Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

1. Buch. 7. Tit. §. 160. u. 161.
dem Vermögen des verstossenen Kindes, und ist, in sofern
er etwa als Vormund die Verwaltung desselben behielte,
darüber Rechnung abzulegen verbunden. Das volljähri-
ge Kind aber kann auf die Herausgabe desselben dringen.

Dahingegen gehet das Erbrecht der Eltern, so
ihnen auf den Todesfall der Kinder zukommt, durch die
Abdication nicht verlohren. Denn a) ist nicht zu ver-
muthen, daß Eltern, die sich aus Unwillen von ihrem un-
gerathenen Kinde lossagen, sich auch dieses Rechts, so
ihnen erst nach dem Tode der Kinder zustehet, haben be-
geben wollen, weil jede Entsagung streng ausgelegt wer-
den muß. b) Liegt auch der Grund des elterlichen Erb-
rechts nicht in der väterlichen Gewalt, sondern vielmehr
in der Blutsverwandtschaft. Wenn also gleich der Va-
ter auf diejenigen Rechte Verzicht leistet, die ihm vermö-
ge der väterlichen Gewalt zustehen; so hat er dadurch
doch noch nicht auf die Rechte der Blutsverwandtschaft
renunciiret. Dem ungeachtet aber fehlt es doch nicht an
Rechtsgelehrten, die das Gegentheil behaupten 16).

§. 161.
Heutiges Recht der Lehre von der Emancipation.

Nach der Lehre der heutigen Rechtsgelehrten, wel-
cher auch Hellfeld beypflichtet, theilet man insgemein die
Emancipation in die ausdrückliche und stillschwei-
gende
ein. Man behauptet, daß die Emancipation
stillschweigend durch die Heyrath der Töchter und
die Anstellung einer eigenen Haushaltung der Söhne
geschehe. Einige nennen diese auch die teutsche oder

säch-
16) müller in Observat. pract. ad Leyseri Meditat. ad Pand.
T. I. Fasc. I. Obs.
91.

1. Buch. 7. Tit. §. 160. u. 161.
dem Vermoͤgen des verſtoſſenen Kindes, und iſt, in ſofern
er etwa als Vormund die Verwaltung deſſelben behielte,
daruͤber Rechnung abzulegen verbunden. Das volljaͤhri-
ge Kind aber kann auf die Herausgabe deſſelben dringen.

Dahingegen gehet das Erbrecht der Eltern, ſo
ihnen auf den Todesfall der Kinder zukommt, durch die
Abdication nicht verlohren. Denn a) iſt nicht zu ver-
muthen, daß Eltern, die ſich aus Unwillen von ihrem un-
gerathenen Kinde losſagen, ſich auch dieſes Rechts, ſo
ihnen erſt nach dem Tode der Kinder zuſtehet, haben be-
geben wollen, weil jede Entſagung ſtreng ausgelegt wer-
den muß. b) Liegt auch der Grund des elterlichen Erb-
rechts nicht in der vaͤterlichen Gewalt, ſondern vielmehr
in der Blutsverwandtſchaft. Wenn alſo gleich der Va-
ter auf diejenigen Rechte Verzicht leiſtet, die ihm vermoͤ-
ge der vaͤterlichen Gewalt zuſtehen; ſo hat er dadurch
doch noch nicht auf die Rechte der Blutsverwandtſchaft
renunciiret. Dem ungeachtet aber fehlt es doch nicht an
Rechtsgelehrten, die das Gegentheil behaupten 16).

§. 161.
Heutiges Recht der Lehre von der Emancipation.

Nach der Lehre der heutigen Rechtsgelehrten, wel-
cher auch Hellfeld beypflichtet, theilet man insgemein die
Emancipation in die ausdruͤckliche und ſtillſchwei-
gende
ein. Man behauptet, daß die Emancipation
ſtillſchweigend durch die Heyrath der Toͤchter und
die Anſtellung einer eigenen Haushaltung der Soͤhne
geſchehe. Einige nennen dieſe auch die teutſche oder

ſaͤch-
16) muͤller in Obſervat. pract. ad Leyſeri Meditat. ad Pand.
T. I. Faſc. I. Obſ.
91.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0388" n="374"/><fw place="top" type="header">1. Buch. 7. Tit. §. 160. u. 161.</fw><lb/>
dem Vermo&#x0364;gen des ver&#x017F;to&#x017F;&#x017F;enen Kindes, und i&#x017F;t, in &#x017F;ofern<lb/>
er etwa als Vormund die Verwaltung de&#x017F;&#x017F;elben behielte,<lb/>
daru&#x0364;ber Rechnung abzulegen verbunden. Das vollja&#x0364;hri-<lb/>
ge Kind aber kann auf die Herausgabe de&#x017F;&#x017F;elben dringen.</p><lb/>
          <p>Dahingegen gehet das <hi rendition="#g">Erbrecht der Eltern</hi>, &#x017F;o<lb/>
ihnen auf den Todesfall der Kinder zukommt, durch die<lb/>
Abdication nicht verlohren. Denn <hi rendition="#aq">a</hi>) i&#x017F;t nicht zu ver-<lb/>
muthen, daß Eltern, die &#x017F;ich aus Unwillen von ihrem un-<lb/>
gerathenen Kinde los&#x017F;agen, &#x017F;ich auch die&#x017F;es Rechts, &#x017F;o<lb/>
ihnen er&#x017F;t nach dem Tode der Kinder zu&#x017F;tehet, haben be-<lb/>
geben wollen, weil jede Ent&#x017F;agung &#x017F;treng ausgelegt wer-<lb/>
den muß. <hi rendition="#aq">b</hi>) Liegt auch der Grund des elterlichen Erb-<lb/>
rechts nicht in der va&#x0364;terlichen Gewalt, &#x017F;ondern vielmehr<lb/>
in der Blutsverwandt&#x017F;chaft. Wenn al&#x017F;o gleich der Va-<lb/>
ter auf diejenigen Rechte Verzicht lei&#x017F;tet, die ihm vermo&#x0364;-<lb/>
ge der va&#x0364;terlichen Gewalt zu&#x017F;tehen; &#x017F;o hat er dadurch<lb/>
doch noch nicht auf die Rechte der Blutsverwandt&#x017F;chaft<lb/>
renunciiret. Dem ungeachtet aber fehlt es doch nicht an<lb/>
Rechtsgelehrten, die das Gegentheil behaupten <note place="foot" n="16)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">mu&#x0364;ller</hi> in Ob&#x017F;ervat. pract. ad <hi rendition="#i">Ley&#x017F;eri</hi> Meditat. ad Pand.<lb/>
T. I. Fa&#x017F;c. I. Ob&#x017F;.</hi> 91.</note>.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 161.<lb/>
Heutiges Recht der Lehre von der Emancipation.</head><lb/>
          <p>Nach der Lehre der heutigen Rechtsgelehrten, wel-<lb/>
cher auch <hi rendition="#fr">Hellfeld</hi> beypflichtet, theilet man insgemein die<lb/>
Emancipation in die <hi rendition="#g">ausdru&#x0364;ckliche</hi> und <hi rendition="#g">&#x017F;till&#x017F;chwei-<lb/>
gende</hi> ein. Man behauptet, daß die Emancipation<lb/><hi rendition="#g">&#x017F;till&#x017F;chweigend</hi> durch die Heyrath der To&#x0364;chter und<lb/>
die An&#x017F;tellung einer eigenen Haushaltung der So&#x0364;hne<lb/>
ge&#x017F;chehe. Einige nennen die&#x017F;e auch die <hi rendition="#g">teut&#x017F;che</hi> oder<lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#g">&#x017F;a&#x0364;ch-</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[374/0388] 1. Buch. 7. Tit. §. 160. u. 161. dem Vermoͤgen des verſtoſſenen Kindes, und iſt, in ſofern er etwa als Vormund die Verwaltung deſſelben behielte, daruͤber Rechnung abzulegen verbunden. Das volljaͤhri- ge Kind aber kann auf die Herausgabe deſſelben dringen. Dahingegen gehet das Erbrecht der Eltern, ſo ihnen auf den Todesfall der Kinder zukommt, durch die Abdication nicht verlohren. Denn a) iſt nicht zu ver- muthen, daß Eltern, die ſich aus Unwillen von ihrem un- gerathenen Kinde losſagen, ſich auch dieſes Rechts, ſo ihnen erſt nach dem Tode der Kinder zuſtehet, haben be- geben wollen, weil jede Entſagung ſtreng ausgelegt wer- den muß. b) Liegt auch der Grund des elterlichen Erb- rechts nicht in der vaͤterlichen Gewalt, ſondern vielmehr in der Blutsverwandtſchaft. Wenn alſo gleich der Va- ter auf diejenigen Rechte Verzicht leiſtet, die ihm vermoͤ- ge der vaͤterlichen Gewalt zuſtehen; ſo hat er dadurch doch noch nicht auf die Rechte der Blutsverwandtſchaft renunciiret. Dem ungeachtet aber fehlt es doch nicht an Rechtsgelehrten, die das Gegentheil behaupten 16). §. 161. Heutiges Recht der Lehre von der Emancipation. Nach der Lehre der heutigen Rechtsgelehrten, wel- cher auch Hellfeld beypflichtet, theilet man insgemein die Emancipation in die ausdruͤckliche und ſtillſchwei- gende ein. Man behauptet, daß die Emancipation ſtillſchweigend durch die Heyrath der Toͤchter und die Anſtellung einer eigenen Haushaltung der Soͤhne geſchehe. Einige nennen dieſe auch die teutſche oder ſaͤch- 16) muͤller in Obſervat. pract. ad Leyſeri Meditat. ad Pand. T. I. Faſc. I. Obſ. 91.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/388
Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/388>, abgerufen am 26.04.2024.