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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.

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De his, qui sui vel alieni iuris sunt.
§. 142.
Erfordernisse einer gültigen Legitimation.
I) Consens der dabey intereßirten Personen.

Zur Gültigkeit einer jeden Legitimation wird nun
zweyerley erfordert. I) Die Einwilligung der Interessen-
ten; und II) die gesetzlich vorgeschriebene Form. Soviel
den ersten Punct betrifft, so müssen wir wieder das rö-
mische Recht von dem canonischen und heutigen Rechte
wohl unterscheiden. Nach römischen Rechten wird sowohl
die Einwilligung des Vaters als der Kinder erfordert.
Denn durch Legitimation erlangen die unehelichen Kinder
die Familienrechte der ehelichgebohrnen, mithin auch ein
Erbrecht in Ansehung ihres natürlichen Vaters; nun
kann man doch diesem wider seinem Willen keine Erben ob-
trudiren. Allein durch die Legitimation wird auch der
Zustand der unehelich gebohrnen in gewisser Absicht ver-
schlimmert. Denn sie hören auf sui iuris zu seyn, was
sie vorher waren, und kommen in die väterliche Gewalt
ihres natürlichen Vaters. Ist es nun, sagt Justi-
nian
86), den Vätern nicht erlaubt, die Kinder wider
ihren Willen aus der väterlichen Gewalt zu entlassen,
so kann es auch eben so wenig recht seyn, sie wider ih-
ren Willen in die väterliche Gewalt zu bringen. Nach
canonischen und heutigen Rechten aber müssen wir zwischen
der vollkommenen und unvollkommenen Legiti-
mation unterscheiden. Zur letztern ist die Einwilligung des
Vaters nicht erforderlich, sondern selbige kann auch ohne die-
se auf das blose Ansuchen der Mutter oder des Vormunds

oder
86) Nov. 89. cap. 11. Io. mercerius lib. II. Opinionum et
Observ. cap. 8. in ottonis Thesaur. Iur. Rom. Tom. II.
p. 1594. et iordens de legitimatione Diss. II. cap. I.
Glücks Erläut. d. Pand. 2. Th. R
De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
§. 142.
Erforderniſſe einer guͤltigen Legitimation.
I) Conſens der dabey intereßirten Perſonen.

Zur Guͤltigkeit einer jeden Legitimation wird nun
zweyerley erfordert. I) Die Einwilligung der Intereſſen-
ten; und II) die geſetzlich vorgeſchriebene Form. Soviel
den erſten Punct betrifft, ſo muͤſſen wir wieder das roͤ-
miſche Recht von dem canoniſchen und heutigen Rechte
wohl unterſcheiden. Nach roͤmiſchen Rechten wird ſowohl
die Einwilligung des Vaters als der Kinder erfordert.
Denn durch Legitimation erlangen die unehelichen Kinder
die Familienrechte der ehelichgebohrnen, mithin auch ein
Erbrecht in Anſehung ihres natuͤrlichen Vaters; nun
kann man doch dieſem wider ſeinem Willen keine Erben ob-
trudiren. Allein durch die Legitimation wird auch der
Zuſtand der unehelich gebohrnen in gewiſſer Abſicht ver-
ſchlimmert. Denn ſie hoͤren auf ſui iuris zu ſeyn, was
ſie vorher waren, und kommen in die vaͤterliche Gewalt
ihres natuͤrlichen Vaters. Iſt es nun, ſagt Juſti-
nian
86), den Vaͤtern nicht erlaubt, die Kinder wider
ihren Willen aus der vaͤterlichen Gewalt zu entlaſſen,
ſo kann es auch eben ſo wenig recht ſeyn, ſie wider ih-
ren Willen in die vaͤterliche Gewalt zu bringen. Nach
canoniſchen und heutigen Rechten aber muͤſſen wir zwiſchen
der vollkommenen und unvollkommenen Legiti-
mation unterſcheiden. Zur letztern iſt die Einwilligung des
Vaters nicht erforderlich, ſondern ſelbige kann auch ohne die-
ſe auf das bloſe Anſuchen der Mutter oder des Vormunds

oder
86) Nov. 89. cap. 11. Io. mercerius lib. II. Opinionum et
Obſerv. cap. 8. in ottonis Thesaur. Iur. Rom. Tom. II.
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[257/0271] De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. §. 142. Erforderniſſe einer guͤltigen Legitimation. I) Conſens der dabey intereßirten Perſonen. Zur Guͤltigkeit einer jeden Legitimation wird nun zweyerley erfordert. I) Die Einwilligung der Intereſſen- ten; und II) die geſetzlich vorgeſchriebene Form. Soviel den erſten Punct betrifft, ſo muͤſſen wir wieder das roͤ- miſche Recht von dem canoniſchen und heutigen Rechte wohl unterſcheiden. Nach roͤmiſchen Rechten wird ſowohl die Einwilligung des Vaters als der Kinder erfordert. Denn durch Legitimation erlangen die unehelichen Kinder die Familienrechte der ehelichgebohrnen, mithin auch ein Erbrecht in Anſehung ihres natuͤrlichen Vaters; nun kann man doch dieſem wider ſeinem Willen keine Erben ob- trudiren. Allein durch die Legitimation wird auch der Zuſtand der unehelich gebohrnen in gewiſſer Abſicht ver- ſchlimmert. Denn ſie hoͤren auf ſui iuris zu ſeyn, was ſie vorher waren, und kommen in die vaͤterliche Gewalt ihres natuͤrlichen Vaters. Iſt es nun, ſagt Juſti- nian 86), den Vaͤtern nicht erlaubt, die Kinder wider ihren Willen aus der vaͤterlichen Gewalt zu entlaſſen, ſo kann es auch eben ſo wenig recht ſeyn, ſie wider ih- ren Willen in die vaͤterliche Gewalt zu bringen. Nach canoniſchen und heutigen Rechten aber muͤſſen wir zwiſchen der vollkommenen und unvollkommenen Legiti- mation unterſcheiden. Zur letztern iſt die Einwilligung des Vaters nicht erforderlich, ſondern ſelbige kann auch ohne die- ſe auf das bloſe Anſuchen der Mutter oder des Vormunds oder 86) Nov. 89. cap. 11. Io. mercerius lib. II. Opinionum et Obſerv. cap. 8. in ottonis Thesaur. Iur. Rom. Tom. II. p. 1594. et iordens de legitimatione Diſſ. II. cap. I. Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. R

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/271>, abgerufen am 26.04.2024.