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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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gemacht und wo, wird als eine nothgedrungene gleichgiltige Sache ignorirt. So
nahm man einen Seifensieder, der sich durch eine in einem Kalender veröffentlichte
Abhandlung über die Stcarinlichtvcrftrtigung einen Namen gemacht hatte, zum
Apvtherexamcn an, und übergab nach der Prüfung seiner Leitung sogar die
Apotheke des Riesenspitals vom sogenannten Kindlein Jesus, in welchem sich
fortwährend 9 bis 10 Hundert Kranke befinden.




Noch einmal die Demokratie.
Schleswig-Holstein im Jahre 1830. Ein Tagebuch von I. Venedey. Zwei
Bände. Leipzig. Avenarius u. Mendelssohn.
Sociale Briefe an v. Kirchmann. Von Rodbertus. Dritter Brief: Wider¬
legung der Riccardi'scheu Lehre von der Grundrente und Begründung einer
neuen Rentcuthcorie. Berlin. Allgemeine Deutsche Verlags-Anstalt.
Die Kunst und die Revolution. Von Richard Wagner. Leipzig. OttoWigand.
Deutsche Monatschrift von Ko latschet. Bremen. Schünemann.
Amerikanische Kolonisation im Lichte des Geistes der Zukunft. Von or.Karl
Brockmann. Hamburg. Meißner n. Schirges.

Die Natioualzeitung hat mit Bezugnahme auf einige Artikel der Grenzboten
ihr Votum in Beziehung ans die Stellung der Demokraten gegen die Gothaner
abgegeben. Wir halten uns lediglich an dieses Votum, ohne auf die sonstige
Polemik weiter einzugehen, und bemerken nur noch, daß es weise wäre, die Unter¬
scheidung zwischen persönlichem Muth und moralischem Muth, d. h. zwischen Dem,
was das Volk gewöhnlich unter Muth versteht, und einer uneigentlichen Bedeu¬
tung dieses Wortes, stets im Auge zu behalten, da man sich sonst leW dem Ver¬
dacht aussetzen würde, uicht ohne Absicht die Worte bald im eigentlichen, bald
im uneigentlichen Sinne zu gebrauchen. Wenn man gewissenhafter damit ver¬
fährt, so wird man bald zu der Einsicht kommen, daß aus die Versammlung von
Gotha, was man auch sonst dagegen einwenden möge, die Beschuldigung des
Mangels an Muth weder im eigentlichen, noch im uneigentlichen Sinne paßt,
deun durch einen offenen Schritt der öffentlichen Meinung zu trotzen, verlangt
jedenfalls mehr Muth, als sich in passiver Resignation von jeder Thätigkeit zurück¬
zuziehen, welche der Einheit des politischen Charakters Gesahr droht.

Was jenes Votum betrifft, so besteht es in der Erklärung, daß die Demo¬
kraten sich niemals, auch nicht zu einem vorübergehenden Zweck, mit ihren bis¬
herigen Gegnern verbinden werden, theils wegen der principiellen Verschiedenheit
in der Ansicht über das allgemeine Wahlrecht, theils wegen jenes "Mangels an
Muth". Diese Erklärung würde von größerm Gewichte sein, wenn man wüßte,


gemacht und wo, wird als eine nothgedrungene gleichgiltige Sache ignorirt. So
nahm man einen Seifensieder, der sich durch eine in einem Kalender veröffentlichte
Abhandlung über die Stcarinlichtvcrftrtigung einen Namen gemacht hatte, zum
Apvtherexamcn an, und übergab nach der Prüfung seiner Leitung sogar die
Apotheke des Riesenspitals vom sogenannten Kindlein Jesus, in welchem sich
fortwährend 9 bis 10 Hundert Kranke befinden.




Noch einmal die Demokratie.
Schleswig-Holstein im Jahre 1830. Ein Tagebuch von I. Venedey. Zwei
Bände. Leipzig. Avenarius u. Mendelssohn.
Sociale Briefe an v. Kirchmann. Von Rodbertus. Dritter Brief: Wider¬
legung der Riccardi'scheu Lehre von der Grundrente und Begründung einer
neuen Rentcuthcorie. Berlin. Allgemeine Deutsche Verlags-Anstalt.
Die Kunst und die Revolution. Von Richard Wagner. Leipzig. OttoWigand.
Deutsche Monatschrift von Ko latschet. Bremen. Schünemann.
Amerikanische Kolonisation im Lichte des Geistes der Zukunft. Von or.Karl
Brockmann. Hamburg. Meißner n. Schirges.

Die Natioualzeitung hat mit Bezugnahme auf einige Artikel der Grenzboten
ihr Votum in Beziehung ans die Stellung der Demokraten gegen die Gothaner
abgegeben. Wir halten uns lediglich an dieses Votum, ohne auf die sonstige
Polemik weiter einzugehen, und bemerken nur noch, daß es weise wäre, die Unter¬
scheidung zwischen persönlichem Muth und moralischem Muth, d. h. zwischen Dem,
was das Volk gewöhnlich unter Muth versteht, und einer uneigentlichen Bedeu¬
tung dieses Wortes, stets im Auge zu behalten, da man sich sonst leW dem Ver¬
dacht aussetzen würde, uicht ohne Absicht die Worte bald im eigentlichen, bald
im uneigentlichen Sinne zu gebrauchen. Wenn man gewissenhafter damit ver¬
fährt, so wird man bald zu der Einsicht kommen, daß aus die Versammlung von
Gotha, was man auch sonst dagegen einwenden möge, die Beschuldigung des
Mangels an Muth weder im eigentlichen, noch im uneigentlichen Sinne paßt,
deun durch einen offenen Schritt der öffentlichen Meinung zu trotzen, verlangt
jedenfalls mehr Muth, als sich in passiver Resignation von jeder Thätigkeit zurück¬
zuziehen, welche der Einheit des politischen Charakters Gesahr droht.

Was jenes Votum betrifft, so besteht es in der Erklärung, daß die Demo¬
kraten sich niemals, auch nicht zu einem vorübergehenden Zweck, mit ihren bis¬
herigen Gegnern verbinden werden, theils wegen der principiellen Verschiedenheit
in der Ansicht über das allgemeine Wahlrecht, theils wegen jenes „Mangels an
Muth". Diese Erklärung würde von größerm Gewichte sein, wenn man wüßte,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/361>, abgerufen am 28.04.2024.