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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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Nationaltrachten dazu. Ach, und von den Fischen, Hummern, See¬
krebsen, u. s. w. ist noch gar nicht die Rede gewesen.

Ich habe Ihnen von dem anstößigen Theatervorfall und der daraus
entstandenen Reklamation des preußischen Gesandten neulich geschrie¬
ben. Die Sache hat einen merkwürdigen Ausgang genommen. Der
betreffende Schauspieler mußte allerdings auf Senatsverfügung acht
Tage in der Großncumarktswache campiren, wo indessen Austern,
Champagner und zahlreicher Besuch von Freunden ihm die Langweile
vertrieben. Wieder freigelassen, begleitete ihn -- es war Abend --
ein starker Haufen nach seiner im Jungfernstieg belegenen Wohnung.
Hier vermehrte sich die Menschenmasse außerordentlich" es wurden
Herrn B. donnernde VivatS gebracht, und als er am Fenster er¬
schien, brach ein Hurrahgeschrei über das andere los. Ich dachte
schon, sein für den nächsten Abend annoncirtes Wiederauftreten würde,
dieser Vorfalle halber, von Polizeiwegen untersagt werden. Doch ge¬
schah das nicht, und obwohl man ein so abgedroschenes Stück wie
"Richards Wanderleben" gab, war das große Stadtiheater gedrängt
voll. Ein minutenlanger Donnerapplaus empfing den beliebten Schau¬
spieler, das "Opfer" eines ministeriellen Einflusses in der freien Han¬
seestadt Hamburg. Es soll, erzählt man sich nun hier, in Berlin
Verdruß gemacht und dem Minister einen Verweis zugezogen haben,
daß sein unzeitiger Eifer auf eine Theateralbernheit so großes Gewicht
legte und einen Eclat herbeiführte.


V.
Landsmannschaftliche Liebesdienste.

Der Rheinische Beobachter brachte vor einigen Wochen einen lan¬
gen Artikel unter der Ueberschrift: "J.Kuranda und die flamän-
dische Bewegung." Es versteht sich von selbst, daß an dem Re¬
dacteur dieser Blatter kein gutes Haar gelassen wurde. Ich hatte es
für überflüssig gehalten, auf jenen Artikel zu antworten; das Publicum,
welches die Stellung der Parteien und ihrer Blätter kennt, versteht den
Zusammenhang. Indessen scheinen Andere anders zu denken, und
die Reclamationen einiger Freunde, die in jenem Artikel unter dem
Namen "Kurcmdagenossen" figuriren und mit beleidigt sind, nöthigen
mich, die geheimen Fäden jenes Angriffes aufzudecken und zugleich einen
piquanten Beitrag' zur Geschichte der Deutschen im Auslande zu liefern.

Der erwähnte Aufsatz ist quasi aus Antwerpen datirr und mit
Jakob Ticlemans unterschrieben. Ist dies ein Deutscher oder ein
Flamänder? Von den flamändischen Schriftstellern versucht es, so viel
wir wissen, kein einziger in deutscher Sprache zu schreiben; es ist
also ein Deutscher. Hören wir, was unser Landsmann aus Antwer¬
pen zu berichten hat:--"Leider gibt es unter den Deutschen Leute
"genug, die am .Zersetzen und Zersetzen ihre Freude haben und die


Nationaltrachten dazu. Ach, und von den Fischen, Hummern, See¬
krebsen, u. s. w. ist noch gar nicht die Rede gewesen.

Ich habe Ihnen von dem anstößigen Theatervorfall und der daraus
entstandenen Reklamation des preußischen Gesandten neulich geschrie¬
ben. Die Sache hat einen merkwürdigen Ausgang genommen. Der
betreffende Schauspieler mußte allerdings auf Senatsverfügung acht
Tage in der Großncumarktswache campiren, wo indessen Austern,
Champagner und zahlreicher Besuch von Freunden ihm die Langweile
vertrieben. Wieder freigelassen, begleitete ihn — es war Abend —
ein starker Haufen nach seiner im Jungfernstieg belegenen Wohnung.
Hier vermehrte sich die Menschenmasse außerordentlich» es wurden
Herrn B. donnernde VivatS gebracht, und als er am Fenster er¬
schien, brach ein Hurrahgeschrei über das andere los. Ich dachte
schon, sein für den nächsten Abend annoncirtes Wiederauftreten würde,
dieser Vorfalle halber, von Polizeiwegen untersagt werden. Doch ge¬
schah das nicht, und obwohl man ein so abgedroschenes Stück wie
„Richards Wanderleben" gab, war das große Stadtiheater gedrängt
voll. Ein minutenlanger Donnerapplaus empfing den beliebten Schau¬
spieler, das „Opfer" eines ministeriellen Einflusses in der freien Han¬
seestadt Hamburg. Es soll, erzählt man sich nun hier, in Berlin
Verdruß gemacht und dem Minister einen Verweis zugezogen haben,
daß sein unzeitiger Eifer auf eine Theateralbernheit so großes Gewicht
legte und einen Eclat herbeiführte.


V.
Landsmannschaftliche Liebesdienste.

Der Rheinische Beobachter brachte vor einigen Wochen einen lan¬
gen Artikel unter der Ueberschrift: „J.Kuranda und die flamän-
dische Bewegung." Es versteht sich von selbst, daß an dem Re¬
dacteur dieser Blatter kein gutes Haar gelassen wurde. Ich hatte es
für überflüssig gehalten, auf jenen Artikel zu antworten; das Publicum,
welches die Stellung der Parteien und ihrer Blätter kennt, versteht den
Zusammenhang. Indessen scheinen Andere anders zu denken, und
die Reclamationen einiger Freunde, die in jenem Artikel unter dem
Namen „Kurcmdagenossen" figuriren und mit beleidigt sind, nöthigen
mich, die geheimen Fäden jenes Angriffes aufzudecken und zugleich einen
piquanten Beitrag' zur Geschichte der Deutschen im Auslande zu liefern.

Der erwähnte Aufsatz ist quasi aus Antwerpen datirr und mit
Jakob Ticlemans unterschrieben. Ist dies ein Deutscher oder ein
Flamänder? Von den flamändischen Schriftstellern versucht es, so viel
wir wissen, kein einziger in deutscher Sprache zu schreiben; es ist
also ein Deutscher. Hören wir, was unser Landsmann aus Antwer¬
pen zu berichten hat:--„Leider gibt es unter den Deutschen Leute
„genug, die am .Zersetzen und Zersetzen ihre Freude haben und die


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[0568] Nationaltrachten dazu. Ach, und von den Fischen, Hummern, See¬ krebsen, u. s. w. ist noch gar nicht die Rede gewesen. Ich habe Ihnen von dem anstößigen Theatervorfall und der daraus entstandenen Reklamation des preußischen Gesandten neulich geschrie¬ ben. Die Sache hat einen merkwürdigen Ausgang genommen. Der betreffende Schauspieler mußte allerdings auf Senatsverfügung acht Tage in der Großncumarktswache campiren, wo indessen Austern, Champagner und zahlreicher Besuch von Freunden ihm die Langweile vertrieben. Wieder freigelassen, begleitete ihn — es war Abend — ein starker Haufen nach seiner im Jungfernstieg belegenen Wohnung. Hier vermehrte sich die Menschenmasse außerordentlich» es wurden Herrn B. donnernde VivatS gebracht, und als er am Fenster er¬ schien, brach ein Hurrahgeschrei über das andere los. Ich dachte schon, sein für den nächsten Abend annoncirtes Wiederauftreten würde, dieser Vorfalle halber, von Polizeiwegen untersagt werden. Doch ge¬ schah das nicht, und obwohl man ein so abgedroschenes Stück wie „Richards Wanderleben" gab, war das große Stadtiheater gedrängt voll. Ein minutenlanger Donnerapplaus empfing den beliebten Schau¬ spieler, das „Opfer" eines ministeriellen Einflusses in der freien Han¬ seestadt Hamburg. Es soll, erzählt man sich nun hier, in Berlin Verdruß gemacht und dem Minister einen Verweis zugezogen haben, daß sein unzeitiger Eifer auf eine Theateralbernheit so großes Gewicht legte und einen Eclat herbeiführte. V. Landsmannschaftliche Liebesdienste. Der Rheinische Beobachter brachte vor einigen Wochen einen lan¬ gen Artikel unter der Ueberschrift: „J.Kuranda und die flamän- dische Bewegung." Es versteht sich von selbst, daß an dem Re¬ dacteur dieser Blatter kein gutes Haar gelassen wurde. Ich hatte es für überflüssig gehalten, auf jenen Artikel zu antworten; das Publicum, welches die Stellung der Parteien und ihrer Blätter kennt, versteht den Zusammenhang. Indessen scheinen Andere anders zu denken, und die Reclamationen einiger Freunde, die in jenem Artikel unter dem Namen „Kurcmdagenossen" figuriren und mit beleidigt sind, nöthigen mich, die geheimen Fäden jenes Angriffes aufzudecken und zugleich einen piquanten Beitrag' zur Geschichte der Deutschen im Auslande zu liefern. Der erwähnte Aufsatz ist quasi aus Antwerpen datirr und mit Jakob Ticlemans unterschrieben. Ist dies ein Deutscher oder ein Flamänder? Von den flamändischen Schriftstellern versucht es, so viel wir wissen, kein einziger in deutscher Sprache zu schreiben; es ist also ein Deutscher. Hören wir, was unser Landsmann aus Antwer¬ pen zu berichten hat:--„Leider gibt es unter den Deutschen Leute „genug, die am .Zersetzen und Zersetzen ihre Freude haben und die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/568>, abgerufen am 29.04.2024.