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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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und gleißend stehen die Blüthe" exotischer Cultur, Luxus und Laster, über dem
faulen Sumpfe der alten tatarischen Barbarei. Ein kaiserlicher Ukas, der die
Freilassung der Leibeigenen erleichtern sollte, wirkte so bedenklich auf den ho¬
hen, europäisch gebildeten Adel, daß er nach wenigen Tagen durch einen an¬
deren Ukas widerrufen wurde. Also allmächtig, wo es gilt, fremde Nationa¬
lität zu untergraben, ohnmächtig, wo es im eigenen Hause zu schassen und zu
bauen giebt! Diesen seltsamen Gegensatz und das Trügerische des ganzen
Selbstherrscher-Nimbus hob die Times und nach ihr das Journal d.
Debats etwas schneidend hervor. Unsere Augsburger Allgemeine konnte nicht
umhin, dieses falsch zu verstehen und sich darüber zu entrüsten, daß die freien
Franzosen und Engländer, die edle Absicht des Kaisers verkennend, die Leibei¬
genschaft gewissermaßen in Schutz nähmen (!) Die Augsburger selbst aber rühmt
in einer anderen Nummer die materielle Lage der russischen Leibeigenen, ver¬
glichen mit dem Elend der englischen Arbeiter. Sie beruft sich dabei aus die
Aussagen von G. Kohl, dessen Unzuverlässigkeit von mehreren Seiten schon
(unter Andern auch von der Preßzeitung) erwiesen wurde. -- Bortreffliche
und, wie es scheint, sehr treue Schilderungen russischer Zustände bringt dage¬
gen seit einiger Zeit das Cotta'sche "Ausland" von Treumund Welp.




Die Augsburger Allgemeine.

Warum kann die "nationale" Augsburger Allgemeine Zeitung ihre Pri-
vatantipathicn dem Auslande gegenüber nicht verwinden? Wenn die Times
Rotteck's Verdienste um die politischen Fortschritte Deutschlands rühmend her¬
vorhebt, muß sie, das deutsche Blatt, mit boshaften Parenthesen den Bericht
darüber begleiten? mit Bemerkungen, wie: (Ja wohl!) ete.? Solche kleinliche
Ncrgelei ist unserer vcllettristischen Blättchen würdig, nicht der Augsburger
Allgemeinen. .^^^




Besorgte Recensionen.

In einem Leipziger "Aeitungskatalog" (von I. I. Weber herausgegeben)
beißt eS von den Journalen, die el" sogenanntes Literaturblatt haben, wie
Rosen, Komet, Abendzeitung ceo., jedesmal zur Nachricht: "Besorgt Recen¬
sionen." Die Buchhändler drücken sich oft sehr naiv aus.




Ein Privatschreibcn ans Stuttgart.

Die Prinzessin Sophie (Prinzessin von Oranien), welche bei ihren Eltern
zum Besuche hier ist, hat den Wunsch geäußert, einige der dort einstudirtcn
Stücke der jüngern Dramatiker kennen zu lernen. Es sollen daher in den
letzten vierzehn Tagen vor den Ferien Werner, Patkul, die letzte weiße Rose,
Monaldcschi und Rokoko ausgeführt werden. -- David Strauß, der Verfasser
des Lebens Jesu, wird sich mit der Sängerin Scherest vermählen.




Druck von Friedrich Andrä in Leipzig.

und gleißend stehen die Blüthe» exotischer Cultur, Luxus und Laster, über dem
faulen Sumpfe der alten tatarischen Barbarei. Ein kaiserlicher Ukas, der die
Freilassung der Leibeigenen erleichtern sollte, wirkte so bedenklich auf den ho¬
hen, europäisch gebildeten Adel, daß er nach wenigen Tagen durch einen an¬
deren Ukas widerrufen wurde. Also allmächtig, wo es gilt, fremde Nationa¬
lität zu untergraben, ohnmächtig, wo es im eigenen Hause zu schassen und zu
bauen giebt! Diesen seltsamen Gegensatz und das Trügerische des ganzen
Selbstherrscher-Nimbus hob die Times und nach ihr das Journal d.
Debats etwas schneidend hervor. Unsere Augsburger Allgemeine konnte nicht
umhin, dieses falsch zu verstehen und sich darüber zu entrüsten, daß die freien
Franzosen und Engländer, die edle Absicht des Kaisers verkennend, die Leibei¬
genschaft gewissermaßen in Schutz nähmen (!) Die Augsburger selbst aber rühmt
in einer anderen Nummer die materielle Lage der russischen Leibeigenen, ver¬
glichen mit dem Elend der englischen Arbeiter. Sie beruft sich dabei aus die
Aussagen von G. Kohl, dessen Unzuverlässigkeit von mehreren Seiten schon
(unter Andern auch von der Preßzeitung) erwiesen wurde. — Bortreffliche
und, wie es scheint, sehr treue Schilderungen russischer Zustände bringt dage¬
gen seit einiger Zeit das Cotta'sche „Ausland" von Treumund Welp.




Die Augsburger Allgemeine.

Warum kann die „nationale" Augsburger Allgemeine Zeitung ihre Pri-
vatantipathicn dem Auslande gegenüber nicht verwinden? Wenn die Times
Rotteck's Verdienste um die politischen Fortschritte Deutschlands rühmend her¬
vorhebt, muß sie, das deutsche Blatt, mit boshaften Parenthesen den Bericht
darüber begleiten? mit Bemerkungen, wie: (Ja wohl!) ete.? Solche kleinliche
Ncrgelei ist unserer vcllettristischen Blättchen würdig, nicht der Augsburger
Allgemeinen. .^^^




Besorgte Recensionen.

In einem Leipziger „Aeitungskatalog" (von I. I. Weber herausgegeben)
beißt eS von den Journalen, die el» sogenanntes Literaturblatt haben, wie
Rosen, Komet, Abendzeitung ceo., jedesmal zur Nachricht: „Besorgt Recen¬
sionen." Die Buchhändler drücken sich oft sehr naiv aus.




Ein Privatschreibcn ans Stuttgart.

Die Prinzessin Sophie (Prinzessin von Oranien), welche bei ihren Eltern
zum Besuche hier ist, hat den Wunsch geäußert, einige der dort einstudirtcn
Stücke der jüngern Dramatiker kennen zu lernen. Es sollen daher in den
letzten vierzehn Tagen vor den Ferien Werner, Patkul, die letzte weiße Rose,
Monaldcschi und Rokoko ausgeführt werden. — David Strauß, der Verfasser
des Lebens Jesu, wird sich mit der Sängerin Scherest vermählen.




Druck von Friedrich Andrä in Leipzig.
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[0056] und gleißend stehen die Blüthe» exotischer Cultur, Luxus und Laster, über dem faulen Sumpfe der alten tatarischen Barbarei. Ein kaiserlicher Ukas, der die Freilassung der Leibeigenen erleichtern sollte, wirkte so bedenklich auf den ho¬ hen, europäisch gebildeten Adel, daß er nach wenigen Tagen durch einen an¬ deren Ukas widerrufen wurde. Also allmächtig, wo es gilt, fremde Nationa¬ lität zu untergraben, ohnmächtig, wo es im eigenen Hause zu schassen und zu bauen giebt! Diesen seltsamen Gegensatz und das Trügerische des ganzen Selbstherrscher-Nimbus hob die Times und nach ihr das Journal d. Debats etwas schneidend hervor. Unsere Augsburger Allgemeine konnte nicht umhin, dieses falsch zu verstehen und sich darüber zu entrüsten, daß die freien Franzosen und Engländer, die edle Absicht des Kaisers verkennend, die Leibei¬ genschaft gewissermaßen in Schutz nähmen (!) Die Augsburger selbst aber rühmt in einer anderen Nummer die materielle Lage der russischen Leibeigenen, ver¬ glichen mit dem Elend der englischen Arbeiter. Sie beruft sich dabei aus die Aussagen von G. Kohl, dessen Unzuverlässigkeit von mehreren Seiten schon (unter Andern auch von der Preßzeitung) erwiesen wurde. — Bortreffliche und, wie es scheint, sehr treue Schilderungen russischer Zustände bringt dage¬ gen seit einiger Zeit das Cotta'sche „Ausland" von Treumund Welp. Die Augsburger Allgemeine. Warum kann die „nationale" Augsburger Allgemeine Zeitung ihre Pri- vatantipathicn dem Auslande gegenüber nicht verwinden? Wenn die Times Rotteck's Verdienste um die politischen Fortschritte Deutschlands rühmend her¬ vorhebt, muß sie, das deutsche Blatt, mit boshaften Parenthesen den Bericht darüber begleiten? mit Bemerkungen, wie: (Ja wohl!) ete.? Solche kleinliche Ncrgelei ist unserer vcllettristischen Blättchen würdig, nicht der Augsburger Allgemeinen. .^^^ Besorgte Recensionen. In einem Leipziger „Aeitungskatalog" (von I. I. Weber herausgegeben) beißt eS von den Journalen, die el» sogenanntes Literaturblatt haben, wie Rosen, Komet, Abendzeitung ceo., jedesmal zur Nachricht: „Besorgt Recen¬ sionen." Die Buchhändler drücken sich oft sehr naiv aus. Ein Privatschreibcn ans Stuttgart. Die Prinzessin Sophie (Prinzessin von Oranien), welche bei ihren Eltern zum Besuche hier ist, hat den Wunsch geäußert, einige der dort einstudirtcn Stücke der jüngern Dramatiker kennen zu lernen. Es sollen daher in den letzten vierzehn Tagen vor den Ferien Werner, Patkul, die letzte weiße Rose, Monaldcschi und Rokoko ausgeführt werden. — David Strauß, der Verfasser des Lebens Jesu, wird sich mit der Sängerin Scherest vermählen. Druck von Friedrich Andrä in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/56>, abgerufen am 03.05.2024.