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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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Ljudewit Gaj und das junge Jllyrie".

I^ö kameux , wie ihn H. Deprez, Verfasser des Werkes "1.68 psuples
ä'^utriLks", nennt, welcher seine Kenntniß südslavischer Verhältnisse einem drei¬
tägigen Aufenthalte in Agram verdankt -- Dr. Ljudewit Gaj ist eine vielge¬
nannte, oft geschilderte, und doch wenig gekannte Persönlichkeit. Noch mehr, er
ist eine beinahe mythische Person, da selbst seine nahen Freunde den räthselhaf¬
ten Charakter des Mannes jahrelang nicht erkannten.

Ljudewit Gaj ist im Jahre 1809 zu Krapien, einem Marktflecken im nörd¬
lichen Kroatien, geboren, studirte in Kroatien und wurde ungarischer Jurist. Er
hatte den Aufschwung und die steigende Bedeutung der magyarischen Journalistik
beobachtet und sein großer Verstand erkannte bald, wie erfolgreich ein kroatischer
Widerstand gegen den Magyarismus werden könnte, wenn er dnrch die Journa¬
listik getragen würde. Er faßte den Gedanken, der erste kroatische Journalist
zu werden. Schon vor den zwanziger Jahren waren einige Kroaten nnter den
Auspicien des damaligen Agramer Bischofs Wrhowatz mit dem Plane umgegangen,
eine kroatische Zeitung zu begründen, die Sache kam damals nicht zu Stande.
Gaj ließ sich dadurch ebenso wenig abschrecken als durch die Hindernisse, welche
die ungarische Statthalters seinem journalistischen Unternehmen in den Weg le¬
gen mußte: er bekam vom Kaiser Franz die Zusicherung der Concession und seine
Zeitung trat im Juli 1833 unter dem Titel "llovms IrrvatsKo -- UavongKo
-- äalmatmsliö", begleitet von einem belletristischen Beiblatte "Oaiütii-r" (Mor¬
genstern), in kroatischer Sprache und mit der gewöhnlichen Orthographie, deren
man sich früher in Kroatien bediente, ins Leben. Die Sache war schwierig; der
kroatische Dialekt, zunächst verwandt mit dem slowenischen, der in Krain, Kärn-
then und Untcrsteier gesprochen wird, war in seiner Ausbildung sehr zurückgeblie¬
ben und zum Ausdrucke politischer Interessen wenig geeignet; die Orthographie
confus und dabei complicirt -- damit ließ sich nicht lange fortkommen. Dies
erkannte Gaj und schuf Abhülfe. Bei der nahen Verwandtschaft der czechischen
Sprache lag der Gedanke einer analogen Orthographie nahe genug, doch leitet
Gaj den Ursprung der nach ihm benannten und jetzt allgemein angenommenen
Orthographie nicht aus dieser Quelle ab, sondern will die Idee dazu aus einem
kroatischen, in Rom 1576 erschienenen AndachtSbnche "vnd Iir8tjg,nsKi" geschöpft
haben. Von dieser kleinen Charlatanerie abgesehen, war die Feststellung einer
einfachen und consequenten Orthographie ein unleugbares Verdienst. Wir ver¬
weilen bei dieser scheinbar unwichtigen Sache deshalb so lange, weil dieselbe durch
die Bornirtheit der Gegner in der Folge eine große Bedeutung erhielt.


Ljudewit Gaj und das junge Jllyrie«.

I^ö kameux , wie ihn H. Deprez, Verfasser des Werkes „1.68 psuples
ä'^utriLks", nennt, welcher seine Kenntniß südslavischer Verhältnisse einem drei¬
tägigen Aufenthalte in Agram verdankt — Dr. Ljudewit Gaj ist eine vielge¬
nannte, oft geschilderte, und doch wenig gekannte Persönlichkeit. Noch mehr, er
ist eine beinahe mythische Person, da selbst seine nahen Freunde den räthselhaf¬
ten Charakter des Mannes jahrelang nicht erkannten.

Ljudewit Gaj ist im Jahre 1809 zu Krapien, einem Marktflecken im nörd¬
lichen Kroatien, geboren, studirte in Kroatien und wurde ungarischer Jurist. Er
hatte den Aufschwung und die steigende Bedeutung der magyarischen Journalistik
beobachtet und sein großer Verstand erkannte bald, wie erfolgreich ein kroatischer
Widerstand gegen den Magyarismus werden könnte, wenn er dnrch die Journa¬
listik getragen würde. Er faßte den Gedanken, der erste kroatische Journalist
zu werden. Schon vor den zwanziger Jahren waren einige Kroaten nnter den
Auspicien des damaligen Agramer Bischofs Wrhowatz mit dem Plane umgegangen,
eine kroatische Zeitung zu begründen, die Sache kam damals nicht zu Stande.
Gaj ließ sich dadurch ebenso wenig abschrecken als durch die Hindernisse, welche
die ungarische Statthalters seinem journalistischen Unternehmen in den Weg le¬
gen mußte: er bekam vom Kaiser Franz die Zusicherung der Concession und seine
Zeitung trat im Juli 1833 unter dem Titel „llovms IrrvatsKo — UavongKo
— äalmatmsliö", begleitet von einem belletristischen Beiblatte „Oaiütii-r" (Mor¬
genstern), in kroatischer Sprache und mit der gewöhnlichen Orthographie, deren
man sich früher in Kroatien bediente, ins Leben. Die Sache war schwierig; der
kroatische Dialekt, zunächst verwandt mit dem slowenischen, der in Krain, Kärn-
then und Untcrsteier gesprochen wird, war in seiner Ausbildung sehr zurückgeblie¬
ben und zum Ausdrucke politischer Interessen wenig geeignet; die Orthographie
confus und dabei complicirt — damit ließ sich nicht lange fortkommen. Dies
erkannte Gaj und schuf Abhülfe. Bei der nahen Verwandtschaft der czechischen
Sprache lag der Gedanke einer analogen Orthographie nahe genug, doch leitet
Gaj den Ursprung der nach ihm benannten und jetzt allgemein angenommenen
Orthographie nicht aus dieser Quelle ab, sondern will die Idee dazu aus einem
kroatischen, in Rom 1576 erschienenen AndachtSbnche „vnd Iir8tjg,nsKi" geschöpft
haben. Von dieser kleinen Charlatanerie abgesehen, war die Feststellung einer
einfachen und consequenten Orthographie ein unleugbares Verdienst. Wir ver¬
weilen bei dieser scheinbar unwichtigen Sache deshalb so lange, weil dieselbe durch
die Bornirtheit der Gegner in der Folge eine große Bedeutung erhielt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/28>, abgerufen am 29.04.2024.