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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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Mre Fahrt nach Frankfurt.



11.

Bereits in dem Vorparlament hatte sich eine rechte und eine linke Seite gel¬
tend gemacht; diese wollte die Permanenzerklärung der Revolution, jene die Ab¬
leitung derselben in den Weg der gesetzlichen Reform. Wenn auch die eigentlich
revolutionäre Partei im Ausschuß nicht vertreten war -- durch ihr unzeiriges Aus-
treten hatte sie sich selber den Weg versperrt so hatte sie doch einen ziemlich
langen Schweif zurückgelassen und beinahe, bei jeder Abstimmung ließ sich auf
irgend eine Weise die principielle Sonderung der beiden Parteien heraus erkennen.

Es wäre schwer, genau zu definiren, worin dieser Gegensatz eigentlich bestand.
Am nächsten würde folgende Bestimmung kommen: Die linke Seite war der An¬
sicht, daß durch die Revolution alle gesetzlichen Gewalten ihre Autorität verloren
hätten und daß im Fünfziger-Ausschuß alles wirkliche Staatsleben concentrirt
sei; daß demnach derselbe ebenso das Recht wie die Pflicht habe, sich -- etwa
nach Art der römischen Proconsuln oder der französischen Conventsdeputirtm - -
entweder durch Vermittelung seines "Briefträgers," deö deutschen Bundes, oder
unmittelbar in alle ernsthaften Fragen, die in diesem oder jenem Staat die offene
liebe Ordnung störten, mit Rath und That einzumischen.

Ein Beispiel will ich hier anführen. Es war von Seiten des Ausschusses
eine Commission ernannt worden, um die Streitigkeiten zwischen den rheinischen
Schiffern und den Schleppdampfschissen auszugleichen, -- eine Commission, die wie
die meisten oder ziemlich alle des Ausschusses das Unglück hatte, nichts auszu¬
richten. An der Spitze dieser Commission stand Herr Robert Blum, das Haupt
der radicalen Fraction. Wenige Tage nach meiner Ankunft in Frankfurt stattete
er in öffentlicher Sitzung seinen Bericht ab. Die Conumssarien hatten in Köln
von den eben in Aachen ausgebrochenen Unruhen gehört; sie hatten die Eisenbahn-
direction aufgefordert, ihnen einen Extmzug zur Disposition zu stellen, um diese
Unruhen beizulegen; die Direction war bereitwillig darauf eingegangen. In Aachen
angekommen, mit den nöthigen schwarz - roth - goldnen Binden, hatten sie sofort
den Magistrat und die Stadtverordneten zusammen berufe" und sich die Sache


Grcnztote". >s.
Mre Fahrt nach Frankfurt.



11.

Bereits in dem Vorparlament hatte sich eine rechte und eine linke Seite gel¬
tend gemacht; diese wollte die Permanenzerklärung der Revolution, jene die Ab¬
leitung derselben in den Weg der gesetzlichen Reform. Wenn auch die eigentlich
revolutionäre Partei im Ausschuß nicht vertreten war — durch ihr unzeiriges Aus-
treten hatte sie sich selber den Weg versperrt so hatte sie doch einen ziemlich
langen Schweif zurückgelassen und beinahe, bei jeder Abstimmung ließ sich auf
irgend eine Weise die principielle Sonderung der beiden Parteien heraus erkennen.

Es wäre schwer, genau zu definiren, worin dieser Gegensatz eigentlich bestand.
Am nächsten würde folgende Bestimmung kommen: Die linke Seite war der An¬
sicht, daß durch die Revolution alle gesetzlichen Gewalten ihre Autorität verloren
hätten und daß im Fünfziger-Ausschuß alles wirkliche Staatsleben concentrirt
sei; daß demnach derselbe ebenso das Recht wie die Pflicht habe, sich — etwa
nach Art der römischen Proconsuln oder der französischen Conventsdeputirtm - -
entweder durch Vermittelung seines „Briefträgers," deö deutschen Bundes, oder
unmittelbar in alle ernsthaften Fragen, die in diesem oder jenem Staat die offene
liebe Ordnung störten, mit Rath und That einzumischen.

Ein Beispiel will ich hier anführen. Es war von Seiten des Ausschusses
eine Commission ernannt worden, um die Streitigkeiten zwischen den rheinischen
Schiffern und den Schleppdampfschissen auszugleichen, — eine Commission, die wie
die meisten oder ziemlich alle des Ausschusses das Unglück hatte, nichts auszu¬
richten. An der Spitze dieser Commission stand Herr Robert Blum, das Haupt
der radicalen Fraction. Wenige Tage nach meiner Ankunft in Frankfurt stattete
er in öffentlicher Sitzung seinen Bericht ab. Die Conumssarien hatten in Köln
von den eben in Aachen ausgebrochenen Unruhen gehört; sie hatten die Eisenbahn-
direction aufgefordert, ihnen einen Extmzug zur Disposition zu stellen, um diese
Unruhen beizulegen; die Direction war bereitwillig darauf eingegangen. In Aachen
angekommen, mit den nöthigen schwarz - roth - goldnen Binden, hatten sie sofort
den Magistrat und die Stadtverordneten zusammen berufe» und sich die Sache


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[0251] Mre Fahrt nach Frankfurt. 11. Bereits in dem Vorparlament hatte sich eine rechte und eine linke Seite gel¬ tend gemacht; diese wollte die Permanenzerklärung der Revolution, jene die Ab¬ leitung derselben in den Weg der gesetzlichen Reform. Wenn auch die eigentlich revolutionäre Partei im Ausschuß nicht vertreten war — durch ihr unzeiriges Aus- treten hatte sie sich selber den Weg versperrt so hatte sie doch einen ziemlich langen Schweif zurückgelassen und beinahe, bei jeder Abstimmung ließ sich auf irgend eine Weise die principielle Sonderung der beiden Parteien heraus erkennen. Es wäre schwer, genau zu definiren, worin dieser Gegensatz eigentlich bestand. Am nächsten würde folgende Bestimmung kommen: Die linke Seite war der An¬ sicht, daß durch die Revolution alle gesetzlichen Gewalten ihre Autorität verloren hätten und daß im Fünfziger-Ausschuß alles wirkliche Staatsleben concentrirt sei; daß demnach derselbe ebenso das Recht wie die Pflicht habe, sich — etwa nach Art der römischen Proconsuln oder der französischen Conventsdeputirtm - - entweder durch Vermittelung seines „Briefträgers," deö deutschen Bundes, oder unmittelbar in alle ernsthaften Fragen, die in diesem oder jenem Staat die offene liebe Ordnung störten, mit Rath und That einzumischen. Ein Beispiel will ich hier anführen. Es war von Seiten des Ausschusses eine Commission ernannt worden, um die Streitigkeiten zwischen den rheinischen Schiffern und den Schleppdampfschissen auszugleichen, — eine Commission, die wie die meisten oder ziemlich alle des Ausschusses das Unglück hatte, nichts auszu¬ richten. An der Spitze dieser Commission stand Herr Robert Blum, das Haupt der radicalen Fraction. Wenige Tage nach meiner Ankunft in Frankfurt stattete er in öffentlicher Sitzung seinen Bericht ab. Die Conumssarien hatten in Köln von den eben in Aachen ausgebrochenen Unruhen gehört; sie hatten die Eisenbahn- direction aufgefordert, ihnen einen Extmzug zur Disposition zu stellen, um diese Unruhen beizulegen; die Direction war bereitwillig darauf eingegangen. In Aachen angekommen, mit den nöthigen schwarz - roth - goldnen Binden, hatten sie sofort den Magistrat und die Stadtverordneten zusammen berufe» und sich die Sache Grcnztote». >s.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/251>, abgerufen am 06.05.2024.