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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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Buch fehlen ihm doch die vollen Elemente. "Wir bestrebten uns
für das größere gebildete Publicum zu schreiben" -- sagt die Einlei¬
tung; "versuchten Stoffe, die in der Gelehrtenwelt schon mannigfach
genug abgewogen zu sein schienen, um im Resultat ergriffen zu wer-
den, für Diejenigen zugänglich zu machen, denen die Welt der Folian¬
ten und des gelehrten Apparats fern liegt. Und wenn wir bemerken,
daß unsere Tendenz war, aus dem Volke für das Volk in seiner
Kraft und seiner Schwache, in seinem Glanz und seinen Verirrungen
zu reden, und die Höfe, die der Lobredner schon so viele fanden --
bis auf den gewitztesten Opponenten unter den Hofleuten, den Hofnar¬
ren planmäßig zu vermeiden, so ist der Titel des Taschenbuchs
vielleicht gerechtfertigt u. f. w." Die Grundsatze sind, wie man
sieht, vollkommen richtig. Aber es kam nun auf Verwirklichung der¬
selben an, es kam darauf an, die "Lehre" aus der Gelehrsamkeit her¬
auszustellen. Dazu sind jedoch die Aufsätze dieses Taschenbuchs nicht
geeignet, weil zu verschiedenartigen Nationalitäten, Specialitäten und Peri¬
oden geltend. Sogar eigentlich nur zwei derselben "über die Bedeutung
des zweiten Pariser Friedens für Deutschland," sowie "über Hofnar¬
ren" schienen speciell auf das gesetzte Ziel loszusteuern, welches der
Verf. in den Worten anzeigt: "uns gilt die Aufmerksamkeit der Zeit¬
genossen." Ist nun sonach mit diesem ersten Jahrgang der Plan
des Taschenbuchs noch nicht erreicht, so ist es trotzdem ein sehr will¬
kommener Anfang, dem man herzlich Glück für seinen Fortgang wün¬
-- A. -- schen muß.


VII.
3? o t i z.
Der grammatikalische Censor.

-- In der Augsburger Allgemeinen ist unlängst ein grammati¬
kalischer Censor aufgetreten, welcher der Zeitungspresse einen schreckli¬
chen Sündenspiegel vorhielt; und gewiß, alle deutschen Redactoren
und Correspondenten, die in diesen Spiegel sahen, haben Grund, an
ihre Brust zu schlagen und zu rufen: Ja, wir haben uns tausend¬
mal versündigt an unserer ehrbaren Muttersprache! Zahllose Neben¬
wörter haben wir mißbraucht; unzählige Mittelwörter haben wir ver¬
krüppelt; in Superlativen haben wir geschwelgt und geschwindelt, und
wie oft haben wir in dramatischer Aufwallung statt des besonnenen
deutsch ruhigen: "Zwar" das "französelnde: Es ist wahr!"
gerufen! Gestehen wir's, wir verdienen die Ruthe des Sprachmeisters.
In allem Ernst, der Sprachccnsor hatte in vielen Ejnzelnheiten Recht
und fern sei es von uns, den eilfertigen und doch schwerfälligen Wic-
derkäuerstyl unserer Zeitungscorrespondenten als Muster aufzustellen.
Schon die Beschaffenheit des Gepäcks, das sie führen, und die über-


Buch fehlen ihm doch die vollen Elemente. „Wir bestrebten uns
für das größere gebildete Publicum zu schreiben" — sagt die Einlei¬
tung; „versuchten Stoffe, die in der Gelehrtenwelt schon mannigfach
genug abgewogen zu sein schienen, um im Resultat ergriffen zu wer-
den, für Diejenigen zugänglich zu machen, denen die Welt der Folian¬
ten und des gelehrten Apparats fern liegt. Und wenn wir bemerken,
daß unsere Tendenz war, aus dem Volke für das Volk in seiner
Kraft und seiner Schwache, in seinem Glanz und seinen Verirrungen
zu reden, und die Höfe, die der Lobredner schon so viele fanden —
bis auf den gewitztesten Opponenten unter den Hofleuten, den Hofnar¬
ren planmäßig zu vermeiden, so ist der Titel des Taschenbuchs
vielleicht gerechtfertigt u. f. w." Die Grundsatze sind, wie man
sieht, vollkommen richtig. Aber es kam nun auf Verwirklichung der¬
selben an, es kam darauf an, die „Lehre" aus der Gelehrsamkeit her¬
auszustellen. Dazu sind jedoch die Aufsätze dieses Taschenbuchs nicht
geeignet, weil zu verschiedenartigen Nationalitäten, Specialitäten und Peri¬
oden geltend. Sogar eigentlich nur zwei derselben „über die Bedeutung
des zweiten Pariser Friedens für Deutschland," sowie „über Hofnar¬
ren" schienen speciell auf das gesetzte Ziel loszusteuern, welches der
Verf. in den Worten anzeigt: „uns gilt die Aufmerksamkeit der Zeit¬
genossen." Ist nun sonach mit diesem ersten Jahrgang der Plan
des Taschenbuchs noch nicht erreicht, so ist es trotzdem ein sehr will¬
kommener Anfang, dem man herzlich Glück für seinen Fortgang wün¬
— A. — schen muß.


VII.
3? o t i z.
Der grammatikalische Censor.

— In der Augsburger Allgemeinen ist unlängst ein grammati¬
kalischer Censor aufgetreten, welcher der Zeitungspresse einen schreckli¬
chen Sündenspiegel vorhielt; und gewiß, alle deutschen Redactoren
und Correspondenten, die in diesen Spiegel sahen, haben Grund, an
ihre Brust zu schlagen und zu rufen: Ja, wir haben uns tausend¬
mal versündigt an unserer ehrbaren Muttersprache! Zahllose Neben¬
wörter haben wir mißbraucht; unzählige Mittelwörter haben wir ver¬
krüppelt; in Superlativen haben wir geschwelgt und geschwindelt, und
wie oft haben wir in dramatischer Aufwallung statt des besonnenen
deutsch ruhigen: „Zwar" das „französelnde: Es ist wahr!"
gerufen! Gestehen wir's, wir verdienen die Ruthe des Sprachmeisters.
In allem Ernst, der Sprachccnsor hatte in vielen Ejnzelnheiten Recht
und fern sei es von uns, den eilfertigen und doch schwerfälligen Wic-
derkäuerstyl unserer Zeitungscorrespondenten als Muster aufzustellen.
Schon die Beschaffenheit des Gepäcks, das sie führen, und die über-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/343>, abgerufen am 28.04.2024.