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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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Ein Genrebild aus dem Feldzug in Schleswig-Holstein.

Ich hatte einen Freund, der stand als Kanonier bei einer Schleswig-Hol-
steinschen Batterie. Seinen Vatersnamen habe ich schon wieder vergessen oder
eigentlich wol nie gewußt; bei der Batterie, bei welcher er stand, nannten ihn seine
Kameraden bei seinen Vornamen "Hans-Peter." Hans-Peter war ein gar
seltsamer Kanz, und wer ihn einmal gekannt hatte, vergaß ihn so leicht nicht
wieder. Ein großer stattlicher Bursch vou kräftigem Gliederbau, so daß, wo er
einmal hingeschlagen hatte, kein Gras wuchs. Sein Gesicht war rund und dick,
und daß er sich mit Nachdenken nicht allzuviel abzugeben liebte, sah man demselben
auf den ersten Blick an. Die prallen Backen hatten die Rothe der Sonnenseite
eines gut gereiften Borsdorfer Apfels, der Mund war gerade von der rechten
Länge nud Breite, daß der wvhlgesüllte Löffel mit dicker Grütze bequem Hin¬
einsahren konnte; das Haar flachsfarbig, die grauen Augen etwas stierigen
Blickes. Daß er kaum dem Namen nach wußte, was eine Krankheit sei, konnte
man seiner ganzen Gestalt gleich ansehen. Bemerkenswerth aber war sein uner¬
schütterliches Phlegma und sein nie zu stillender Appetit. Selbst im Schleswig-
Holsteinischen Heere, wo an Soldaten mit großem Phlegma und gutem Appetit
kein Mangel war, hatte sich "Hans-Peter" eine Art Ruf erworben.

Seine erste Bekanntschaft machte ich in einer der Strandbatterien bei Eckern-
förde, gleich am nächsten Morgen, nachdem diese beiden Batterien mit ihren acht
Geschützen einen zehnstündiger Kampf mit den 122 Kanonen des Christian VIII. und
der Gestor siegreich beendet hatten. Hans-Peter war zufällig in Eckernförde auf
dem Nachmarsch zu seiner schon vorausgernckten Strandbatterie gewesen. Wie er
die Dänische Flotte in den Eckernförder Hafen hineinsegeln sah, hatte er seinen
unzertrennlichen Begleiter, einen mächtigen Brodsack mit Brod und Butter, umge-
h argen, war muthigen Schrittes nach derjenigen Batterie, die dem heftigsten
Feuer ausgesetzt wurde, hingegangen, und hatte an den Commandanten in seiner
gewöhnlich schläfrigen Mundart die Frage gethan: "Kant See mir bunt drücken,
ick bün der Kanonier "Hans-Peter", von der Batterie Ur. X." Der tüchtige
Artillerist war natürlich eine erwünschte Hilfe, da es an geübter Mannschaft in
den Strandbatterien fehlte, und so hatte man ihn denn gern bei einer Kanone
zugetheilt. Als das Dänische Linienschiff der Batterie seine erste volle Lage mit den
schweren Geschützen und der ganzen Breitseite gegeben hatte, so daß aller Boden
tief von den einschlagenden Kugeln aufgewühlt wurde, war "Hans-Peter" in
den Ausruf ausgebrochen: "Sus dat is am ornlich Munk vull Klümpp (Klöße),
nu Chrischau kriegst du wedder eenen," und dabei hatte er sehr ruhig und
sicher gezielt nud sein Geschütz abgefeuert; als gingen ihn die feindlichen


Ein Genrebild aus dem Feldzug in Schleswig-Holstein.

Ich hatte einen Freund, der stand als Kanonier bei einer Schleswig-Hol-
steinschen Batterie. Seinen Vatersnamen habe ich schon wieder vergessen oder
eigentlich wol nie gewußt; bei der Batterie, bei welcher er stand, nannten ihn seine
Kameraden bei seinen Vornamen „Hans-Peter." Hans-Peter war ein gar
seltsamer Kanz, und wer ihn einmal gekannt hatte, vergaß ihn so leicht nicht
wieder. Ein großer stattlicher Bursch vou kräftigem Gliederbau, so daß, wo er
einmal hingeschlagen hatte, kein Gras wuchs. Sein Gesicht war rund und dick,
und daß er sich mit Nachdenken nicht allzuviel abzugeben liebte, sah man demselben
auf den ersten Blick an. Die prallen Backen hatten die Rothe der Sonnenseite
eines gut gereiften Borsdorfer Apfels, der Mund war gerade von der rechten
Länge nud Breite, daß der wvhlgesüllte Löffel mit dicker Grütze bequem Hin¬
einsahren konnte; das Haar flachsfarbig, die grauen Augen etwas stierigen
Blickes. Daß er kaum dem Namen nach wußte, was eine Krankheit sei, konnte
man seiner ganzen Gestalt gleich ansehen. Bemerkenswerth aber war sein uner¬
schütterliches Phlegma und sein nie zu stillender Appetit. Selbst im Schleswig-
Holsteinischen Heere, wo an Soldaten mit großem Phlegma und gutem Appetit
kein Mangel war, hatte sich „Hans-Peter" eine Art Ruf erworben.

Seine erste Bekanntschaft machte ich in einer der Strandbatterien bei Eckern-
förde, gleich am nächsten Morgen, nachdem diese beiden Batterien mit ihren acht
Geschützen einen zehnstündiger Kampf mit den 122 Kanonen des Christian VIII. und
der Gestor siegreich beendet hatten. Hans-Peter war zufällig in Eckernförde auf
dem Nachmarsch zu seiner schon vorausgernckten Strandbatterie gewesen. Wie er
die Dänische Flotte in den Eckernförder Hafen hineinsegeln sah, hatte er seinen
unzertrennlichen Begleiter, einen mächtigen Brodsack mit Brod und Butter, umge-
h argen, war muthigen Schrittes nach derjenigen Batterie, die dem heftigsten
Feuer ausgesetzt wurde, hingegangen, und hatte an den Commandanten in seiner
gewöhnlich schläfrigen Mundart die Frage gethan: „Kant See mir bunt drücken,
ick bün der Kanonier „Hans-Peter", von der Batterie Ur. X." Der tüchtige
Artillerist war natürlich eine erwünschte Hilfe, da es an geübter Mannschaft in
den Strandbatterien fehlte, und so hatte man ihn denn gern bei einer Kanone
zugetheilt. Als das Dänische Linienschiff der Batterie seine erste volle Lage mit den
schweren Geschützen und der ganzen Breitseite gegeben hatte, so daß aller Boden
tief von den einschlagenden Kugeln aufgewühlt wurde, war „Hans-Peter" in
den Ausruf ausgebrochen: „Sus dat is am ornlich Munk vull Klümpp (Klöße),
nu Chrischau kriegst du wedder eenen," und dabei hatte er sehr ruhig und
sicher gezielt nud sein Geschütz abgefeuert; als gingen ihn die feindlichen


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[0238] Ein Genrebild aus dem Feldzug in Schleswig-Holstein. Ich hatte einen Freund, der stand als Kanonier bei einer Schleswig-Hol- steinschen Batterie. Seinen Vatersnamen habe ich schon wieder vergessen oder eigentlich wol nie gewußt; bei der Batterie, bei welcher er stand, nannten ihn seine Kameraden bei seinen Vornamen „Hans-Peter." Hans-Peter war ein gar seltsamer Kanz, und wer ihn einmal gekannt hatte, vergaß ihn so leicht nicht wieder. Ein großer stattlicher Bursch vou kräftigem Gliederbau, so daß, wo er einmal hingeschlagen hatte, kein Gras wuchs. Sein Gesicht war rund und dick, und daß er sich mit Nachdenken nicht allzuviel abzugeben liebte, sah man demselben auf den ersten Blick an. Die prallen Backen hatten die Rothe der Sonnenseite eines gut gereiften Borsdorfer Apfels, der Mund war gerade von der rechten Länge nud Breite, daß der wvhlgesüllte Löffel mit dicker Grütze bequem Hin¬ einsahren konnte; das Haar flachsfarbig, die grauen Augen etwas stierigen Blickes. Daß er kaum dem Namen nach wußte, was eine Krankheit sei, konnte man seiner ganzen Gestalt gleich ansehen. Bemerkenswerth aber war sein uner¬ schütterliches Phlegma und sein nie zu stillender Appetit. Selbst im Schleswig- Holsteinischen Heere, wo an Soldaten mit großem Phlegma und gutem Appetit kein Mangel war, hatte sich „Hans-Peter" eine Art Ruf erworben. Seine erste Bekanntschaft machte ich in einer der Strandbatterien bei Eckern- förde, gleich am nächsten Morgen, nachdem diese beiden Batterien mit ihren acht Geschützen einen zehnstündiger Kampf mit den 122 Kanonen des Christian VIII. und der Gestor siegreich beendet hatten. Hans-Peter war zufällig in Eckernförde auf dem Nachmarsch zu seiner schon vorausgernckten Strandbatterie gewesen. Wie er die Dänische Flotte in den Eckernförder Hafen hineinsegeln sah, hatte er seinen unzertrennlichen Begleiter, einen mächtigen Brodsack mit Brod und Butter, umge- h argen, war muthigen Schrittes nach derjenigen Batterie, die dem heftigsten Feuer ausgesetzt wurde, hingegangen, und hatte an den Commandanten in seiner gewöhnlich schläfrigen Mundart die Frage gethan: „Kant See mir bunt drücken, ick bün der Kanonier „Hans-Peter", von der Batterie Ur. X." Der tüchtige Artillerist war natürlich eine erwünschte Hilfe, da es an geübter Mannschaft in den Strandbatterien fehlte, und so hatte man ihn denn gern bei einer Kanone zugetheilt. Als das Dänische Linienschiff der Batterie seine erste volle Lage mit den schweren Geschützen und der ganzen Breitseite gegeben hatte, so daß aller Boden tief von den einschlagenden Kugeln aufgewühlt wurde, war „Hans-Peter" in den Ausruf ausgebrochen: „Sus dat is am ornlich Munk vull Klümpp (Klöße), nu Chrischau kriegst du wedder eenen," und dabei hatte er sehr ruhig und sicher gezielt nud sein Geschütz abgefeuert; als gingen ihn die feindlichen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/238>, abgerufen am 29.04.2024.