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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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um, auf welcher mau dann weiter bauen könne, war daher in der Natur der
Sache begründet. Dieser Entschluß konnte aber nur dann von einer nachhaltigen
Wirkung sein, wenn sich für das dadurch hervorgebrachte Rechtsverhältniß eine
ausführende Macht fand. Von deu nicht uuirteu Staaten wurde Preußen und
seineu Verbündeten sogar das Recht der Union abgesprochen, die Demokratie
ging mit ihnen Hand in Hand. Gegen die Renitenten Rechtszwang eintreten zu
lassen, war nur dann möglich, wenn der mächtigste uuter deu Verbündete", wenn
Preußen sich zur Ausführung desselben hergab. Nur uuter der Voraussetzung,
daß dies geschehen würde, hatte die on-divo Annahme der propvuirteu Verfassung
einen Sinn. (5s sprach so Manches für diese Voraussetzung.

Denn nur von diesem Standpunkt ans war es zu erkläre", wenn der Verwal-
tungsrath, der provisorische Vertreter der deutschen Union, deu Abfall Hannovers
und Sachsens für rechtswidrig erklärte und gegen beide Staaten die Klage vor
dem, durch das Maibüudiüß eingesetzten Bundesschiedsgericht anzustellen beschloß.

Vom Standpunkt der Zweckmäßigkeit konnte man nur einwenden, daß es
vielleicht genügt hätte, vorläufig jenem Rechtsbruch durch einen bloßen Protest zu
begegnen, und mit Wahrung der Rechtsansprüche gegen Hannover und Sachsen
die Union aus das Gebiet der treugebliebeueu Staaten zu beschränken.

So viel war aber gewiß, daß diejenige" Staaten, welche das Parlament
wirklich beschickte", sich dadurch vo" neuem banden. Denn, sonst trat wieder der
Fall ein, daß einzelne Staaten zu einem Beschluß mitwirkte", den sie nachher nicht
anerkannten: el" Verhältniß, das ebenso sinnlos als rechtswidrig ist.

Freilich hatten die Januar-Propositionen, die Preußen seine" eigenen Stän-
den vorgelegt, el" sehr bedenkliches Präcedeuz gestellt. Denn die Verfassung von
5. December war ein Vertrag, durch welchem der eine Paciseeut, die Krone, sich
dem andern, dem preußischen Volk, gegeuüber gebunden hatte. Durch die Annahme
der Verfassung Seitens der Volksvertreter war die Verfassung sanctionirt, ja
man hatte sogar freiwillig der Krone Zugeständnisse gemacht, die weit über ihre
ursprünglichen Forderungen hinausgingen.

Nun trat aber die Krone ans und erklärte, an jenem Vertrage nicht weiter
halten zu wollen, wen" ihr nicht noch weitere Zugeständnisse gemacht würden,
weil sich gegenwärtig ihre Ansichten über die Nützlichkeit lind Zweckmäßigkeit jenes
Vertrages geändert hätten.

Wäre ein Vertrag nur unter der Bedingung giltig, daß beide Paciseenten
fortdauernd von seiner Zweckmäßigkeit überzeugt blieben, so wäre er über¬
haupt überflüssig. Em Vertrag hat nur baun einen Sir", wenn er anch
in dem Fall gehalten werden ausi, daß der eine Betheiligte sich benachtheiligt
glaubt.

Mail wird deu Einwurf nicht macheu wollen, daß eine solche Ansicht nur
auf Privatverhältttisse Beziehung habe, uicht aber auf Verträge zwischen Staaten,


um, auf welcher mau dann weiter bauen könne, war daher in der Natur der
Sache begründet. Dieser Entschluß konnte aber nur dann von einer nachhaltigen
Wirkung sein, wenn sich für das dadurch hervorgebrachte Rechtsverhältniß eine
ausführende Macht fand. Von deu nicht uuirteu Staaten wurde Preußen und
seineu Verbündeten sogar das Recht der Union abgesprochen, die Demokratie
ging mit ihnen Hand in Hand. Gegen die Renitenten Rechtszwang eintreten zu
lassen, war nur dann möglich, wenn der mächtigste uuter deu Verbündete», wenn
Preußen sich zur Ausführung desselben hergab. Nur uuter der Voraussetzung,
daß dies geschehen würde, hatte die on-divo Annahme der propvuirteu Verfassung
einen Sinn. (5s sprach so Manches für diese Voraussetzung.

Denn nur von diesem Standpunkt ans war es zu erkläre», wenn der Verwal-
tungsrath, der provisorische Vertreter der deutschen Union, deu Abfall Hannovers
und Sachsens für rechtswidrig erklärte und gegen beide Staaten die Klage vor
dem, durch das Maibüudiüß eingesetzten Bundesschiedsgericht anzustellen beschloß.

Vom Standpunkt der Zweckmäßigkeit konnte man nur einwenden, daß es
vielleicht genügt hätte, vorläufig jenem Rechtsbruch durch einen bloßen Protest zu
begegnen, und mit Wahrung der Rechtsansprüche gegen Hannover und Sachsen
die Union aus das Gebiet der treugebliebeueu Staaten zu beschränken.

So viel war aber gewiß, daß diejenige» Staaten, welche das Parlament
wirklich beschickte», sich dadurch vo» neuem banden. Denn, sonst trat wieder der
Fall ein, daß einzelne Staaten zu einem Beschluß mitwirkte», den sie nachher nicht
anerkannten: el» Verhältniß, das ebenso sinnlos als rechtswidrig ist.

Freilich hatten die Januar-Propositionen, die Preußen seine» eigenen Stän-
den vorgelegt, el» sehr bedenkliches Präcedeuz gestellt. Denn die Verfassung von
5. December war ein Vertrag, durch welchem der eine Paciseeut, die Krone, sich
dem andern, dem preußischen Volk, gegeuüber gebunden hatte. Durch die Annahme
der Verfassung Seitens der Volksvertreter war die Verfassung sanctionirt, ja
man hatte sogar freiwillig der Krone Zugeständnisse gemacht, die weit über ihre
ursprünglichen Forderungen hinausgingen.

Nun trat aber die Krone ans und erklärte, an jenem Vertrage nicht weiter
halten zu wollen, wen» ihr nicht noch weitere Zugeständnisse gemacht würden,
weil sich gegenwärtig ihre Ansichten über die Nützlichkeit lind Zweckmäßigkeit jenes
Vertrages geändert hätten.

Wäre ein Vertrag nur unter der Bedingung giltig, daß beide Paciseenten
fortdauernd von seiner Zweckmäßigkeit überzeugt blieben, so wäre er über¬
haupt überflüssig. Em Vertrag hat nur baun einen Sir», wenn er anch
in dem Fall gehalten werden ausi, daß der eine Betheiligte sich benachtheiligt
glaubt.

Mail wird deu Einwurf nicht macheu wollen, daß eine solche Ansicht nur
auf Privatverhältttisse Beziehung habe, uicht aber auf Verträge zwischen Staaten,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/330>, abgerufen am 26.05.2024.