Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

dann leider die ernsthafte und traurige Veranlassung: -- ein achtjäh¬
riger Knabe war überfahren und in der Weise verletzt worden, daß er
bald darauf verstarb. Wenn man, wie wir, die kühnen Thaten der
Jungen, unter denen sich viele sehr wohlgekleidete (wozu auch der Ver¬
unglückte gehörte) befanden, auf dem Corso gesehen, so muß man sich
freilich wundern, daß nur einer geblieben; aber für die Eltern und
Angehörigen mag es immerhin schmerzhaft und höchst traurig sein.
Die Gensdarmen ritten also hinaus, um, nachdem das Kind in
den Brunnen gefallen, denselben zuzudecken, d. h, die Corsojungenkühn-
heit zu verbieten. Da sie zu diesem, "in staatsbürgerlicher Hinsicht"
sehr wichtigem Geschäft voiitio ;r terie eilten, ist's ein wahres Glück
und ein Wunder, daß sie nicht selbst, die holden Genien unseres
bürgerlichen Wohles und Wehes, ein Paar arme Jungen niederge¬
ritten haben.

Der hiesige Bäckermeister Krebs, der unermüdliche Kämpe
für die Abschaffung lästiger Steuern, fragte und sagte in den hiesigen
Zeitungen, ob es nicht wünschenswert!), daß auch gescheidtere und nütz¬
lichere Dinge wie der Corso so lebhaften Anklang und so vielseitige
-- v. T.. Theilnahme fanden. I nun! -- -- --


II.
Aus Wien.

Wiederbelebung des Johanniterordens. -- Die Kinder des Erzherzogs Carl. --
Der Verfasser der "Aufzeichnungen eines österreichischen Militärs." -- Der
König von Sachsen und der seltsame Wirth. -- Aristokratische Schauspieler. --
Weibliche Emancipation. -- Die Rache eines Negers.

Heute fand in der Kirche des Johanniterordens die Feierlichkeit
Statt, wodurch Erzherzog Friedrich (der Contreadmiral) zum Großmei¬
ster ernannt wurde. Er hat in die Hände des Kaisers sein Gelübde
abgelegt, wozu auch die Entsagung der Ehe gehört, und wird fortan
in Venedig, wo bereits vor einiger Zeit ein Ordenshaus angelegt wor¬
den, seinen Sitz nehmen. Wer sich der ehemaligen Bestimmung des
Maltheserordens erinnert und der Macht gedenkt, die einst demselben
zu Gebote stand, wird die Wichtigkeit leicht in Anschlag zu bringen
wissen, die die Erwählung des jugendlichen Prinzen, der zugleich, seit
Bandiera's Ausscheiden aus der Activität, der oberste Leiter unseres
Seewesens ist, unter gewissen Umstanden und bei einigem Willen für
die maritime Bedeutung und italienische Auctorität Oesterreichs haben
kann. Dem Vernehmen nach soll der jüngere Bruder des Admirals,
Erzherzog Wilhelm, Eoadjutor des Großmeisters vom deutschen Orden
werden, mit welcher Würde derzeit der Erzherzog Maximilian von
Este betraut ist. Es scheint demnach, als würde diesen beiden Prin¬
zen bei der UnWahrscheinlichkeit einer wohldotirten Heirath auf andere


dann leider die ernsthafte und traurige Veranlassung: — ein achtjäh¬
riger Knabe war überfahren und in der Weise verletzt worden, daß er
bald darauf verstarb. Wenn man, wie wir, die kühnen Thaten der
Jungen, unter denen sich viele sehr wohlgekleidete (wozu auch der Ver¬
unglückte gehörte) befanden, auf dem Corso gesehen, so muß man sich
freilich wundern, daß nur einer geblieben; aber für die Eltern und
Angehörigen mag es immerhin schmerzhaft und höchst traurig sein.
Die Gensdarmen ritten also hinaus, um, nachdem das Kind in
den Brunnen gefallen, denselben zuzudecken, d. h, die Corsojungenkühn-
heit zu verbieten. Da sie zu diesem, „in staatsbürgerlicher Hinsicht"
sehr wichtigem Geschäft voiitio ;r terie eilten, ist's ein wahres Glück
und ein Wunder, daß sie nicht selbst, die holden Genien unseres
bürgerlichen Wohles und Wehes, ein Paar arme Jungen niederge¬
ritten haben.

Der hiesige Bäckermeister Krebs, der unermüdliche Kämpe
für die Abschaffung lästiger Steuern, fragte und sagte in den hiesigen
Zeitungen, ob es nicht wünschenswert!), daß auch gescheidtere und nütz¬
lichere Dinge wie der Corso so lebhaften Anklang und so vielseitige
— v. T.. Theilnahme fanden. I nun! — — —


II.
Aus Wien.

Wiederbelebung des Johanniterordens. — Die Kinder des Erzherzogs Carl. —
Der Verfasser der „Aufzeichnungen eines österreichischen Militärs." — Der
König von Sachsen und der seltsame Wirth. — Aristokratische Schauspieler. —
Weibliche Emancipation. — Die Rache eines Negers.

Heute fand in der Kirche des Johanniterordens die Feierlichkeit
Statt, wodurch Erzherzog Friedrich (der Contreadmiral) zum Großmei¬
ster ernannt wurde. Er hat in die Hände des Kaisers sein Gelübde
abgelegt, wozu auch die Entsagung der Ehe gehört, und wird fortan
in Venedig, wo bereits vor einiger Zeit ein Ordenshaus angelegt wor¬
den, seinen Sitz nehmen. Wer sich der ehemaligen Bestimmung des
Maltheserordens erinnert und der Macht gedenkt, die einst demselben
zu Gebote stand, wird die Wichtigkeit leicht in Anschlag zu bringen
wissen, die die Erwählung des jugendlichen Prinzen, der zugleich, seit
Bandiera's Ausscheiden aus der Activität, der oberste Leiter unseres
Seewesens ist, unter gewissen Umstanden und bei einigem Willen für
die maritime Bedeutung und italienische Auctorität Oesterreichs haben
kann. Dem Vernehmen nach soll der jüngere Bruder des Admirals,
Erzherzog Wilhelm, Eoadjutor des Großmeisters vom deutschen Orden
werden, mit welcher Würde derzeit der Erzherzog Maximilian von
Este betraut ist. Es scheint demnach, als würde diesen beiden Prin¬
zen bei der UnWahrscheinlichkeit einer wohldotirten Heirath auf andere


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0544" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/270603"/>
              <p xml:id="ID_1496" prev="#ID_1495"> dann leider die ernsthafte und traurige Veranlassung: &#x2014; ein achtjäh¬<lb/>
riger Knabe war überfahren und in der Weise verletzt worden, daß er<lb/>
bald darauf verstarb. Wenn man, wie wir, die kühnen Thaten der<lb/>
Jungen, unter denen sich viele sehr wohlgekleidete (wozu auch der Ver¬<lb/>
unglückte gehörte) befanden, auf dem Corso gesehen, so muß man sich<lb/>
freilich wundern, daß nur einer geblieben; aber für die Eltern und<lb/>
Angehörigen mag es immerhin schmerzhaft und höchst traurig sein.<lb/>
Die Gensdarmen ritten also hinaus, um, nachdem das Kind in<lb/>
den Brunnen gefallen, denselben zuzudecken, d. h, die Corsojungenkühn-<lb/>
heit zu verbieten. Da sie zu diesem, &#x201E;in staatsbürgerlicher Hinsicht"<lb/>
sehr wichtigem Geschäft voiitio ;r terie eilten, ist's ein wahres Glück<lb/>
und ein Wunder, daß sie nicht selbst, die holden Genien unseres<lb/>
bürgerlichen Wohles und Wehes, ein Paar arme Jungen niederge¬<lb/>
ritten haben.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_1497"> Der hiesige Bäckermeister Krebs, der unermüdliche Kämpe<lb/>
für die Abschaffung lästiger Steuern, fragte und sagte in den hiesigen<lb/>
Zeitungen, ob es nicht wünschenswert!), daß auch gescheidtere und nütz¬<lb/>
lichere Dinge wie der Corso so lebhaften Anklang und so vielseitige<lb/><note type="byline"> &#x2014; v. T..</note> Theilnahme fanden.  I nun! &#x2014; &#x2014; &#x2014; </p><lb/>
            </div>
          </div>
          <div n="2">
            <head> II.<lb/>
Aus Wien.</head><lb/>
            <note type="argument"> Wiederbelebung des Johanniterordens. &#x2014; Die Kinder des Erzherzogs Carl. &#x2014;<lb/>
Der Verfasser der &#x201E;Aufzeichnungen eines österreichischen Militärs." &#x2014; Der<lb/>
König von Sachsen und der seltsame Wirth. &#x2014; Aristokratische Schauspieler. &#x2014;<lb/>
Weibliche Emancipation. &#x2014; Die Rache eines Negers.</note><lb/>
            <p xml:id="ID_1498" next="#ID_1499"> Heute fand in der Kirche des Johanniterordens die Feierlichkeit<lb/>
Statt, wodurch Erzherzog Friedrich (der Contreadmiral) zum Großmei¬<lb/>
ster ernannt wurde. Er hat in die Hände des Kaisers sein Gelübde<lb/>
abgelegt, wozu auch die Entsagung der Ehe gehört, und wird fortan<lb/>
in Venedig, wo bereits vor einiger Zeit ein Ordenshaus angelegt wor¬<lb/>
den, seinen Sitz nehmen. Wer sich der ehemaligen Bestimmung des<lb/>
Maltheserordens erinnert und der Macht gedenkt, die einst demselben<lb/>
zu Gebote stand, wird die Wichtigkeit leicht in Anschlag zu bringen<lb/>
wissen, die die Erwählung des jugendlichen Prinzen, der zugleich, seit<lb/>
Bandiera's Ausscheiden aus der Activität, der oberste Leiter unseres<lb/>
Seewesens ist, unter gewissen Umstanden und bei einigem Willen für<lb/>
die maritime Bedeutung und italienische Auctorität Oesterreichs haben<lb/>
kann. Dem Vernehmen nach soll der jüngere Bruder des Admirals,<lb/>
Erzherzog Wilhelm, Eoadjutor des Großmeisters vom deutschen Orden<lb/>
werden, mit welcher Würde derzeit der Erzherzog Maximilian von<lb/>
Este betraut ist. Es scheint demnach, als würde diesen beiden Prin¬<lb/>
zen bei der UnWahrscheinlichkeit einer wohldotirten Heirath auf andere</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0544] dann leider die ernsthafte und traurige Veranlassung: — ein achtjäh¬ riger Knabe war überfahren und in der Weise verletzt worden, daß er bald darauf verstarb. Wenn man, wie wir, die kühnen Thaten der Jungen, unter denen sich viele sehr wohlgekleidete (wozu auch der Ver¬ unglückte gehörte) befanden, auf dem Corso gesehen, so muß man sich freilich wundern, daß nur einer geblieben; aber für die Eltern und Angehörigen mag es immerhin schmerzhaft und höchst traurig sein. Die Gensdarmen ritten also hinaus, um, nachdem das Kind in den Brunnen gefallen, denselben zuzudecken, d. h, die Corsojungenkühn- heit zu verbieten. Da sie zu diesem, „in staatsbürgerlicher Hinsicht" sehr wichtigem Geschäft voiitio ;r terie eilten, ist's ein wahres Glück und ein Wunder, daß sie nicht selbst, die holden Genien unseres bürgerlichen Wohles und Wehes, ein Paar arme Jungen niederge¬ ritten haben. Der hiesige Bäckermeister Krebs, der unermüdliche Kämpe für die Abschaffung lästiger Steuern, fragte und sagte in den hiesigen Zeitungen, ob es nicht wünschenswert!), daß auch gescheidtere und nütz¬ lichere Dinge wie der Corso so lebhaften Anklang und so vielseitige — v. T.. Theilnahme fanden. I nun! — — — II. Aus Wien. Wiederbelebung des Johanniterordens. — Die Kinder des Erzherzogs Carl. — Der Verfasser der „Aufzeichnungen eines österreichischen Militärs." — Der König von Sachsen und der seltsame Wirth. — Aristokratische Schauspieler. — Weibliche Emancipation. — Die Rache eines Negers. Heute fand in der Kirche des Johanniterordens die Feierlichkeit Statt, wodurch Erzherzog Friedrich (der Contreadmiral) zum Großmei¬ ster ernannt wurde. Er hat in die Hände des Kaisers sein Gelübde abgelegt, wozu auch die Entsagung der Ehe gehört, und wird fortan in Venedig, wo bereits vor einiger Zeit ein Ordenshaus angelegt wor¬ den, seinen Sitz nehmen. Wer sich der ehemaligen Bestimmung des Maltheserordens erinnert und der Macht gedenkt, die einst demselben zu Gebote stand, wird die Wichtigkeit leicht in Anschlag zu bringen wissen, die die Erwählung des jugendlichen Prinzen, der zugleich, seit Bandiera's Ausscheiden aus der Activität, der oberste Leiter unseres Seewesens ist, unter gewissen Umstanden und bei einigem Willen für die maritime Bedeutung und italienische Auctorität Oesterreichs haben kann. Dem Vernehmen nach soll der jüngere Bruder des Admirals, Erzherzog Wilhelm, Eoadjutor des Großmeisters vom deutschen Orden werden, mit welcher Würde derzeit der Erzherzog Maximilian von Este betraut ist. Es scheint demnach, als würde diesen beiden Prin¬ zen bei der UnWahrscheinlichkeit einer wohldotirten Heirath auf andere

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_270058
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_270058/544
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_270058/544>, abgerufen am 27.04.2024.