Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Berg hinablaufen, und bildet sich ein,, es rufe: vstitamo e^Ioro! (sticht mich,
Zigeuner!) -- ein im Kerker krank liegender Zigeuner bittet seine Fran, sich bei
dem Alcalde um Befreiung von der Kette zu verwenden, deren Last seinen Kör¬
per zu bersten droht -- der Mond geht auf, und zwei, Zigeuner, welche ein Pferd
stehlen wollen, erblicken einen Spanier und-suchen das Weite u. s. w. Manch¬
mal athmen die Verse mehr Leidenschaft -- ein Liebhaber droht, seine Geliebte
zu erschlagen, "selbst zu Jesu Füßen", wenn sie ihm untreu wird. Im Allge¬
meinen herrscht unter den Gitanos die Meinung, daß die Spanierinnen Nom-
many chals und Nommany sehr lieben. In einer Stanze hofft ein Gitauo, eine
spanische Schöne durch Hilfe eines Nommanyworts, das er ihr am Fenster ins
Ohr flüstert, zu entführen. Auch einige zarte und schöne Gedanken finden sich
hier und da, denn selbst das Zigeunerherz hat seine Augenblicke, wo es weich
wird: eine sündige Mutter fürchtet, sich selbst zu Gott zu beten, und fordert ihr
unschuldiges Kind ans, ihn für sie zu bitten, ihrem Herzen wieder Ruhe und
Frieden zu schenken -- ein Jüngling im Kerker hat keinen Freund ans Erden,
auf den er sich verlassen kann, außer seiner Schwester, und wünscht sich einen
Boten, der ihr Nachricht giebt von seinen Leiden, überzeugt, daß sie auf der
Stelle zu seiner Hilft herbeieilen würde. Wie schön ist das Bild von den Fun-
ken, die ans dem glühend gehämmerten Eisen sprühen: "Mehr als hundert lieb¬
liche Töchter sehe ich zu gleicher Zeit entstehen, feurig wie Rosen: in einem Au¬
genblicke sterben sie, anmuthtg im Kreise sich drehend."

Im Jahre 18ö0 gab Borrow unter dem Titel "Lavengro" die romanhafte
Schilderung eines Zigeunerlebens heraus. Das Buch wurde mit großer Span¬
nung erwartet, hat aber nicht befriedigt. Es ist eine uuküustlerische Mischung
von phantastischer Erfindung und von Schilderungen aus der Wirklichkeit.

Die Sprache der Zigeuner weist mit Bestimmtheit ans ihren Ursprung aus
Hindostan hin.




Die Ausstellung berühmter Handzeichnungen

Gern mag ich Ihrem Wunsch entsprechen, von der Handzeichnungen-Aus-
stellung Etwas zu sagen, die wir hier vom 26. December bis 12. Januar gehabt.
Die von unsrem jungen Hof ans dem Nachlaß des Königs der Niederlande an¬
gekauften Originalzeichnungen, meist ans der Lawrence-Galerie herrührend,
wünschten manche Einwohner und Benachbarte zu sehen. Dies und andererseits
der Nothstand ewiger Dörfer im Eisenacher Oberlande gab unsrer jungen Fürstin
den Gedanken, zum Besten der Letzteren jene öffentliche Ausstellung zu veram-


33*

Berg hinablaufen, und bildet sich ein,, es rufe: vstitamo e^Ioro! (sticht mich,
Zigeuner!) — ein im Kerker krank liegender Zigeuner bittet seine Fran, sich bei
dem Alcalde um Befreiung von der Kette zu verwenden, deren Last seinen Kör¬
per zu bersten droht — der Mond geht auf, und zwei, Zigeuner, welche ein Pferd
stehlen wollen, erblicken einen Spanier und-suchen das Weite u. s. w. Manch¬
mal athmen die Verse mehr Leidenschaft — ein Liebhaber droht, seine Geliebte
zu erschlagen, „selbst zu Jesu Füßen", wenn sie ihm untreu wird. Im Allge¬
meinen herrscht unter den Gitanos die Meinung, daß die Spanierinnen Nom-
many chals und Nommany sehr lieben. In einer Stanze hofft ein Gitauo, eine
spanische Schöne durch Hilfe eines Nommanyworts, das er ihr am Fenster ins
Ohr flüstert, zu entführen. Auch einige zarte und schöne Gedanken finden sich
hier und da, denn selbst das Zigeunerherz hat seine Augenblicke, wo es weich
wird: eine sündige Mutter fürchtet, sich selbst zu Gott zu beten, und fordert ihr
unschuldiges Kind ans, ihn für sie zu bitten, ihrem Herzen wieder Ruhe und
Frieden zu schenken — ein Jüngling im Kerker hat keinen Freund ans Erden,
auf den er sich verlassen kann, außer seiner Schwester, und wünscht sich einen
Boten, der ihr Nachricht giebt von seinen Leiden, überzeugt, daß sie auf der
Stelle zu seiner Hilft herbeieilen würde. Wie schön ist das Bild von den Fun-
ken, die ans dem glühend gehämmerten Eisen sprühen: „Mehr als hundert lieb¬
liche Töchter sehe ich zu gleicher Zeit entstehen, feurig wie Rosen: in einem Au¬
genblicke sterben sie, anmuthtg im Kreise sich drehend."

Im Jahre 18ö0 gab Borrow unter dem Titel „Lavengro" die romanhafte
Schilderung eines Zigeunerlebens heraus. Das Buch wurde mit großer Span¬
nung erwartet, hat aber nicht befriedigt. Es ist eine uuküustlerische Mischung
von phantastischer Erfindung und von Schilderungen aus der Wirklichkeit.

Die Sprache der Zigeuner weist mit Bestimmtheit ans ihren Ursprung aus
Hindostan hin.




Die Ausstellung berühmter Handzeichnungen

Gern mag ich Ihrem Wunsch entsprechen, von der Handzeichnungen-Aus-
stellung Etwas zu sagen, die wir hier vom 26. December bis 12. Januar gehabt.
Die von unsrem jungen Hof ans dem Nachlaß des Königs der Niederlande an¬
gekauften Originalzeichnungen, meist ans der Lawrence-Galerie herrührend,
wünschten manche Einwohner und Benachbarte zu sehen. Dies und andererseits
der Nothstand ewiger Dörfer im Eisenacher Oberlande gab unsrer jungen Fürstin
den Gedanken, zum Besten der Letzteren jene öffentliche Ausstellung zu veram-


33*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0269" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/93634"/>
            <p xml:id="ID_727" prev="#ID_726"> Berg hinablaufen, und bildet sich ein,, es rufe: vstitamo e^Ioro! (sticht mich,<lb/>
Zigeuner!) &#x2014; ein im Kerker krank liegender Zigeuner bittet seine Fran, sich bei<lb/>
dem Alcalde um Befreiung von der Kette zu verwenden, deren Last seinen Kör¬<lb/>
per zu bersten droht &#x2014; der Mond geht auf, und zwei, Zigeuner, welche ein Pferd<lb/>
stehlen wollen, erblicken einen Spanier und-suchen das Weite u. s. w. Manch¬<lb/>
mal athmen die Verse mehr Leidenschaft &#x2014; ein Liebhaber droht, seine Geliebte<lb/>
zu erschlagen, &#x201E;selbst zu Jesu Füßen", wenn sie ihm untreu wird. Im Allge¬<lb/>
meinen herrscht unter den Gitanos die Meinung, daß die Spanierinnen Nom-<lb/>
many chals und Nommany sehr lieben. In einer Stanze hofft ein Gitauo, eine<lb/>
spanische Schöne durch Hilfe eines Nommanyworts, das er ihr am Fenster ins<lb/>
Ohr flüstert, zu entführen. Auch einige zarte und schöne Gedanken finden sich<lb/>
hier und da, denn selbst das Zigeunerherz hat seine Augenblicke, wo es weich<lb/>
wird: eine sündige Mutter fürchtet, sich selbst zu Gott zu beten, und fordert ihr<lb/>
unschuldiges Kind ans, ihn für sie zu bitten, ihrem Herzen wieder Ruhe und<lb/>
Frieden zu schenken &#x2014; ein Jüngling im Kerker hat keinen Freund ans Erden,<lb/>
auf den er sich verlassen kann, außer seiner Schwester, und wünscht sich einen<lb/>
Boten, der ihr Nachricht giebt von seinen Leiden, überzeugt, daß sie auf der<lb/>
Stelle zu seiner Hilft herbeieilen würde. Wie schön ist das Bild von den Fun-<lb/>
ken, die ans dem glühend gehämmerten Eisen sprühen: &#x201E;Mehr als hundert lieb¬<lb/>
liche Töchter sehe ich zu gleicher Zeit entstehen, feurig wie Rosen: in einem Au¬<lb/>
genblicke sterben sie, anmuthtg im Kreise sich drehend."</p><lb/>
            <p xml:id="ID_728"> Im Jahre 18ö0 gab Borrow unter dem Titel &#x201E;Lavengro" die romanhafte<lb/>
Schilderung eines Zigeunerlebens heraus. Das Buch wurde mit großer Span¬<lb/>
nung erwartet, hat aber nicht befriedigt. Es ist eine uuküustlerische Mischung<lb/>
von phantastischer Erfindung und von Schilderungen aus der Wirklichkeit.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_729"> Die Sprache der Zigeuner weist mit Bestimmtheit ans ihren Ursprung aus<lb/>
Hindostan hin.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Ausstellung berühmter Handzeichnungen<lb/></head><lb/>
          <p xml:id="ID_730" next="#ID_731"> Gern mag ich Ihrem Wunsch entsprechen, von der Handzeichnungen-Aus-<lb/>
stellung Etwas zu sagen, die wir hier vom 26. December bis 12. Januar gehabt.<lb/>
Die von unsrem jungen Hof ans dem Nachlaß des Königs der Niederlande an¬<lb/>
gekauften Originalzeichnungen, meist ans der Lawrence-Galerie herrührend,<lb/>
wünschten manche Einwohner und Benachbarte zu sehen. Dies und andererseits<lb/>
der Nothstand ewiger Dörfer im Eisenacher Oberlande gab unsrer jungen Fürstin<lb/>
den Gedanken, zum Besten der Letzteren jene öffentliche Ausstellung zu veram-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 33*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0269] Berg hinablaufen, und bildet sich ein,, es rufe: vstitamo e^Ioro! (sticht mich, Zigeuner!) — ein im Kerker krank liegender Zigeuner bittet seine Fran, sich bei dem Alcalde um Befreiung von der Kette zu verwenden, deren Last seinen Kör¬ per zu bersten droht — der Mond geht auf, und zwei, Zigeuner, welche ein Pferd stehlen wollen, erblicken einen Spanier und-suchen das Weite u. s. w. Manch¬ mal athmen die Verse mehr Leidenschaft — ein Liebhaber droht, seine Geliebte zu erschlagen, „selbst zu Jesu Füßen", wenn sie ihm untreu wird. Im Allge¬ meinen herrscht unter den Gitanos die Meinung, daß die Spanierinnen Nom- many chals und Nommany sehr lieben. In einer Stanze hofft ein Gitauo, eine spanische Schöne durch Hilfe eines Nommanyworts, das er ihr am Fenster ins Ohr flüstert, zu entführen. Auch einige zarte und schöne Gedanken finden sich hier und da, denn selbst das Zigeunerherz hat seine Augenblicke, wo es weich wird: eine sündige Mutter fürchtet, sich selbst zu Gott zu beten, und fordert ihr unschuldiges Kind ans, ihn für sie zu bitten, ihrem Herzen wieder Ruhe und Frieden zu schenken — ein Jüngling im Kerker hat keinen Freund ans Erden, auf den er sich verlassen kann, außer seiner Schwester, und wünscht sich einen Boten, der ihr Nachricht giebt von seinen Leiden, überzeugt, daß sie auf der Stelle zu seiner Hilft herbeieilen würde. Wie schön ist das Bild von den Fun- ken, die ans dem glühend gehämmerten Eisen sprühen: „Mehr als hundert lieb¬ liche Töchter sehe ich zu gleicher Zeit entstehen, feurig wie Rosen: in einem Au¬ genblicke sterben sie, anmuthtg im Kreise sich drehend." Im Jahre 18ö0 gab Borrow unter dem Titel „Lavengro" die romanhafte Schilderung eines Zigeunerlebens heraus. Das Buch wurde mit großer Span¬ nung erwartet, hat aber nicht befriedigt. Es ist eine uuküustlerische Mischung von phantastischer Erfindung und von Schilderungen aus der Wirklichkeit. Die Sprache der Zigeuner weist mit Bestimmtheit ans ihren Ursprung aus Hindostan hin. Die Ausstellung berühmter Handzeichnungen Gern mag ich Ihrem Wunsch entsprechen, von der Handzeichnungen-Aus- stellung Etwas zu sagen, die wir hier vom 26. December bis 12. Januar gehabt. Die von unsrem jungen Hof ans dem Nachlaß des Königs der Niederlande an¬ gekauften Originalzeichnungen, meist ans der Lawrence-Galerie herrührend, wünschten manche Einwohner und Benachbarte zu sehen. Dies und andererseits der Nothstand ewiger Dörfer im Eisenacher Oberlande gab unsrer jungen Fürstin den Gedanken, zum Besten der Letzteren jene öffentliche Ausstellung zu veram- 33*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/269
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/269>, abgerufen am 28.04.2024.