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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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auf Leinwand oder Holz stark aufgetragen und polirt.
Sodann wurde der Umriß aufgezeichnet und das Bild
mit einer schwärzlichen oder bräunlichen Farbe ausge-
tuscht. Dergleichen auf diese Art zum Coloriren vorbe-
reitete Bilder sind noch übrig von Leonardo da Vin-
ci, Fra Bartolomeo und mehrere von Guido.

903.

Wenn man zur Colorirung schritt und weiße Ge-
wänder darstellen wollte; so ließ man zuweilen diesen
Grund stehen. Tizian that es in seiner spätern Zeit,
wo er die große Sicherheit hatte, und mit wenig Mü-
he viel zu leisten wußte. Der weißliche Grund wurde
als Mitteltinte behandelt, die Schatten aufgetragen
und die hohen Lichter aufgesetzt.

904.

Beym Coloriren war das untergelegte gleichsam
getuschte Bild immer wirksam. Man malte z. B.
ein Gewand mit einer Lasurfarbe, und das Weiße
schien durch und gab der Farbe ein Leben, so wie der
schon früher zum Schatten angelegte Theil die Farbe
gedämpft zeigte, ohne daß sie gemischt oder beschmutzt
gewesen wäre.

905.

Diese Methode hatte viele Vortheile. Denn an
den lichten Stellen des Bildes hatte man einen hel-
len, an den beschatteten einen dunkeln Grund. Das
ganze Bild war vorbereitet; man konnte mit leichten
Farben malen, und man war der Uebereinstimmung

auf Leinwand oder Holz ſtark aufgetragen und polirt.
Sodann wurde der Umriß aufgezeichnet und das Bild
mit einer ſchwaͤrzlichen oder braͤunlichen Farbe ausge-
tuſcht. Dergleichen auf dieſe Art zum Coloriren vorbe-
reitete Bilder ſind noch uͤbrig von Leonardo da Vin-
ci, Fra Bartolomeo und mehrere von Guido.

903.

Wenn man zur Colorirung ſchritt und weiße Ge-
waͤnder darſtellen wollte; ſo ließ man zuweilen dieſen
Grund ſtehen. Tizian that es in ſeiner ſpaͤtern Zeit,
wo er die große Sicherheit hatte, und mit wenig Muͤ-
he viel zu leiſten wußte. Der weißliche Grund wurde
als Mitteltinte behandelt, die Schatten aufgetragen
und die hohen Lichter aufgeſetzt.

904.

Beym Coloriren war das untergelegte gleichſam
getuſchte Bild immer wirkſam. Man malte z. B.
ein Gewand mit einer Laſurfarbe, und das Weiße
ſchien durch und gab der Farbe ein Leben, ſo wie der
ſchon fruͤher zum Schatten angelegte Theil die Farbe
gedaͤmpft zeigte, ohne daß ſie gemiſcht oder beſchmutzt
geweſen waͤre.

905.

Dieſe Methode hatte viele Vortheile. Denn an
den lichten Stellen des Bildes hatte man einen hel-
len, an den beſchatteten einen dunkeln Grund. Das
ganze Bild war vorbereitet; man konnte mit leichten
Farben malen, und man war der Uebereinſtimmung

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[332/0386] auf Leinwand oder Holz ſtark aufgetragen und polirt. Sodann wurde der Umriß aufgezeichnet und das Bild mit einer ſchwaͤrzlichen oder braͤunlichen Farbe ausge- tuſcht. Dergleichen auf dieſe Art zum Coloriren vorbe- reitete Bilder ſind noch uͤbrig von Leonardo da Vin- ci, Fra Bartolomeo und mehrere von Guido. 903. Wenn man zur Colorirung ſchritt und weiße Ge- waͤnder darſtellen wollte; ſo ließ man zuweilen dieſen Grund ſtehen. Tizian that es in ſeiner ſpaͤtern Zeit, wo er die große Sicherheit hatte, und mit wenig Muͤ- he viel zu leiſten wußte. Der weißliche Grund wurde als Mitteltinte behandelt, die Schatten aufgetragen und die hohen Lichter aufgeſetzt. 904. Beym Coloriren war das untergelegte gleichſam getuſchte Bild immer wirkſam. Man malte z. B. ein Gewand mit einer Laſurfarbe, und das Weiße ſchien durch und gab der Farbe ein Leben, ſo wie der ſchon fruͤher zum Schatten angelegte Theil die Farbe gedaͤmpft zeigte, ohne daß ſie gemiſcht oder beſchmutzt geweſen waͤre. 905. Dieſe Methode hatte viele Vortheile. Denn an den lichten Stellen des Bildes hatte man einen hel- len, an den beſchatteten einen dunkeln Grund. Das ganze Bild war vorbereitet; man konnte mit leichten Farben malen, und man war der Uebereinſtimmung

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/386>, abgerufen am 26.04.2024.