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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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für diese Zwecke Nichts thut, und vergleiche" dieselbe mit der des Russischen
Alexander, welcher unter heuchlerischen Thränen die Serben und Griechen Tür¬
kischer Barbarei preisgab. Damit ist zugleich die hohe Bedeutung Serbiens für
das Südslawcnthnm augedeutet.

Begriffe die serbische Negierung diese Bedeutung ihres Landes und Volkes,
so hätte sie bei der kritischen Lage der Pforte unendlich viel für das christliche
Element in der Türkei wirken tonnen. Schulen, Unterricht, Erziehung deö sla-
wischen Volkes in der Türkei, Bildung der Geistlichkeit sollten von Serbien aus¬
gehen; denn Serbien ist, trotz seiner Suzcraiuetät, vollkommen frei. Diese
Mittel, seine Präponderanz geltend zu machen "ut die Nothwendigkeit, welche
die Pforte fühlt, mit Serbien in gutem Einvernehmen zu bleiben, hätten der
Regierung genng Anhaltspunkte geboten, um auch unmittelbar für die Interessen
der Bruderstämme thätig zu sein. Es ist dies nicht blos eine nationale Frage;
es ist ein Europäisches Bedürfniß, denn die Interessen der Türkischen Slawen
sind zugleich die der Civilisation, der Humanität. Der slawische Stamm in der
Türkei ist hier der natnrnrsprüugliche Repräsentant und Träger derselben. An eine
Civilisation der Osmanlis oder der Arnauten ist nicht zu denken, ehe jene eman-
cipirt sind, denn ein directer occidcntalisch-Europäischer Einfluß auf das Türkenthum
gehört, wie vieles Andere, in das Reich politischer Fabeln, an denen sich höch¬
stens Kinder erbauen können. Mit dem Slavischen Interesse läuft das der Griechen
und Romanen, wenigstens in dieser Beziehung, Hand in Hand; wenn also Ser¬
bien jenes nicht beachtet, sündigt es auch gegen Letztere. Das serbische Volk
fühlt dies tief; die Gunst- und Freundschaftsbezeugungen der Pforte gegen die
serbische Regierung haben dieser in der öffentlichen Meinung mehr geschadet, als
man sich's eingestehen will.

So arbeitet jeder Stamm einzeln, und man hat es nnr dem richtigen
Jnstincte des Volkes zu verdanken, daß es alle Sonderinteressen dem gemeinsamen
deö Slawenthums und Christenthums zu unterordnen versteht. Das Bewußtsein
des letztem hält alle Richtungen zusammen; es zeugt von einer tiefen Selbst-
erkenntniß, die dem gebildeten Westen bis heute fremd geblieben ist. Und dies
ist der Punkt, ans welchem alle frommen Wünsche für die Erhaltung der Türkei
über Nacht scheitern werden.




Soldatenbilder aus dein Feldzug in Schleswig.
2.

Hielt man auch mit Recht an dem Grundsatz fest, daß der Kampf gegen
Dänemark ein rein Deutscher bleiben müsse, und gestattere deshalb keinem aus¬
ländischen Officier den Eintritt in das Heer, so wurden doch einzelne Polen und


für diese Zwecke Nichts thut, und vergleiche» dieselbe mit der des Russischen
Alexander, welcher unter heuchlerischen Thränen die Serben und Griechen Tür¬
kischer Barbarei preisgab. Damit ist zugleich die hohe Bedeutung Serbiens für
das Südslawcnthnm augedeutet.

Begriffe die serbische Negierung diese Bedeutung ihres Landes und Volkes,
so hätte sie bei der kritischen Lage der Pforte unendlich viel für das christliche
Element in der Türkei wirken tonnen. Schulen, Unterricht, Erziehung deö sla-
wischen Volkes in der Türkei, Bildung der Geistlichkeit sollten von Serbien aus¬
gehen; denn Serbien ist, trotz seiner Suzcraiuetät, vollkommen frei. Diese
Mittel, seine Präponderanz geltend zu machen »ut die Nothwendigkeit, welche
die Pforte fühlt, mit Serbien in gutem Einvernehmen zu bleiben, hätten der
Regierung genng Anhaltspunkte geboten, um auch unmittelbar für die Interessen
der Bruderstämme thätig zu sein. Es ist dies nicht blos eine nationale Frage;
es ist ein Europäisches Bedürfniß, denn die Interessen der Türkischen Slawen
sind zugleich die der Civilisation, der Humanität. Der slawische Stamm in der
Türkei ist hier der natnrnrsprüugliche Repräsentant und Träger derselben. An eine
Civilisation der Osmanlis oder der Arnauten ist nicht zu denken, ehe jene eman-
cipirt sind, denn ein directer occidcntalisch-Europäischer Einfluß auf das Türkenthum
gehört, wie vieles Andere, in das Reich politischer Fabeln, an denen sich höch¬
stens Kinder erbauen können. Mit dem Slavischen Interesse läuft das der Griechen
und Romanen, wenigstens in dieser Beziehung, Hand in Hand; wenn also Ser¬
bien jenes nicht beachtet, sündigt es auch gegen Letztere. Das serbische Volk
fühlt dies tief; die Gunst- und Freundschaftsbezeugungen der Pforte gegen die
serbische Regierung haben dieser in der öffentlichen Meinung mehr geschadet, als
man sich's eingestehen will.

So arbeitet jeder Stamm einzeln, und man hat es nnr dem richtigen
Jnstincte des Volkes zu verdanken, daß es alle Sonderinteressen dem gemeinsamen
deö Slawenthums und Christenthums zu unterordnen versteht. Das Bewußtsein
des letztem hält alle Richtungen zusammen; es zeugt von einer tiefen Selbst-
erkenntniß, die dem gebildeten Westen bis heute fremd geblieben ist. Und dies
ist der Punkt, ans welchem alle frommen Wünsche für die Erhaltung der Türkei
über Nacht scheitern werden.




Soldatenbilder aus dein Feldzug in Schleswig.
2.

Hielt man auch mit Recht an dem Grundsatz fest, daß der Kampf gegen
Dänemark ein rein Deutscher bleiben müsse, und gestattere deshalb keinem aus¬
ländischen Officier den Eintritt in das Heer, so wurden doch einzelne Polen und


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[0268] für diese Zwecke Nichts thut, und vergleiche» dieselbe mit der des Russischen Alexander, welcher unter heuchlerischen Thränen die Serben und Griechen Tür¬ kischer Barbarei preisgab. Damit ist zugleich die hohe Bedeutung Serbiens für das Südslawcnthnm augedeutet. Begriffe die serbische Negierung diese Bedeutung ihres Landes und Volkes, so hätte sie bei der kritischen Lage der Pforte unendlich viel für das christliche Element in der Türkei wirken tonnen. Schulen, Unterricht, Erziehung deö sla- wischen Volkes in der Türkei, Bildung der Geistlichkeit sollten von Serbien aus¬ gehen; denn Serbien ist, trotz seiner Suzcraiuetät, vollkommen frei. Diese Mittel, seine Präponderanz geltend zu machen »ut die Nothwendigkeit, welche die Pforte fühlt, mit Serbien in gutem Einvernehmen zu bleiben, hätten der Regierung genng Anhaltspunkte geboten, um auch unmittelbar für die Interessen der Bruderstämme thätig zu sein. Es ist dies nicht blos eine nationale Frage; es ist ein Europäisches Bedürfniß, denn die Interessen der Türkischen Slawen sind zugleich die der Civilisation, der Humanität. Der slawische Stamm in der Türkei ist hier der natnrnrsprüugliche Repräsentant und Träger derselben. An eine Civilisation der Osmanlis oder der Arnauten ist nicht zu denken, ehe jene eman- cipirt sind, denn ein directer occidcntalisch-Europäischer Einfluß auf das Türkenthum gehört, wie vieles Andere, in das Reich politischer Fabeln, an denen sich höch¬ stens Kinder erbauen können. Mit dem Slavischen Interesse läuft das der Griechen und Romanen, wenigstens in dieser Beziehung, Hand in Hand; wenn also Ser¬ bien jenes nicht beachtet, sündigt es auch gegen Letztere. Das serbische Volk fühlt dies tief; die Gunst- und Freundschaftsbezeugungen der Pforte gegen die serbische Regierung haben dieser in der öffentlichen Meinung mehr geschadet, als man sich's eingestehen will. So arbeitet jeder Stamm einzeln, und man hat es nnr dem richtigen Jnstincte des Volkes zu verdanken, daß es alle Sonderinteressen dem gemeinsamen deö Slawenthums und Christenthums zu unterordnen versteht. Das Bewußtsein des letztem hält alle Richtungen zusammen; es zeugt von einer tiefen Selbst- erkenntniß, die dem gebildeten Westen bis heute fremd geblieben ist. Und dies ist der Punkt, ans welchem alle frommen Wünsche für die Erhaltung der Türkei über Nacht scheitern werden. Soldatenbilder aus dein Feldzug in Schleswig. 2. Hielt man auch mit Recht an dem Grundsatz fest, daß der Kampf gegen Dänemark ein rein Deutscher bleiben müsse, und gestattere deshalb keinem aus¬ ländischen Officier den Eintritt in das Heer, so wurden doch einzelne Polen und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/268>, abgerufen am 29.04.2024.