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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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Die Union und die Liga.

Das Fürsteucollegium in Berlin, welches jetzt die Functionen des frühem
Venvaltunsrathes übernommen hat, berät!, eine Anzahl Unionsgesetze, welche
dem nächsten Parlament vorgelegt werden sollen. Ein Gesetz über Unionsbürgcr-
recht ist darunter bis jetzt das erfreulichste. In Hessen-Darmstadt ist Jaup ab¬
gegangen, Hassenpflug dagegen in Hessen-Cassel bis jetzt noch nicht, beide Staaten
aber siud mit Sack und Pack in das Lager der Liga hinübergezogen. In Frank¬
furt keine Resultate, die Verhandlungen zwischen Oestreich und Preußen noch
ohne Resultat; in allen deutschen Angelegenheiten die größte Confusion; ein Friede
mit Dänemark nicht zu erzielen; eine deutsche Flotte ohne rechtmäßigen Eigen-
thümer, Bnndeöfestnngen ohne Eigenthümer, die Stimmung ärgerlich, unsicher,
zänkisch, feindseliges Mißtrauen von unten nach oben, wie von oben nach unten. --
Es wäre Unrecht, zu leugnen, daß nicht Alles noch viel schlimmer sein konnte,
aber es ist anch so wahrhaftig Alles schlimm genng.

Täuschen wir uns nicht, durch die Form von Verträgen ist eine Lösung die¬
ser gräulichen Wirren nicht mehr zu hoffen. Es ist möglich, daß die Unsicherheit
des preußischen Cabinets immer wieder gute Positionen furchtsam ausgibt, aber
das Cabinet wird durch keine Umvürdigkeit und Feigheit, durch keinen Verrath
an seinen treuen Verbündeten, dnrch keine Nachgiebigkeit gegen die kaiserliche Re¬
gierung seine Geguer versöhnen und zum festen Frieden bringen. Denn der
Feind, welcher seinen hohlen Todtenschädel jetzt gespenstig gegen die deutschen
Stämme erhebt, ist der alte Erbfeind unserer Freiheit und Ehre, der immer
geschlagene und immer wieder lebendige Egoismus einer einzelnen Ncgenten-
familie. Oestreich ist unter seiner jetzigen Regierung ein despotischer Staat,
welcher alle die alten unholden Feinde unseres Gedeihens, die pfiffige Dumm¬
heit der römischen Pfaffen, die Hausinteressen der kleinen Negentenhänser, das
Mißtrauen unserer großen Nachbarn unermüdlich in Bewegung setzt, sich zu be¬
haupten. Ein solches Regiment aber kann sich nur behaupten, indem eS jede
freiere Entwickelung neben sich niederdrückt. Jetzt will es seinen jüngern und
fähigen Nebenbuhler, Preußen, dnrch ein Protektorat über die nördliche Hälfte
Deutschlands zufrieden stellen, Sachsen, Hannover und Hessen natürlich ausge¬
nommen. Nicht lauge, und es müßte die Existenz auch des bisherigen Preußens
unerträglich finden. Schlesien ist in diesen Kreisen unvergessen, der Protestantismus,
das preußische Selbstgefühl, die größere Freiheit der Gedanken und der Sprache
werden unerträglich sein, und Preußen wird in Jahren doch thun müssen, woran


Die Union und die Liga.

Das Fürsteucollegium in Berlin, welches jetzt die Functionen des frühem
Venvaltunsrathes übernommen hat, berät!, eine Anzahl Unionsgesetze, welche
dem nächsten Parlament vorgelegt werden sollen. Ein Gesetz über Unionsbürgcr-
recht ist darunter bis jetzt das erfreulichste. In Hessen-Darmstadt ist Jaup ab¬
gegangen, Hassenpflug dagegen in Hessen-Cassel bis jetzt noch nicht, beide Staaten
aber siud mit Sack und Pack in das Lager der Liga hinübergezogen. In Frank¬
furt keine Resultate, die Verhandlungen zwischen Oestreich und Preußen noch
ohne Resultat; in allen deutschen Angelegenheiten die größte Confusion; ein Friede
mit Dänemark nicht zu erzielen; eine deutsche Flotte ohne rechtmäßigen Eigen-
thümer, Bnndeöfestnngen ohne Eigenthümer, die Stimmung ärgerlich, unsicher,
zänkisch, feindseliges Mißtrauen von unten nach oben, wie von oben nach unten. —
Es wäre Unrecht, zu leugnen, daß nicht Alles noch viel schlimmer sein konnte,
aber es ist anch so wahrhaftig Alles schlimm genng.

Täuschen wir uns nicht, durch die Form von Verträgen ist eine Lösung die¬
ser gräulichen Wirren nicht mehr zu hoffen. Es ist möglich, daß die Unsicherheit
des preußischen Cabinets immer wieder gute Positionen furchtsam ausgibt, aber
das Cabinet wird durch keine Umvürdigkeit und Feigheit, durch keinen Verrath
an seinen treuen Verbündeten, dnrch keine Nachgiebigkeit gegen die kaiserliche Re¬
gierung seine Geguer versöhnen und zum festen Frieden bringen. Denn der
Feind, welcher seinen hohlen Todtenschädel jetzt gespenstig gegen die deutschen
Stämme erhebt, ist der alte Erbfeind unserer Freiheit und Ehre, der immer
geschlagene und immer wieder lebendige Egoismus einer einzelnen Ncgenten-
familie. Oestreich ist unter seiner jetzigen Regierung ein despotischer Staat,
welcher alle die alten unholden Feinde unseres Gedeihens, die pfiffige Dumm¬
heit der römischen Pfaffen, die Hausinteressen der kleinen Negentenhänser, das
Mißtrauen unserer großen Nachbarn unermüdlich in Bewegung setzt, sich zu be¬
haupten. Ein solches Regiment aber kann sich nur behaupten, indem eS jede
freiere Entwickelung neben sich niederdrückt. Jetzt will es seinen jüngern und
fähigen Nebenbuhler, Preußen, dnrch ein Protektorat über die nördliche Hälfte
Deutschlands zufrieden stellen, Sachsen, Hannover und Hessen natürlich ausge¬
nommen. Nicht lauge, und es müßte die Existenz auch des bisherigen Preußens
unerträglich finden. Schlesien ist in diesen Kreisen unvergessen, der Protestantismus,
das preußische Selbstgefühl, die größere Freiheit der Gedanken und der Sprache
werden unerträglich sein, und Preußen wird in Jahren doch thun müssen, woran


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[0055] Die Union und die Liga. Das Fürsteucollegium in Berlin, welches jetzt die Functionen des frühem Venvaltunsrathes übernommen hat, berät!, eine Anzahl Unionsgesetze, welche dem nächsten Parlament vorgelegt werden sollen. Ein Gesetz über Unionsbürgcr- recht ist darunter bis jetzt das erfreulichste. In Hessen-Darmstadt ist Jaup ab¬ gegangen, Hassenpflug dagegen in Hessen-Cassel bis jetzt noch nicht, beide Staaten aber siud mit Sack und Pack in das Lager der Liga hinübergezogen. In Frank¬ furt keine Resultate, die Verhandlungen zwischen Oestreich und Preußen noch ohne Resultat; in allen deutschen Angelegenheiten die größte Confusion; ein Friede mit Dänemark nicht zu erzielen; eine deutsche Flotte ohne rechtmäßigen Eigen- thümer, Bnndeöfestnngen ohne Eigenthümer, die Stimmung ärgerlich, unsicher, zänkisch, feindseliges Mißtrauen von unten nach oben, wie von oben nach unten. — Es wäre Unrecht, zu leugnen, daß nicht Alles noch viel schlimmer sein konnte, aber es ist anch so wahrhaftig Alles schlimm genng. Täuschen wir uns nicht, durch die Form von Verträgen ist eine Lösung die¬ ser gräulichen Wirren nicht mehr zu hoffen. Es ist möglich, daß die Unsicherheit des preußischen Cabinets immer wieder gute Positionen furchtsam ausgibt, aber das Cabinet wird durch keine Umvürdigkeit und Feigheit, durch keinen Verrath an seinen treuen Verbündeten, dnrch keine Nachgiebigkeit gegen die kaiserliche Re¬ gierung seine Geguer versöhnen und zum festen Frieden bringen. Denn der Feind, welcher seinen hohlen Todtenschädel jetzt gespenstig gegen die deutschen Stämme erhebt, ist der alte Erbfeind unserer Freiheit und Ehre, der immer geschlagene und immer wieder lebendige Egoismus einer einzelnen Ncgenten- familie. Oestreich ist unter seiner jetzigen Regierung ein despotischer Staat, welcher alle die alten unholden Feinde unseres Gedeihens, die pfiffige Dumm¬ heit der römischen Pfaffen, die Hausinteressen der kleinen Negentenhänser, das Mißtrauen unserer großen Nachbarn unermüdlich in Bewegung setzt, sich zu be¬ haupten. Ein solches Regiment aber kann sich nur behaupten, indem eS jede freiere Entwickelung neben sich niederdrückt. Jetzt will es seinen jüngern und fähigen Nebenbuhler, Preußen, dnrch ein Protektorat über die nördliche Hälfte Deutschlands zufrieden stellen, Sachsen, Hannover und Hessen natürlich ausge¬ nommen. Nicht lauge, und es müßte die Existenz auch des bisherigen Preußens unerträglich finden. Schlesien ist in diesen Kreisen unvergessen, der Protestantismus, das preußische Selbstgefühl, die größere Freiheit der Gedanken und der Sprache werden unerträglich sein, und Preußen wird in Jahren doch thun müssen, woran

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/55>, abgerufen am 07.05.2024.