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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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putztes in dem Seewesen der Franzosen. Bei den Briten wird jede Ostentation
vermieden, ja fast zu unscheinbar ist Vieles bei ihnen. An-der großen englischen
Fregatte sind oft lange nicht so viel Vergoldungen und bunte Malereien oder
zierliche Holzschnitzereien zu finden, als bei manchem schlechten französischen Küsten¬
dampfer; selbst die Commando's auf den englischen Schiffen sind kürzer und ein¬
facher, als bei deu Franzosen, wo oft unbedeutenden Ausführungen ein langes,
prahlerisches Commando vorangeht.

Auch auf unsrem "Jupiter" konnte man dies wohl erkennen. Als die Uhr
vier schlug, da rasselte der Anker in die Höhe, die mächtigen Schaufelräder
singen erst langsam und dann immer rascher an, in die Wellen einzuschlagen; der
Kiel deö Schiffes drehte sich, und in schneller, sicherer Fahrt enteilten wir der
Bai von Gibraltar. Lange dauerte es, bis wir die beiden hohen Säulen des
Herkules, dieses gewaltige Felsenportal, ans dem Gesichte verloren.




Pariser Botschaften

Das neue Constitutivusmandat, die Ausgeburt der buouapartistischen Phantasie,
ist gestern erschienen, und die Börse antwortete durch eine Baisse von zwei Franken
auf das legislative Meisterstück. Wundern Sie sich ja nicht, daß ich meine Kritik
der so und so vielsten Verfassung Frankreichs damit beginne, Ihnen zu erzählen,
die Börsenconrse seien gefallen. Dergleichen hat jetzt sehr viel zu bedeuten, wie
Sie aus folgender Thatsache entnehmen mögen. Als vor mehreren Tagen die
Börse, "des langen Steigens müde", in ihrem buonapartistischen Enthusiasmus
zu erkalten anfing, ließ der Minister des Innern sämmtliche Börsenagenten auf
deu Abend zu sich laden. Nachdem die Herren im Vorzimmer gehörig gewartet
hatten, erschien endlich Herr von Morny in ihrer Mitte, und redete sie folgender¬
maßen an: "Meine Herren, die Course siud heute gefallen, und Sie begreifen,
wie unangenehm das der Regierung sein muß. Ich kündige Ihnen daher an,
daß, wenn sich diese Erscheinung morgen wiederholt, Paris, statt sechzig, neunzig
Börsen-Agenten zählen werde." -- Einer solchen arKuinenlatio an dominem ist
nicht zu widerstehen, und die Conrsagenten bemühten sich , die dalgse dadurch
aufzuhalten, daß sie keinen Credit gaben und auf Effectuirung sämmtlicher Ver¬
käufe bestanden. Eine daisso ist also in der neuen Aera des angehenden Kaiser¬
reichs ein wichtigeres Symptom als sonst.

Die Constttution muß auch in der That den Unwillen selbst der sanguinischen
Anhänger von Louis Bnonaparte, oder Louis Napoleon, wie er jetzt schon heißt,
erregen, in sofern diese nicht ganz auf Frankreich vergessen wollen. Sie ist die
Heuchelei der entschiedensten Willkürherrschaft, und jetzt giebt es in Frankreich keinen


putztes in dem Seewesen der Franzosen. Bei den Briten wird jede Ostentation
vermieden, ja fast zu unscheinbar ist Vieles bei ihnen. An-der großen englischen
Fregatte sind oft lange nicht so viel Vergoldungen und bunte Malereien oder
zierliche Holzschnitzereien zu finden, als bei manchem schlechten französischen Küsten¬
dampfer; selbst die Commando's auf den englischen Schiffen sind kürzer und ein¬
facher, als bei deu Franzosen, wo oft unbedeutenden Ausführungen ein langes,
prahlerisches Commando vorangeht.

Auch auf unsrem „Jupiter" konnte man dies wohl erkennen. Als die Uhr
vier schlug, da rasselte der Anker in die Höhe, die mächtigen Schaufelräder
singen erst langsam und dann immer rascher an, in die Wellen einzuschlagen; der
Kiel deö Schiffes drehte sich, und in schneller, sicherer Fahrt enteilten wir der
Bai von Gibraltar. Lange dauerte es, bis wir die beiden hohen Säulen des
Herkules, dieses gewaltige Felsenportal, ans dem Gesichte verloren.




Pariser Botschaften

Das neue Constitutivusmandat, die Ausgeburt der buouapartistischen Phantasie,
ist gestern erschienen, und die Börse antwortete durch eine Baisse von zwei Franken
auf das legislative Meisterstück. Wundern Sie sich ja nicht, daß ich meine Kritik
der so und so vielsten Verfassung Frankreichs damit beginne, Ihnen zu erzählen,
die Börsenconrse seien gefallen. Dergleichen hat jetzt sehr viel zu bedeuten, wie
Sie aus folgender Thatsache entnehmen mögen. Als vor mehreren Tagen die
Börse, „des langen Steigens müde", in ihrem buonapartistischen Enthusiasmus
zu erkalten anfing, ließ der Minister des Innern sämmtliche Börsenagenten auf
deu Abend zu sich laden. Nachdem die Herren im Vorzimmer gehörig gewartet
hatten, erschien endlich Herr von Morny in ihrer Mitte, und redete sie folgender¬
maßen an: „Meine Herren, die Course siud heute gefallen, und Sie begreifen,
wie unangenehm das der Regierung sein muß. Ich kündige Ihnen daher an,
daß, wenn sich diese Erscheinung morgen wiederholt, Paris, statt sechzig, neunzig
Börsen-Agenten zählen werde." — Einer solchen arKuinenlatio an dominem ist
nicht zu widerstehen, und die Conrsagenten bemühten sich , die dalgse dadurch
aufzuhalten, daß sie keinen Credit gaben und auf Effectuirung sämmtlicher Ver¬
käufe bestanden. Eine daisso ist also in der neuen Aera des angehenden Kaiser¬
reichs ein wichtigeres Symptom als sonst.

Die Constttution muß auch in der That den Unwillen selbst der sanguinischen
Anhänger von Louis Bnonaparte, oder Louis Napoleon, wie er jetzt schon heißt,
erregen, in sofern diese nicht ganz auf Frankreich vergessen wollen. Sie ist die
Heuchelei der entschiedensten Willkürherrschaft, und jetzt giebt es in Frankreich keinen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/196>, abgerufen am 28.04.2024.