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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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1. Buch. 1. Tit.

IV. Eine Bedeutung, in welcher das Wort Lex
bey den alten Teutschen denen Capitularien entgegen
gesezt wurde. Lex hieß nehmlich bey den alten Teut-
schen ein von der Nation selbst abgefaßtes, und von
dem Regenten nur allein bestättigtes Gesetz, dessen Rechts-
kraft beständig war. Z. B. Lex Salica, Lex Aleman-
nica.
Hingegen nannte man die von dem König mit
Zuziehung der Stände auf dem Reichseonvent gemachte
Verordnungen Capitularien, und diese galten meist
nur auf ein Jahr, wenn sie nicht entweder von einem
Teutschen Volk als ein Theil ihrer Gesezsammlung auf-
genommen, oder nach dem Ablaufe des Jahrs waren
wiederhohlet worden 74).

Ein Gesez in der oben angeführten allgemeinen
Bedeutung kann entweder lex perfecta oder imperfecta
seyn, je nachdem es entweder eine vollkommene oder
unvollkommene Verbindlichkeit ausdrukt. In einer an-
dern Bedeutung unterscheiden die Fragmenta iuris An-
tejustinianei
75) legem perfectam, imperfectam und
minus quam perfectam von einander. Ein Gesez der
erstern Art war ein solches, welches etwas verboth,
so daß die gegen das Verboth unternommene Handlung

für
74) S. Henr. Chr. L. B. de senkenberg in Visioni-
bus div. de collect. Legum Germanicar
.
Cap. II.
§. 1. Prof. Fischers Entwurf einer Ge-
schichte des teutschen Rechts
, (Leipzig 1781. 8.)
§. 5. Von Selchow Rechtsgeschichte §. 268. und
D. Christ. Gottl. biener in Commentariis de ori-
gine et progressu Legum Iuriumque Ger-
man
. P. I. Lib. II. Cap. I.
§. 51.
75) ulpianus in Fragm. Tit. 1. §. 1. et 2. Ant. schulting
ad Eundem in not. 3. et sqq. Iurispr. vet. Antejust. pag.
561. sqq. et voet ad. Pand. Tit. de L. L.
§. 16.
1. Buch. 1. Tit.

IV. Eine Bedeutung, in welcher das Wort Lex
bey den alten Teutſchen denen Capitularien entgegen
geſezt wurde. Lex hieß nehmlich bey den alten Teut-
ſchen ein von der Nation ſelbſt abgefaßtes, und von
dem Regenten nur allein beſtaͤttigtes Geſetz, deſſen Rechts-
kraft beſtaͤndig war. Z. B. Lex Salica, Lex Aleman-
nica.
Hingegen nannte man die von dem Koͤnig mit
Zuziehung der Staͤnde auf dem Reichseonvent gemachte
Verordnungen Capitularien, und dieſe galten meiſt
nur auf ein Jahr, wenn ſie nicht entweder von einem
Teutſchen Volk als ein Theil ihrer Geſezſammlung auf-
genommen, oder nach dem Ablaufe des Jahrs waren
wiederhohlet worden 74).

Ein Geſez in der oben angefuͤhrten allgemeinen
Bedeutung kann entweder lex perfecta oder imperfecta
ſeyn, je nachdem es entweder eine vollkommene oder
unvollkommene Verbindlichkeit ausdrukt. In einer an-
dern Bedeutung unterſcheiden die Fragmenta iuris An-
tejuſtinianei
75) legem perfectam, imperfectam und
minus quam perfectam von einander. Ein Geſez der
erſtern Art war ein ſolches, welches etwas verboth,
ſo daß die gegen das Verboth unternommene Handlung

fuͤr
74) S. Henr. Chr. L. B. de senkenberg in Viſioni-
bus div. de collect. Legum Germanicar
.
Cap. II.
§. 1. Prof. Fiſchers Entwurf einer Ge-
ſchichte des teutſchen Rechts
, (Leipzig 1781. 8.)
§. 5. Von Selchow Rechtsgeſchichte §. 268. und
D. Chriſt. Gottl. biener in Commentariis de ori-
gine et progreſſu Legum Iuriumque Ger-
man
. P. I. Lib. II. Cap. I.
§. 51.
75) ulpianus in Fragm. Tit. 1. §. 1. et 2. Ant. schulting
ad Eundem in not. 3. et ſqq. Iurispr. vet. Antejuſt. pag.
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[56/0076] 1. Buch. 1. Tit. IV. Eine Bedeutung, in welcher das Wort Lex bey den alten Teutſchen denen Capitularien entgegen geſezt wurde. Lex hieß nehmlich bey den alten Teut- ſchen ein von der Nation ſelbſt abgefaßtes, und von dem Regenten nur allein beſtaͤttigtes Geſetz, deſſen Rechts- kraft beſtaͤndig war. Z. B. Lex Salica, Lex Aleman- nica. Hingegen nannte man die von dem Koͤnig mit Zuziehung der Staͤnde auf dem Reichseonvent gemachte Verordnungen Capitularien, und dieſe galten meiſt nur auf ein Jahr, wenn ſie nicht entweder von einem Teutſchen Volk als ein Theil ihrer Geſezſammlung auf- genommen, oder nach dem Ablaufe des Jahrs waren wiederhohlet worden 74). Ein Geſez in der oben angefuͤhrten allgemeinen Bedeutung kann entweder lex perfecta oder imperfecta ſeyn, je nachdem es entweder eine vollkommene oder unvollkommene Verbindlichkeit ausdrukt. In einer an- dern Bedeutung unterſcheiden die Fragmenta iuris An- tejuſtinianei 75) legem perfectam, imperfectam und minus quam perfectam von einander. Ein Geſez der erſtern Art war ein ſolches, welches etwas verboth, ſo daß die gegen das Verboth unternommene Handlung fuͤr 74) S. Henr. Chr. L. B. de senkenberg in Viſioni- bus div. de collect. Legum Germanicar. Cap. II. §. 1. Prof. Fiſchers Entwurf einer Ge- ſchichte des teutſchen Rechts, (Leipzig 1781. 8.) §. 5. Von Selchow Rechtsgeſchichte §. 268. und D. Chriſt. Gottl. biener in Commentariis de ori- gine et progreſſu Legum Iuriumque Ger- man. P. I. Lib. II. Cap. I. §. 51. 75) ulpianus in Fragm. Tit. 1. §. 1. et 2. Ant. schulting ad Eundem in not. 3. et ſqq. Iurispr. vet. Antejuſt. pag. 561. ſqq. et voet ad. Pand. Tit. de L. L. §. 16.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/76>, abgerufen am 26.04.2024.