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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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tet ihr noch, wenn auch nur zu euerem inneren Troste, seither unter
die sanfte Hand der anderen: die beiden Hände haben einander freund¬
schaftlich gedrückt. Welch' ein Druck!

Wunderbare Zeit! Die Völker, die Stamme sind immer mehr
und mehr auf ihre Eigenheit aus, schließen sich immer schroffer ge¬
gen einander ab, suchen sich in ihrer angestammten Sprache und Na¬
tionalität, in der überkommenen Form ihrer Religiosität fester und
fester wider einander zu verschanzen, die alten Antipathien wachen
auf, der Weltbürgersinn wird verpönt, der Süden entbrennt gegen
den Norden, der Nöten gegen den Westen, gegen das Auslqnderthum
werden auf allerlei Weise Schlagbäume errichtet. Und die Erde be¬
deckt sich zu gleicher Zeit mit Eisenstraßen, die euch zu einander füh¬
ren, Geschwader von Dampfschiffen überbrücken selbst die Meere, der
Handel verflicht euere Interessen in unentwirrbaren Knoten, die Furcht
vor Krieg und Zwiespalt ist schon zum Riesen herangewachsen; und
die Gewaltigen der Erde besuchen und besuchen sich allesammr, und
pflegen des herzlichen Einverständnisses. -- Wie werden sich die Wider¬
sprüche lösen? Zur Linderung euerer Leiden ? Oder zum allgemeinen
Brand? -- Wer lüftet den Schleier? --

Ich habe Ihnen noch von einem Feste, welches das archäologi¬
sche Institut kürzlich hier beging, erzählen wollen; aber ich muß es
mir vorbehalten: dieser Brief ist nur schon zu lang.


' IV. '
Aus Berli n.

Die Kolonisation der Moskitoküste. -- Deutsche Auswanderer. -- Der ge¬
scheiterte Verein. -- Was Noth thut.

Aus den Zeitungen ersehe ich, daß die Moskitocolonisationsgesell-
schaft ein Stück der Moskitoküfte für 400,000 Thlr. nun wirklich
erworben hat, und daß demnach zu dieser Kolonisation ernstlich ge¬
schritten werden soll. Bekanntlich ist über die Wahl der Moskito¬
küste heftig in den Zeitungen gezankt worden. Beide Parteien, die
welche die Moskitoküste vertheidigte und die welche dieselbe zu Gun¬
sten brasilianischer Ansiedelung heruntersetzte, haben sich unlautere Mo¬
tive vorgeworfen; der Rhein. Beobachter, welcher sich außer der Texas¬
gesellschaft, auch der Moskitogesellschaft sehr warm annahm, ging
so weit, daß er die Gegner Agenten von Seelenvcrkauseretablifse-
ments nannte. Beide Parteien werden einander in dieser Hinsicht
wohl nichts vorzuwerfen haben. Den leidenschaftlichen Angreifern
und Vertheidigern auf beiden Seiten ist es natürlich nicht um
das Beste unserer Auswanderer, sondern um ihre Speculation zu
thun. Daß sie beiderseits glauben, gut gewählt zu haben, mag


Graz"°t"n, ISiv. l. 12

tet ihr noch, wenn auch nur zu euerem inneren Troste, seither unter
die sanfte Hand der anderen: die beiden Hände haben einander freund¬
schaftlich gedrückt. Welch' ein Druck!

Wunderbare Zeit! Die Völker, die Stamme sind immer mehr
und mehr auf ihre Eigenheit aus, schließen sich immer schroffer ge¬
gen einander ab, suchen sich in ihrer angestammten Sprache und Na¬
tionalität, in der überkommenen Form ihrer Religiosität fester und
fester wider einander zu verschanzen, die alten Antipathien wachen
auf, der Weltbürgersinn wird verpönt, der Süden entbrennt gegen
den Norden, der Nöten gegen den Westen, gegen das Auslqnderthum
werden auf allerlei Weise Schlagbäume errichtet. Und die Erde be¬
deckt sich zu gleicher Zeit mit Eisenstraßen, die euch zu einander füh¬
ren, Geschwader von Dampfschiffen überbrücken selbst die Meere, der
Handel verflicht euere Interessen in unentwirrbaren Knoten, die Furcht
vor Krieg und Zwiespalt ist schon zum Riesen herangewachsen; und
die Gewaltigen der Erde besuchen und besuchen sich allesammr, und
pflegen des herzlichen Einverständnisses. — Wie werden sich die Wider¬
sprüche lösen? Zur Linderung euerer Leiden ? Oder zum allgemeinen
Brand? — Wer lüftet den Schleier? —

Ich habe Ihnen noch von einem Feste, welches das archäologi¬
sche Institut kürzlich hier beging, erzählen wollen; aber ich muß es
mir vorbehalten: dieser Brief ist nur schon zu lang.


' IV. '
Aus Berli n.

Die Kolonisation der Moskitoküste. — Deutsche Auswanderer. — Der ge¬
scheiterte Verein. — Was Noth thut.

Aus den Zeitungen ersehe ich, daß die Moskitocolonisationsgesell-
schaft ein Stück der Moskitoküfte für 400,000 Thlr. nun wirklich
erworben hat, und daß demnach zu dieser Kolonisation ernstlich ge¬
schritten werden soll. Bekanntlich ist über die Wahl der Moskito¬
küste heftig in den Zeitungen gezankt worden. Beide Parteien, die
welche die Moskitoküste vertheidigte und die welche dieselbe zu Gun¬
sten brasilianischer Ansiedelung heruntersetzte, haben sich unlautere Mo¬
tive vorgeworfen; der Rhein. Beobachter, welcher sich außer der Texas¬
gesellschaft, auch der Moskitogesellschaft sehr warm annahm, ging
so weit, daß er die Gegner Agenten von Seelenvcrkauseretablifse-
ments nannte. Beide Parteien werden einander in dieser Hinsicht
wohl nichts vorzuwerfen haben. Den leidenschaftlichen Angreifern
und Vertheidigern auf beiden Seiten ist es natürlich nicht um
das Beste unserer Auswanderer, sondern um ihre Speculation zu
thun. Daß sie beiderseits glauben, gut gewählt zu haben, mag


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/97>, abgerufen am 29.04.2024.