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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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gelmäßige Beschäftigung des Journalisten ist, die ihm im bürger¬
lichen Leben ein gewisses Ansehen von einem "ordentlichen" Men¬
schen gibt, abgesehen von seinem Einfluß auf Politik und andere
praktische Seiten deS Lebens. -- So ist der deutsche Schriftsteller
civilisirt und zum zahmen Hausthier geworden.

So, um uns deutlicher auszudrücken, hat von da an die Lite¬
ratur eine regelmäßige und eigentliche Vertretung in der Gesellschaft
gefunden. Aber eS ist eine Sache von Wichtigkeit, daß die Herolde
und Dolmetscher unserer Poesie und Wissenschaft, die sogenannten
Literaten oder Journalisten, überall die ihrem Berufe geziemende Ach¬
tung finden, und daß sie selbst der Würde und Freiheit ihres Stan¬
des nichts vergeben. In den Betrachtungen, die wir über dieses Ver¬
hältniß zur Gesellschaft anstellen, werden unsere ernsten Mahnungen
nicht blos an die Gesellschaft, sondern vor Allein an die Literaten
selbst gerichtet sein. Der Literat, von dem wir eine würdige Ver¬
tretung unserer Literatur erwarten, und für den wir Achtung im
bürgerlichen Leben fordern können, muß allerdings der Gesellschaft mehr
zu bieten haben, als sie ihm) er muß im Stande sein, in den Be¬
wegungen derselben mehr als das vergängliche Farbenspiel der Mode
zu erfassen und zu deuten; sonst freilich ist er zu ihrem bloßen Sprach¬
rohr und Wetterhahn, zu ihrem Schüler oder gehorsamen Diener
herabgesunken. _




II.
Persönlichkeiten.

Wir haben die Schriftsteller und die Gesellschaft einander gegen¬
über gestellt. Von diesem Gesichtspunkte aus möchten wir nun
einige Fragen anregen. In der Gesellschaft gilt der Grundsatz, daß
jeder Mann von Ehre daS von ihm gesprochene Wort, namentlich
jedes über den persönlichen Werth oder Unwerth eines Andern ge¬
fällte Urtheil auch persönlich vertreten müsse. In der Presse, wo
das Wort ein tausendfaches Echo weckt, kann man diese Verantwor¬
tung mit noch weit größerem Rechte fordern. Ja, in dem Grade,
als die Beschränkungen unserer Presse geringer werden; -- und
wir hoffen, daß sie einst gänzlich fallen -- in dem Grade fällt auch


gelmäßige Beschäftigung des Journalisten ist, die ihm im bürger¬
lichen Leben ein gewisses Ansehen von einem „ordentlichen" Men¬
schen gibt, abgesehen von seinem Einfluß auf Politik und andere
praktische Seiten deS Lebens. — So ist der deutsche Schriftsteller
civilisirt und zum zahmen Hausthier geworden.

So, um uns deutlicher auszudrücken, hat von da an die Lite¬
ratur eine regelmäßige und eigentliche Vertretung in der Gesellschaft
gefunden. Aber eS ist eine Sache von Wichtigkeit, daß die Herolde
und Dolmetscher unserer Poesie und Wissenschaft, die sogenannten
Literaten oder Journalisten, überall die ihrem Berufe geziemende Ach¬
tung finden, und daß sie selbst der Würde und Freiheit ihres Stan¬
des nichts vergeben. In den Betrachtungen, die wir über dieses Ver¬
hältniß zur Gesellschaft anstellen, werden unsere ernsten Mahnungen
nicht blos an die Gesellschaft, sondern vor Allein an die Literaten
selbst gerichtet sein. Der Literat, von dem wir eine würdige Ver¬
tretung unserer Literatur erwarten, und für den wir Achtung im
bürgerlichen Leben fordern können, muß allerdings der Gesellschaft mehr
zu bieten haben, als sie ihm) er muß im Stande sein, in den Be¬
wegungen derselben mehr als das vergängliche Farbenspiel der Mode
zu erfassen und zu deuten; sonst freilich ist er zu ihrem bloßen Sprach¬
rohr und Wetterhahn, zu ihrem Schüler oder gehorsamen Diener
herabgesunken. _




II.
Persönlichkeiten.

Wir haben die Schriftsteller und die Gesellschaft einander gegen¬
über gestellt. Von diesem Gesichtspunkte aus möchten wir nun
einige Fragen anregen. In der Gesellschaft gilt der Grundsatz, daß
jeder Mann von Ehre daS von ihm gesprochene Wort, namentlich
jedes über den persönlichen Werth oder Unwerth eines Andern ge¬
fällte Urtheil auch persönlich vertreten müsse. In der Presse, wo
das Wort ein tausendfaches Echo weckt, kann man diese Verantwor¬
tung mit noch weit größerem Rechte fordern. Ja, in dem Grade,
als die Beschränkungen unserer Presse geringer werden; — und
wir hoffen, daß sie einst gänzlich fallen — in dem Grade fällt auch


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[0038] gelmäßige Beschäftigung des Journalisten ist, die ihm im bürger¬ lichen Leben ein gewisses Ansehen von einem „ordentlichen" Men¬ schen gibt, abgesehen von seinem Einfluß auf Politik und andere praktische Seiten deS Lebens. — So ist der deutsche Schriftsteller civilisirt und zum zahmen Hausthier geworden. So, um uns deutlicher auszudrücken, hat von da an die Lite¬ ratur eine regelmäßige und eigentliche Vertretung in der Gesellschaft gefunden. Aber eS ist eine Sache von Wichtigkeit, daß die Herolde und Dolmetscher unserer Poesie und Wissenschaft, die sogenannten Literaten oder Journalisten, überall die ihrem Berufe geziemende Ach¬ tung finden, und daß sie selbst der Würde und Freiheit ihres Stan¬ des nichts vergeben. In den Betrachtungen, die wir über dieses Ver¬ hältniß zur Gesellschaft anstellen, werden unsere ernsten Mahnungen nicht blos an die Gesellschaft, sondern vor Allein an die Literaten selbst gerichtet sein. Der Literat, von dem wir eine würdige Ver¬ tretung unserer Literatur erwarten, und für den wir Achtung im bürgerlichen Leben fordern können, muß allerdings der Gesellschaft mehr zu bieten haben, als sie ihm) er muß im Stande sein, in den Be¬ wegungen derselben mehr als das vergängliche Farbenspiel der Mode zu erfassen und zu deuten; sonst freilich ist er zu ihrem bloßen Sprach¬ rohr und Wetterhahn, zu ihrem Schüler oder gehorsamen Diener herabgesunken. _ II. Persönlichkeiten. Wir haben die Schriftsteller und die Gesellschaft einander gegen¬ über gestellt. Von diesem Gesichtspunkte aus möchten wir nun einige Fragen anregen. In der Gesellschaft gilt der Grundsatz, daß jeder Mann von Ehre daS von ihm gesprochene Wort, namentlich jedes über den persönlichen Werth oder Unwerth eines Andern ge¬ fällte Urtheil auch persönlich vertreten müsse. In der Presse, wo das Wort ein tausendfaches Echo weckt, kann man diese Verantwor¬ tung mit noch weit größerem Rechte fordern. Ja, in dem Grade, als die Beschränkungen unserer Presse geringer werden; — und wir hoffen, daß sie einst gänzlich fallen — in dem Grade fällt auch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/38>, abgerufen am 04.05.2024.