Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.geschlichen Willen mehr, als die Laune des Präsidenten. Er hat die alleinige 24*
geschlichen Willen mehr, als die Laune des Präsidenten. Er hat die alleinige 24*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0197" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/93562"/> <p xml:id="ID_550" prev="#ID_549" next="#ID_551"> geschlichen Willen mehr, als die Laune des Präsidenten. Er hat die alleinige<lb/> Initiative, und bis gesetzgebende Versammlung muß die Vorschläge des Präsidenten<lb/> annehmen oder sie verwerfen. Verändern darf sie ohne Erlaubniß des vom Prä¬<lb/> sidenten ernannten und absetzbaren Staatsraths Nichts an denselben. Nimmt die<lb/> gesetzgebende Kammer Buonaparte's Gesetze nicht an, so kann er sie prorogireu,<lb/> und der Senat votirt dann die Steuern und versieht alle Geschäfte derselben.<lb/> Die Revision der Verfassung hängt vom Senate und vom Präsidenten ab. Der<lb/> Senat aber, der aus hundertfunfzig Mitgliedern bestehen kaun, wird zum größten<lb/> Theile vom Präsidenten ernannt, da nur die Marschälle, Cardinäle und Admiräle<lb/> cle Mi'c>, Mitglieder des Senates sind. Der Senat erhält keine Bezahlung, doch<lb/> steht es dem Präsidenten frei, einzelne wohlverdiente Senatoren bis zu dreißig¬<lb/> tausend Franken jährlich zu dotiren. Die Mitglieder der gesetzgebenden Versamm¬<lb/> lung bekleiden ihr Amt unentgeltlich, während jene des Staatsrathes funfuud-.<lb/> zwanzigtausend Franken jährlich vom Staate beziehen. Mit anderen Worten, die<lb/> vom Lande ernannten Vertreter werden nicht bezahlt, aber die Männer, die von<lb/> Louis Bnonaparte ernannt sind, bekommen eine hübsche Summe als Belohnung<lb/> ihrer Ergebenheit. Hierdurch wird dem Volke Sand in die Augen gestreut, weil<lb/> man die unpopulären Diäten der Volksvertreter abgeschafft, aber diese Kosten<lb/> werden mehr als aufgewogen durch die vom Präsidenten ausgesetzten Gehalte, so<lb/> wie durch die bevorstehende namhafte Erhöhung der Bezahlung der Minister.<lb/> Diese siud uur dem Präsidenten verantwortlich, und mir für die Acte, die sie<lb/> unterzeichnet haben. Da also jede Solidarität der Minister ausdrücklich aufgehoben<lb/> ist, kann der Präsident Alles durchsetzen, was er will, denn er wird immer einen<lb/> Mann finden, der sich zur Gegenzeichnung auch der größten Monstruosität herbei¬<lb/> lassen wird. Der Präsident befehligt die Land- und Seemacht, er erklärt Krieg<lb/> und schließt Frieden, er schließt Handels- und andere Verträge, und weder der<lb/> Staat, uoch die gesetzgebende Kammer haben irgend ein Wort darein zu reden.<lb/> Er kann die Gesetze nach Willkür sanctioniren oder nicht, er hat das unumschränkte<lb/> Recht der Gnade, und verleiht alle Aemter, so wie alle Beamten seiner Person<lb/> den Eid der Treue zu leiste» haben. Die Maires werdeu von der Regierung<lb/> ernannt und abgesetzt. Der Präsident hat das Recht, so oft es ihm beliebt, an's<lb/> Volk zu appelliren, das heißt einen neuen Staatsstreich zu machen, z'. B. die<lb/> Proclamirung des Kaiserreichs zu verlangen, und da er die ausgedehnteste Macht¬<lb/> vollkommenheit und über eine ihm persönlich verpflichtete Armee von Beamten zu<lb/> verfügen hat, kaun die Parodie des allgemeinen Stimmrechts vom 2. December<lb/> zu Gunsten der Kaiserkrone wiederholt werden. Es fehlt natürlich auch die .obligate<lb/> Unterstützung des Belagerungsznstandes nicht, da der Präsident sämmtliche De¬<lb/> partements Frankreichs mit dieser Wohlthat beglücke» kauu, ohne irgend weiter<lb/> Rechenschaft abgeben zu müssen. Der Präsident ist nur dem Volke verantwortlich,<lb/> und dieses antwortet durch den Appell; wenn aber diese Verantwortlichkeit kein</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 24*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0197]
geschlichen Willen mehr, als die Laune des Präsidenten. Er hat die alleinige
Initiative, und bis gesetzgebende Versammlung muß die Vorschläge des Präsidenten
annehmen oder sie verwerfen. Verändern darf sie ohne Erlaubniß des vom Prä¬
sidenten ernannten und absetzbaren Staatsraths Nichts an denselben. Nimmt die
gesetzgebende Kammer Buonaparte's Gesetze nicht an, so kann er sie prorogireu,
und der Senat votirt dann die Steuern und versieht alle Geschäfte derselben.
Die Revision der Verfassung hängt vom Senate und vom Präsidenten ab. Der
Senat aber, der aus hundertfunfzig Mitgliedern bestehen kaun, wird zum größten
Theile vom Präsidenten ernannt, da nur die Marschälle, Cardinäle und Admiräle
cle Mi'c>, Mitglieder des Senates sind. Der Senat erhält keine Bezahlung, doch
steht es dem Präsidenten frei, einzelne wohlverdiente Senatoren bis zu dreißig¬
tausend Franken jährlich zu dotiren. Die Mitglieder der gesetzgebenden Versamm¬
lung bekleiden ihr Amt unentgeltlich, während jene des Staatsrathes funfuud-.
zwanzigtausend Franken jährlich vom Staate beziehen. Mit anderen Worten, die
vom Lande ernannten Vertreter werden nicht bezahlt, aber die Männer, die von
Louis Bnonaparte ernannt sind, bekommen eine hübsche Summe als Belohnung
ihrer Ergebenheit. Hierdurch wird dem Volke Sand in die Augen gestreut, weil
man die unpopulären Diäten der Volksvertreter abgeschafft, aber diese Kosten
werden mehr als aufgewogen durch die vom Präsidenten ausgesetzten Gehalte, so
wie durch die bevorstehende namhafte Erhöhung der Bezahlung der Minister.
Diese siud uur dem Präsidenten verantwortlich, und mir für die Acte, die sie
unterzeichnet haben. Da also jede Solidarität der Minister ausdrücklich aufgehoben
ist, kann der Präsident Alles durchsetzen, was er will, denn er wird immer einen
Mann finden, der sich zur Gegenzeichnung auch der größten Monstruosität herbei¬
lassen wird. Der Präsident befehligt die Land- und Seemacht, er erklärt Krieg
und schließt Frieden, er schließt Handels- und andere Verträge, und weder der
Staat, uoch die gesetzgebende Kammer haben irgend ein Wort darein zu reden.
Er kann die Gesetze nach Willkür sanctioniren oder nicht, er hat das unumschränkte
Recht der Gnade, und verleiht alle Aemter, so wie alle Beamten seiner Person
den Eid der Treue zu leiste» haben. Die Maires werdeu von der Regierung
ernannt und abgesetzt. Der Präsident hat das Recht, so oft es ihm beliebt, an's
Volk zu appelliren, das heißt einen neuen Staatsstreich zu machen, z'. B. die
Proclamirung des Kaiserreichs zu verlangen, und da er die ausgedehnteste Macht¬
vollkommenheit und über eine ihm persönlich verpflichtete Armee von Beamten zu
verfügen hat, kaun die Parodie des allgemeinen Stimmrechts vom 2. December
zu Gunsten der Kaiserkrone wiederholt werden. Es fehlt natürlich auch die .obligate
Unterstützung des Belagerungsznstandes nicht, da der Präsident sämmtliche De¬
partements Frankreichs mit dieser Wohlthat beglücke» kauu, ohne irgend weiter
Rechenschaft abgeben zu müssen. Der Präsident ist nur dem Volke verantwortlich,
und dieses antwortet durch den Appell; wenn aber diese Verantwortlichkeit kein
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