Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.T a g e b u es. i. Aus Wien. Wasser von allen Seiten. -- Die Unglücksfreuden. -- Dr. List und die Geld¬ aristokraten. -- Genz und List. -- Heirat!). -- Thcaterdinge. -- Graf Mo¬ ritz Dietrichstein. In den letzten Tagen wurde die Hauptstadt selbst von einer Erenzbot-n, l"is. II. 40
T a g e b u es. i. Aus Wien. Wasser von allen Seiten. — Die Unglücksfreuden. — Dr. List und die Geld¬ aristokraten. — Genz und List. — Heirat!). — Thcaterdinge. — Graf Mo¬ ritz Dietrichstein. In den letzten Tagen wurde die Hauptstadt selbst von einer Erenzbot-n, l»is. II. 40
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T a g e b u es.
i.
Aus Wien.
Wasser von allen Seiten. — Die Unglücksfreuden. — Dr. List und die Geld¬
aristokraten. — Genz und List. — Heirat!). — Thcaterdinge. — Graf Mo¬
ritz Dietrichstein.
In den letzten Tagen wurde die Hauptstadt selbst von einer
Ueberschwemmung vn mininture heimgesucht und damit die voreilige
Freude bestraft, mit der man die glücklich vorübergegangene Entcisung
der Donau gefeiert hatte. Gleichsam um den Einwohnern zu zeigen,
daß es nicht blos der mächtige Ister sei, vor dessen Zorn sie zittern
müßten, hat die Hand des Schicksals die unscheinbarsten Bache, welche
sich von den nahen Anhöhen in die westlichen Vorstädte und von da
in die Donau ergießen, in fabelhafter Schnelligkeit zu einer Größe
angeschwellt, welche sich bald nach allen Seiten Platz machte und die
gräßlichsten Verwüstungen anrichtete. Ein mehrere Stunden dauern¬
des Ungewitter, das sich über der Stadt entlud, strömte ungeheure
Negenmasien auf die Gegend herab, und der Blitz zündete an mehre¬
ren Orten, doch brannte blos ein kleines Bauernhäuschen vor dem
Thore ab. Der überschwemmte Theil der Stadt, welcher drei bis sechs
Fuß hoch unter Wasser stand, begreift gerade die ärmlichsten und schlecht¬
gebautesten Vorstädte, weshalb auch einige dieser Häuser in Trümmer
stürzten und wieder andere dergestalt litten, daß sie fürderhin nicht
mehr bewohnt werden dürfen. Binnen einer halben Stunde hatte das
Unglück seinen Culminationspunkt erreicht. Die Gefahr kam so unvor¬
bereitet, daß mehrere Menschen in ihren Wohnungen und Kellern das
Leben einbüßten; auch das Erdgeschoß des Irrenhauses wurde unter
Wasser gesetzt, wobei ein Geisteskranker umkam. Da dieser Stadttheil
vorzugsweise von Wäscherinnen und dergl. bewohnt wird, so erblickte
man aller Orten in den Gassen eine Menge Weißzeug einherschwimmen,
und am andern Morgen wurde die weggetriebene Wäsche da, wo sie
angeschwemmt worden, mit Schaufeln aus dem Schlamme auf Wa¬
gen geworfen, um unter polizeilicher Aussicht zurückerstattet zu werden.
Erenzbot-n, l»is. II. 40
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