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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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macht sich aber hier ohne Noth Schwierigkeiten, weil
er wohl fühlt, daß der Boden, worauf er steht, nicht
sicher ist.

677.

Denn durch alle farbigen Körper, so weit meine Bemerkung
reicht, kann man hindurchsehen, wenn man sie dünn genug
macht; sie sind deswegen gewissermaßen durchsichtig, und also
nur in Graden der Durchsichtigkeit von gefärbten durchsichti-
gen Liquoren verschieden. Diese Feuchtigkeiten, so gut wie
solche Körper, werden bey hinreichender Masse undurchsichtig.
Ein durchsichtiger Körper, der in einer gewissen Farbe er-
scheint wenn das Licht hindurchfällt, kann bey zurückgeworfe-
nem Licht dieselbe Farbe haben, wenn das Licht dieser Farbe
von der hinteren Fläche des Körpers zurückgeworfen wird,
oder von der Luft die daran stößt. Dann kann aber die zu-
rückgeworfene Farbe vermindert werden, ja aufhören, wenn
man den Körper sehr dick macht, oder ihn auf der Rückseite
mit Pech überzieht, um die Reflexion der hinteren Fläche zu
vermindern, so daß das von den färbenden Theilen zurückge-
worfene Licht vorherrschen mag. In solchen Fällen wird die
Farbe des zurückgeworfenen Lichtes von der des durchfallenden
Lichtes wohl abweichen können.

678.

Alles dieses Hin- und Wiederreden findet man
unnütz, wenn man die Ableitung der körperlichen Far-
ben kennt, wie wir solche im Entwurf versucht haben;
besonders wenn man mit uns überzeugt ist, daß jede
Farbe, um gesehen zu werden, ein Licht im Hinter-
grunde haben müsse, und daß wir eigentlich alle körper-
liche Farbe mittelst eines durchfallenden Lichts gewahr

macht ſich aber hier ohne Noth Schwierigkeiten, weil
er wohl fuͤhlt, daß der Boden, worauf er ſteht, nicht
ſicher iſt.

677.

Denn durch alle farbigen Koͤrper, ſo weit meine Bemerkung
reicht, kann man hindurchſehen, wenn man ſie duͤnn genug
macht; ſie ſind deswegen gewiſſermaßen durchſichtig, und alſo
nur in Graden der Durchſichtigkeit von gefaͤrbten durchſichti-
gen Liquoren verſchieden. Dieſe Feuchtigkeiten, ſo gut wie
ſolche Koͤrper, werden bey hinreichender Maſſe undurchſichtig.
Ein durchſichtiger Koͤrper, der in einer gewiſſen Farbe er-
ſcheint wenn das Licht hindurchfaͤllt, kann bey zuruͤckgeworfe-
nem Licht dieſelbe Farbe haben, wenn das Licht dieſer Farbe
von der hinteren Flaͤche des Koͤrpers zuruͤckgeworfen wird,
oder von der Luft die daran ſtoͤßt. Dann kann aber die zu-
ruͤckgeworfene Farbe vermindert werden, ja aufhoͤren, wenn
man den Koͤrper ſehr dick macht, oder ihn auf der Ruͤckſeite
mit Pech uͤberzieht, um die Reflexion der hinteren Flaͤche zu
vermindern, ſo daß das von den faͤrbenden Theilen zuruͤckge-
worfene Licht vorherrſchen mag. In ſolchen Faͤllen wird die
Farbe des zuruͤckgeworfenen Lichtes von der des durchfallenden
Lichtes wohl abweichen koͤnnen.

678.

Alles dieſes Hin- und Wiederreden findet man
unnuͤtz, wenn man die Ableitung der koͤrperlichen Far-
ben kennt, wie wir ſolche im Entwurf verſucht haben;
beſonders wenn man mit uns uͤberzeugt iſt, daß jede
Farbe, um geſehen zu werden, ein Licht im Hinter-
grunde haben muͤſſe, und daß wir eigentlich alle koͤrper-
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[644/0698] macht ſich aber hier ohne Noth Schwierigkeiten, weil er wohl fuͤhlt, daß der Boden, worauf er ſteht, nicht ſicher iſt. 677. Denn durch alle farbigen Koͤrper, ſo weit meine Bemerkung reicht, kann man hindurchſehen, wenn man ſie duͤnn genug macht; ſie ſind deswegen gewiſſermaßen durchſichtig, und alſo nur in Graden der Durchſichtigkeit von gefaͤrbten durchſichti- gen Liquoren verſchieden. Dieſe Feuchtigkeiten, ſo gut wie ſolche Koͤrper, werden bey hinreichender Maſſe undurchſichtig. Ein durchſichtiger Koͤrper, der in einer gewiſſen Farbe er- ſcheint wenn das Licht hindurchfaͤllt, kann bey zuruͤckgeworfe- nem Licht dieſelbe Farbe haben, wenn das Licht dieſer Farbe von der hinteren Flaͤche des Koͤrpers zuruͤckgeworfen wird, oder von der Luft die daran ſtoͤßt. Dann kann aber die zu- ruͤckgeworfene Farbe vermindert werden, ja aufhoͤren, wenn man den Koͤrper ſehr dick macht, oder ihn auf der Ruͤckſeite mit Pech uͤberzieht, um die Reflexion der hinteren Flaͤche zu vermindern, ſo daß das von den faͤrbenden Theilen zuruͤckge- worfene Licht vorherrſchen mag. In ſolchen Faͤllen wird die Farbe des zuruͤckgeworfenen Lichtes von der des durchfallenden Lichtes wohl abweichen koͤnnen. 678. Alles dieſes Hin- und Wiederreden findet man unnuͤtz, wenn man die Ableitung der koͤrperlichen Far- ben kennt, wie wir ſolche im Entwurf verſucht haben; beſonders wenn man mit uns uͤberzeugt iſt, daß jede Farbe, um geſehen zu werden, ein Licht im Hinter- grunde haben muͤſſe, und daß wir eigentlich alle koͤrper- liche Farbe mittelſt eines durchfallenden Lichts gewahr

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 644. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/698>, abgerufen am 26.04.2024.