ihr Napoleon.
Nun ich habe ihn gebläut, wie vor zwei Jahren den
richtigen Napoleon der alte Marschall Vorwärts und
unser iron duke."

"Aber Fräulein Hardine?" -- fragte von Neuem
die erwartungsvolle Hörerin und der Exwachtmeister
antwortete: "Nur Geduld, gleich ist sie wieder da!"

"Es war am vierzehnten October, -- solch ein
Elendsdatum vergißt sich nicht, Lisette! -- Wir stan¬
den zum Morgenbrod im Kreuzgange aufgestellt, als
der Probst zu uns trat mit Hut und Stock, zitternd
über den ganzen Leib und weiß wie eine Wand.
"Das erste Blut ist geflossen," sagte er mit bebender
Stimme, "theures Blut, Heldenblut! Ihr seid Sol¬
datensöhne, meine Kinder. Eilt in den Wald, pflückt
das letzte Eichenlaub und bindet einen Kranz auf das
Grab eines tapferen Herrn, der Allen voran, im
Kampfe für das Vaterland gefallen ist." Darauf an
mich herantretend, setzte er leise hinzu: "Es ist der

Einſtweilen ſpielte ich daher nur Soldat, und es war
eine Luſt, wie ich die Jungens zuſammenwalkte. Ich
war der Größte und darum von Rechtswegen unſer
Kurfürſt, den ich mir immer nur wie einen Schlage¬
todt vorſtellen konnte. Die Meiſten, aber Kleinſten,
waren die Franzoſen und ein Knirps ihr Napoleon.
Nun ich habe ihn gebläut, wie vor zwei Jahren den
richtigen Napoleon der alte Marſchall Vorwärts und
unſer iron duke.“

„Aber Fräulein Hardine?“ — fragte von Neuem
die erwartungsvolle Hörerin und der Exwachtmeiſter
antwortete: „Nur Geduld, gleich iſt ſie wieder da!“

„Es war am vierzehnten October, — ſolch ein
Elendsdatum vergißt ſich nicht, Liſette! — Wir ſtan¬
den zum Morgenbrod im Kreuzgange aufgeſtellt, als
der Probſt zu uns trat mit Hut und Stock, zitternd
über den ganzen Leib und weiß wie eine Wand.
„Das erſte Blut iſt gefloſſen,“ ſagte er mit bebender
Stimme, „theures Blut, Heldenblut! Ihr ſeid Sol¬
datenſöhne, meine Kinder. Eilt in den Wald, pflückt
das letzte Eichenlaub und bindet einen Kranz auf das
Grab eines tapferen Herrn, der Allen voran, im
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[16/0023] Einſtweilen ſpielte ich daher nur Soldat, und es war eine Luſt, wie ich die Jungens zuſammenwalkte. Ich war der Größte und darum von Rechtswegen unſer Kurfürſt, den ich mir immer nur wie einen Schlage¬ todt vorſtellen konnte. Die Meiſten, aber Kleinſten, waren die Franzoſen und ein Knirps ihr Napoleon. Nun ich habe ihn gebläut, wie vor zwei Jahren den richtigen Napoleon der alte Marſchall Vorwärts und unſer iron duke.“ „Aber Fräulein Hardine?“ — fragte von Neuem die erwartungsvolle Hörerin und der Exwachtmeiſter antwortete: „Nur Geduld, gleich iſt ſie wieder da!“ „Es war am vierzehnten October, — ſolch ein Elendsdatum vergißt ſich nicht, Liſette! — Wir ſtan¬ den zum Morgenbrod im Kreuzgange aufgeſtellt, als der Probſt zu uns trat mit Hut und Stock, zitternd über den ganzen Leib und weiß wie eine Wand. „Das erſte Blut iſt gefloſſen,“ ſagte er mit bebender Stimme, „theures Blut, Heldenblut! Ihr ſeid Sol¬ datenſöhne, meine Kinder. Eilt in den Wald, pflückt das letzte Eichenlaub und bindet einen Kranz auf das Grab eines tapferen Herrn, der Allen voran, im Kampfe für das Vaterland gefallen iſt.“ Darauf an mich herantretend, ſetzte er leiſe hinzu: „Es iſt der

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/23>, abgerufen am 26.04.2024.