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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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erklärte, daß es eine Schande sei, eine so großartige Künstlerin wie einen Schrei¬
ber abzuspeisen. Ihr Gehalt wurde nnn ans 15W Thaler festgesetzt, zuletzt
gelang es ihr durch eine ähnliche Vermittlung noch eine jährliche Zulage von
tausend Thalern unter der Bezeichnung Garderobekostenvcrgütuug zu erlangen.
Dies war schon etwas so Außerordentliches, daß der Geueräldirector äußerte , eine
so ungeheure Besoldung werde wohl nie wieder an einem kaiserlichen Theater vor¬
kommen. Die Zöglinge der dramatischen Schule werden mit 18 Rubeln monatlich
angestellt und erhalten die Erlaubniß von zwei zu zwei Jahren, je nach der Wich¬
tigkeit ihrer Leistungen, um Gehaltserhöhung anhalten zu dürfen.

Die Dicnstvcrpflichtung erstreckt sich auf fünf und zwanzig Jahre und ist eine
dem zuletzt bezogenen Gehalte gleichkommende Summe als alljährliche Pension zu¬
gesagt. Dies ist für den Künstler etwas sehr Wichtiges, das ihn viele andere
Uebelstände ertragen läßt.

Der schöne Aufschwung, welchen das polnische Theater bei den geringen ma¬
teriellen Mitteln vom Jahr 1815 bis 30 genommen hat, ist dahin und wird uuter den
nach der Revolution eingetretenen Verhältnissen keine entsprechende Zukunft finden
können. Wenn auch manches äußerlich Vortheilhafte ins Leben getreten, so ist
doch die Aussicht auf eine Zukunft des Theaters zu Grunde gerichtet. ES liegt
da, wie ein grüner Strauch, auf welchen ein großer Felsblock gewälzt wurde.
Und wie auch Graf Fedro durch seine Lustspiele mit feinster Satyre für die Wie¬
derherstellung desselben zu wirken sucht, er wird nichts erreichen, so lange die
Generäle wie auf ihrem Kucgsroß ans der Kunstanstalt reiten.

Polens Theater ist vernichtet und um seine Zukunft gewaltsam gebracht wor¬
den, Rußland hat kein Theater gewonnen, weil die Bedingungen dafür dem Volke
fehlen. Es ist ein großes Reich, aber arm an Schönheit, es ist mächtig in vielen
Dingen, aber arm an künstlerischer Kraft, es ist schnell bereit zu zerstören, aber
sehr unfähig, selbstständig mit innerer Freiheit Etwas zu schaffen.




Der Ban und die Errungenschaften der Croaten.

Der Baums hatte im Sommer 1848 die Schicksale Ungarns und Kroa¬
tiens in seinen Händen; jetzt ist Ungarn dnrch fremde Hilfe und innere Zer-
würfniß gefallen, und dem Ban muß übel zu Muthe gewesen sein, als er die
glänzenden Räume der Hofburg verließ, um sich in die Mitte eines Volkes zu begeben,


erklärte, daß es eine Schande sei, eine so großartige Künstlerin wie einen Schrei¬
ber abzuspeisen. Ihr Gehalt wurde nnn ans 15W Thaler festgesetzt, zuletzt
gelang es ihr durch eine ähnliche Vermittlung noch eine jährliche Zulage von
tausend Thalern unter der Bezeichnung Garderobekostenvcrgütuug zu erlangen.
Dies war schon etwas so Außerordentliches, daß der Geueräldirector äußerte , eine
so ungeheure Besoldung werde wohl nie wieder an einem kaiserlichen Theater vor¬
kommen. Die Zöglinge der dramatischen Schule werden mit 18 Rubeln monatlich
angestellt und erhalten die Erlaubniß von zwei zu zwei Jahren, je nach der Wich¬
tigkeit ihrer Leistungen, um Gehaltserhöhung anhalten zu dürfen.

Die Dicnstvcrpflichtung erstreckt sich auf fünf und zwanzig Jahre und ist eine
dem zuletzt bezogenen Gehalte gleichkommende Summe als alljährliche Pension zu¬
gesagt. Dies ist für den Künstler etwas sehr Wichtiges, das ihn viele andere
Uebelstände ertragen läßt.

Der schöne Aufschwung, welchen das polnische Theater bei den geringen ma¬
teriellen Mitteln vom Jahr 1815 bis 30 genommen hat, ist dahin und wird uuter den
nach der Revolution eingetretenen Verhältnissen keine entsprechende Zukunft finden
können. Wenn auch manches äußerlich Vortheilhafte ins Leben getreten, so ist
doch die Aussicht auf eine Zukunft des Theaters zu Grunde gerichtet. ES liegt
da, wie ein grüner Strauch, auf welchen ein großer Felsblock gewälzt wurde.
Und wie auch Graf Fedro durch seine Lustspiele mit feinster Satyre für die Wie¬
derherstellung desselben zu wirken sucht, er wird nichts erreichen, so lange die
Generäle wie auf ihrem Kucgsroß ans der Kunstanstalt reiten.

Polens Theater ist vernichtet und um seine Zukunft gewaltsam gebracht wor¬
den, Rußland hat kein Theater gewonnen, weil die Bedingungen dafür dem Volke
fehlen. Es ist ein großes Reich, aber arm an Schönheit, es ist mächtig in vielen
Dingen, aber arm an künstlerischer Kraft, es ist schnell bereit zu zerstören, aber
sehr unfähig, selbstständig mit innerer Freiheit Etwas zu schaffen.




Der Ban und die Errungenschaften der Croaten.

Der Baums hatte im Sommer 1848 die Schicksale Ungarns und Kroa¬
tiens in seinen Händen; jetzt ist Ungarn dnrch fremde Hilfe und innere Zer-
würfniß gefallen, und dem Ban muß übel zu Muthe gewesen sein, als er die
glänzenden Räume der Hofburg verließ, um sich in die Mitte eines Volkes zu begeben,


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[0114] erklärte, daß es eine Schande sei, eine so großartige Künstlerin wie einen Schrei¬ ber abzuspeisen. Ihr Gehalt wurde nnn ans 15W Thaler festgesetzt, zuletzt gelang es ihr durch eine ähnliche Vermittlung noch eine jährliche Zulage von tausend Thalern unter der Bezeichnung Garderobekostenvcrgütuug zu erlangen. Dies war schon etwas so Außerordentliches, daß der Geueräldirector äußerte , eine so ungeheure Besoldung werde wohl nie wieder an einem kaiserlichen Theater vor¬ kommen. Die Zöglinge der dramatischen Schule werden mit 18 Rubeln monatlich angestellt und erhalten die Erlaubniß von zwei zu zwei Jahren, je nach der Wich¬ tigkeit ihrer Leistungen, um Gehaltserhöhung anhalten zu dürfen. Die Dicnstvcrpflichtung erstreckt sich auf fünf und zwanzig Jahre und ist eine dem zuletzt bezogenen Gehalte gleichkommende Summe als alljährliche Pension zu¬ gesagt. Dies ist für den Künstler etwas sehr Wichtiges, das ihn viele andere Uebelstände ertragen läßt. Der schöne Aufschwung, welchen das polnische Theater bei den geringen ma¬ teriellen Mitteln vom Jahr 1815 bis 30 genommen hat, ist dahin und wird uuter den nach der Revolution eingetretenen Verhältnissen keine entsprechende Zukunft finden können. Wenn auch manches äußerlich Vortheilhafte ins Leben getreten, so ist doch die Aussicht auf eine Zukunft des Theaters zu Grunde gerichtet. ES liegt da, wie ein grüner Strauch, auf welchen ein großer Felsblock gewälzt wurde. Und wie auch Graf Fedro durch seine Lustspiele mit feinster Satyre für die Wie¬ derherstellung desselben zu wirken sucht, er wird nichts erreichen, so lange die Generäle wie auf ihrem Kucgsroß ans der Kunstanstalt reiten. Polens Theater ist vernichtet und um seine Zukunft gewaltsam gebracht wor¬ den, Rußland hat kein Theater gewonnen, weil die Bedingungen dafür dem Volke fehlen. Es ist ein großes Reich, aber arm an Schönheit, es ist mächtig in vielen Dingen, aber arm an künstlerischer Kraft, es ist schnell bereit zu zerstören, aber sehr unfähig, selbstständig mit innerer Freiheit Etwas zu schaffen. Der Ban und die Errungenschaften der Croaten. Der Baums hatte im Sommer 1848 die Schicksale Ungarns und Kroa¬ tiens in seinen Händen; jetzt ist Ungarn dnrch fremde Hilfe und innere Zer- würfniß gefallen, und dem Ban muß übel zu Muthe gewesen sein, als er die glänzenden Räume der Hofburg verließ, um sich in die Mitte eines Volkes zu begeben,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/114>, abgerufen am 07.05.2024.