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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Die Union und der Bundestag.
Preußischer Brief.

Bei dem Vertrage von: 26. Mai v. I. war die allgemeine, damals auch
von dem größeren Theil der contrahirenden Fürsten getheilte Ansicht die, daß der
in demselben enthaltene Verfassungsentwurf die säimntlichen daran betheiligten
Staaten binden sollte, unter der einzigen Bedingung, daß dieser Vertrag von dem,
ans Grund eines bestimmten Wahlgesetzes einberufenen Parlament angenommen würde.

Unter diesen Umstanden konnte man von dem neuen Parlament ein günsti¬
geres Resultat erwarten, als von dem Frankfurter des Jahres 48. Denn das
Grundübel dieser Versammlung, daß sie einen Staateucomplex vertrat, dessen ein¬
zelne Glieder sich "och keineswegs an die neuen staatlichen Gestaltungen gebun¬
den, ja die sich noch gar nicht einmal die Frage vorgelegt hatten, ob sie sich ihrer
eigenthümlichen Lage nach überhaupt irgend welcher politischen Neugestaltung
würden fügen können, dieses Tr^oro,' 1/^^09 führte zu dem seltsamen Resultat, daß
die Nationalversammlung mit scheinbar souveräner Machtvollkommenheit eine Ver¬
fassung oetroirte, die nur für eiuen Theil der vertretenen Staaten gelten sollte,
und daß folglich nicht uur die Fürsten, sondern selbst die Nation in Zweifel sein
konnte, ob diese Versammlung dnrch einen solchen Schritt nicht aus ihrer eignen
Natur, aus ihrer rechtlichen Basis herausgetreten war.

Ein solches Bedeuten konnte bei dem Erfurter Parlament nicht obwalten.
Das Mandat desselben war genan begrenzt: es konnte die Verfassung ablehnen,
dann war sie null und nichtig; es konnte sie annehmen, dann war sie rechtSgiltig;
über etwaige Veränderungen derselben mußte es mit den einzelnen Regierungen
PaciSciren. Der Entschluß der liberalen Partei, die Verfassung ohne Revision in
Panhas und Bogen anzunehmen, um zunächst eine rechtliche Grundlage zu gewin-


Grenzbotcn, II. t"ZV. 41
Die Union und der Bundestag.
Preußischer Brief.

Bei dem Vertrage von: 26. Mai v. I. war die allgemeine, damals auch
von dem größeren Theil der contrahirenden Fürsten getheilte Ansicht die, daß der
in demselben enthaltene Verfassungsentwurf die säimntlichen daran betheiligten
Staaten binden sollte, unter der einzigen Bedingung, daß dieser Vertrag von dem,
ans Grund eines bestimmten Wahlgesetzes einberufenen Parlament angenommen würde.

Unter diesen Umstanden konnte man von dem neuen Parlament ein günsti¬
geres Resultat erwarten, als von dem Frankfurter des Jahres 48. Denn das
Grundübel dieser Versammlung, daß sie einen Staateucomplex vertrat, dessen ein¬
zelne Glieder sich »och keineswegs an die neuen staatlichen Gestaltungen gebun¬
den, ja die sich noch gar nicht einmal die Frage vorgelegt hatten, ob sie sich ihrer
eigenthümlichen Lage nach überhaupt irgend welcher politischen Neugestaltung
würden fügen können, dieses Tr^oro,' 1/^^09 führte zu dem seltsamen Resultat, daß
die Nationalversammlung mit scheinbar souveräner Machtvollkommenheit eine Ver¬
fassung oetroirte, die nur für eiuen Theil der vertretenen Staaten gelten sollte,
und daß folglich nicht uur die Fürsten, sondern selbst die Nation in Zweifel sein
konnte, ob diese Versammlung dnrch einen solchen Schritt nicht aus ihrer eignen
Natur, aus ihrer rechtlichen Basis herausgetreten war.

Ein solches Bedeuten konnte bei dem Erfurter Parlament nicht obwalten.
Das Mandat desselben war genan begrenzt: es konnte die Verfassung ablehnen,
dann war sie null und nichtig; es konnte sie annehmen, dann war sie rechtSgiltig;
über etwaige Veränderungen derselben mußte es mit den einzelnen Regierungen
PaciSciren. Der Entschluß der liberalen Partei, die Verfassung ohne Revision in
Panhas und Bogen anzunehmen, um zunächst eine rechtliche Grundlage zu gewin-


Grenzbotcn, II. t«ZV. 41
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[0329] Die Union und der Bundestag. Preußischer Brief. Bei dem Vertrage von: 26. Mai v. I. war die allgemeine, damals auch von dem größeren Theil der contrahirenden Fürsten getheilte Ansicht die, daß der in demselben enthaltene Verfassungsentwurf die säimntlichen daran betheiligten Staaten binden sollte, unter der einzigen Bedingung, daß dieser Vertrag von dem, ans Grund eines bestimmten Wahlgesetzes einberufenen Parlament angenommen würde. Unter diesen Umstanden konnte man von dem neuen Parlament ein günsti¬ geres Resultat erwarten, als von dem Frankfurter des Jahres 48. Denn das Grundübel dieser Versammlung, daß sie einen Staateucomplex vertrat, dessen ein¬ zelne Glieder sich »och keineswegs an die neuen staatlichen Gestaltungen gebun¬ den, ja die sich noch gar nicht einmal die Frage vorgelegt hatten, ob sie sich ihrer eigenthümlichen Lage nach überhaupt irgend welcher politischen Neugestaltung würden fügen können, dieses Tr^oro,' 1/^^09 führte zu dem seltsamen Resultat, daß die Nationalversammlung mit scheinbar souveräner Machtvollkommenheit eine Ver¬ fassung oetroirte, die nur für eiuen Theil der vertretenen Staaten gelten sollte, und daß folglich nicht uur die Fürsten, sondern selbst die Nation in Zweifel sein konnte, ob diese Versammlung dnrch einen solchen Schritt nicht aus ihrer eignen Natur, aus ihrer rechtlichen Basis herausgetreten war. Ein solches Bedeuten konnte bei dem Erfurter Parlament nicht obwalten. Das Mandat desselben war genan begrenzt: es konnte die Verfassung ablehnen, dann war sie null und nichtig; es konnte sie annehmen, dann war sie rechtSgiltig; über etwaige Veränderungen derselben mußte es mit den einzelnen Regierungen PaciSciren. Der Entschluß der liberalen Partei, die Verfassung ohne Revision in Panhas und Bogen anzunehmen, um zunächst eine rechtliche Grundlage zu gewin- Grenzbotcn, II. t«ZV. 41

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/329>, abgerufen am 05.05.2024.