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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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zu sein. Schon in den "parlamentarischen Größen" finden sich einige sehr be¬
denkliche Stellen, in denen der höchsten der in Rede kommenden Mächte auf
eine bereits über die Sophistik hinausgehende Weise gehuldigt wird. Ich komme
dabei auf meine Recension des ersten Theils dieses Buches zurück, die Herr Rogge
in seiner Entgegnung verdreht hat. Um die geringe Aussicht der staatlosen Partei
auf augenblickliche Wirkung zu bezeichnen, hatte ich auf den geringen Erfolg des
einzigen principiellen Blattes dieser Partei, der Abendpost, hingedeutet, während
diejenigen Blätter, die ungefähr denselben Standpunkt, aber rein negativ, d. h.
.mit bloßem Klatsch und Berliner Witzen vertreten, ein ungeheures Publicum
erworben haben. Herr Rogge sollte dadurch auf die Frage geführt werden,
worin die anscheinende Popularität dieses Radikalismus besteht, ob in seinem
positiven Inhalt oder in seinem Klatsch. -- Sollte nun die Partei, wie es be¬
reits der Vertreter der gemäßigten Demokratie, Herr v. Unruh, von seiner eignen
Partei ziemlich unumwunden ausgesprochen hat, an dem Erfolg ihrer reinen
Principien für das nächste Menschenalter verzweifeln, so konnten die Einzelnen,
da sie doch unmöglich in unfruchtbarer Resignation sich abzehren mögen, leicht
dahin gebracht werden, sich mit einer entgegengesetzten Richtung zu verbinden,
die in irgend einem Punkte, z. B. im Freihandel, mit ihrer Theorie Hand in
Hand geht, und der sie wenigstens eine größere Noblesse, als den ihnen zunächst-
stehenden Richtungen, schon früher zugeschrieben haben. Sie werden dann
glauben, mit ihren neuen Verbündeten spielen und sie täuschen zu können, bis sie
zu der bittern Erfahrung kommen, daß man dem Teufel mit einem Finger auch
die ganze Hand reicht. Es soll das nur eine Warnung sein vor jener Kreuz-
spinne, die allen in der Irre herumflatternden Vögeln lauernd ihre Netze stellt.
Wo die Härte des Charakters fehlt, diesen Netzen zu widerstehen, kann nur eine
I. S. größere Vorsicht im Denken und Empfinden davor bewahre".




Türkisch-slawische Zustände im Jahre R85t
' -, , 1U, , ' . >
Die Bulgaren.

Die fünftehalb Millionen Bulgaren sind das ruhigste Völkchen unter der '
Sonne; Ackerbauer, Handelsleute, im Besitze einer sehr entwickelten Hausindustrie,
wie man sie jetzt nur noch bei den Großrussen findet, gelten sie in Stambul
für die besten Unterthanen der Pforte, von welcher sie als solche eben so hart
mitgenommen wurden, als die Böhmische Raja von der Bohnischen Aristokratie.


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zu sein. Schon in den „parlamentarischen Größen" finden sich einige sehr be¬
denkliche Stellen, in denen der höchsten der in Rede kommenden Mächte auf
eine bereits über die Sophistik hinausgehende Weise gehuldigt wird. Ich komme
dabei auf meine Recension des ersten Theils dieses Buches zurück, die Herr Rogge
in seiner Entgegnung verdreht hat. Um die geringe Aussicht der staatlosen Partei
auf augenblickliche Wirkung zu bezeichnen, hatte ich auf den geringen Erfolg des
einzigen principiellen Blattes dieser Partei, der Abendpost, hingedeutet, während
diejenigen Blätter, die ungefähr denselben Standpunkt, aber rein negativ, d. h.
.mit bloßem Klatsch und Berliner Witzen vertreten, ein ungeheures Publicum
erworben haben. Herr Rogge sollte dadurch auf die Frage geführt werden,
worin die anscheinende Popularität dieses Radikalismus besteht, ob in seinem
positiven Inhalt oder in seinem Klatsch. — Sollte nun die Partei, wie es be¬
reits der Vertreter der gemäßigten Demokratie, Herr v. Unruh, von seiner eignen
Partei ziemlich unumwunden ausgesprochen hat, an dem Erfolg ihrer reinen
Principien für das nächste Menschenalter verzweifeln, so konnten die Einzelnen,
da sie doch unmöglich in unfruchtbarer Resignation sich abzehren mögen, leicht
dahin gebracht werden, sich mit einer entgegengesetzten Richtung zu verbinden,
die in irgend einem Punkte, z. B. im Freihandel, mit ihrer Theorie Hand in
Hand geht, und der sie wenigstens eine größere Noblesse, als den ihnen zunächst-
stehenden Richtungen, schon früher zugeschrieben haben. Sie werden dann
glauben, mit ihren neuen Verbündeten spielen und sie täuschen zu können, bis sie
zu der bittern Erfahrung kommen, daß man dem Teufel mit einem Finger auch
die ganze Hand reicht. Es soll das nur eine Warnung sein vor jener Kreuz-
spinne, die allen in der Irre herumflatternden Vögeln lauernd ihre Netze stellt.
Wo die Härte des Charakters fehlt, diesen Netzen zu widerstehen, kann nur eine
I. S. größere Vorsicht im Denken und Empfinden davor bewahre«.




Türkisch-slawische Zustände im Jahre R85t
' -, , 1U, , ' . >
Die Bulgaren.

Die fünftehalb Millionen Bulgaren sind das ruhigste Völkchen unter der '
Sonne; Ackerbauer, Handelsleute, im Besitze einer sehr entwickelten Hausindustrie,
wie man sie jetzt nur noch bei den Großrussen findet, gelten sie in Stambul
für die besten Unterthanen der Pforte, von welcher sie als solche eben so hart
mitgenommen wurden, als die Böhmische Raja von der Bohnischen Aristokratie.


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[0263] zu sein. Schon in den „parlamentarischen Größen" finden sich einige sehr be¬ denkliche Stellen, in denen der höchsten der in Rede kommenden Mächte auf eine bereits über die Sophistik hinausgehende Weise gehuldigt wird. Ich komme dabei auf meine Recension des ersten Theils dieses Buches zurück, die Herr Rogge in seiner Entgegnung verdreht hat. Um die geringe Aussicht der staatlosen Partei auf augenblickliche Wirkung zu bezeichnen, hatte ich auf den geringen Erfolg des einzigen principiellen Blattes dieser Partei, der Abendpost, hingedeutet, während diejenigen Blätter, die ungefähr denselben Standpunkt, aber rein negativ, d. h. .mit bloßem Klatsch und Berliner Witzen vertreten, ein ungeheures Publicum erworben haben. Herr Rogge sollte dadurch auf die Frage geführt werden, worin die anscheinende Popularität dieses Radikalismus besteht, ob in seinem positiven Inhalt oder in seinem Klatsch. — Sollte nun die Partei, wie es be¬ reits der Vertreter der gemäßigten Demokratie, Herr v. Unruh, von seiner eignen Partei ziemlich unumwunden ausgesprochen hat, an dem Erfolg ihrer reinen Principien für das nächste Menschenalter verzweifeln, so konnten die Einzelnen, da sie doch unmöglich in unfruchtbarer Resignation sich abzehren mögen, leicht dahin gebracht werden, sich mit einer entgegengesetzten Richtung zu verbinden, die in irgend einem Punkte, z. B. im Freihandel, mit ihrer Theorie Hand in Hand geht, und der sie wenigstens eine größere Noblesse, als den ihnen zunächst- stehenden Richtungen, schon früher zugeschrieben haben. Sie werden dann glauben, mit ihren neuen Verbündeten spielen und sie täuschen zu können, bis sie zu der bittern Erfahrung kommen, daß man dem Teufel mit einem Finger auch die ganze Hand reicht. Es soll das nur eine Warnung sein vor jener Kreuz- spinne, die allen in der Irre herumflatternden Vögeln lauernd ihre Netze stellt. Wo die Härte des Charakters fehlt, diesen Netzen zu widerstehen, kann nur eine I. S. größere Vorsicht im Denken und Empfinden davor bewahre«. Türkisch-slawische Zustände im Jahre R85t ' -, , 1U, , ' . > Die Bulgaren. Die fünftehalb Millionen Bulgaren sind das ruhigste Völkchen unter der ' Sonne; Ackerbauer, Handelsleute, im Besitze einer sehr entwickelten Hausindustrie, wie man sie jetzt nur noch bei den Großrussen findet, gelten sie in Stambul für die besten Unterthanen der Pforte, von welcher sie als solche eben so hart mitgenommen wurden, als die Böhmische Raja von der Bohnischen Aristokratie. 32 -

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/263>, abgerufen am 29.04.2024.