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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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Gold - und Silberarbeiten, Schmucksachen

Die Verarbeitung der edlen Metalle diente stets dem Schmucke und der
Pracht, aber nicht überall bestand der Schmuck aus solchen Stoffen, denen wir
heutigen Tages den Adel zuerkennen. Die Neigung, sich zu schmücken, ist allen
Völkern gemeinsam. Wir sehen sie eben so thätig auf den untersten Stufen der
Cultur, wenn der Indianer Amerika's die Unterlippe, der Botokude Lippen und
Ohren, der Australier deu Nasenknorpel durchbohrt, um Holzstöcke oder Ninge
in die Oeffnung zu klemmen, wie auf den hervorragendsten Punkten fortgeschrit¬
tener Cultur, welche uoch deu Durchstich des seinen weiblichen Ohres erlaubt. Bei
den Mädchen wird dieses Durchbohren des Ohrläppchens noch heute in frühester
Jugend vollzogen, ein Gebrauch, der über den ganzem Erdkreis und durch alle
Epochen der Weltgeschichte von deren asiatischen Anfängen durch das classische
Alterthum und das Mittelalter bis auf die Gegenwart sich erstreckt. In der Art
jedoch, wie die Neigung sich zu schmücken befriedigt wird, zeigen sich die Unter-
schiede der Bildung. In den ersten Stadien des Völkerlebens sind es meist un¬
verarbeitete Naturgegenstände oder roh behandelte Naturstoffe, welche den Schmuck
abgeben. Die Unterscheidung zwischen edlen und unedlen Stoffen bildet eine
höhere Stufe, und die künstliche, endlich künstlerische Bearbeitung der edelsten
Naturerzeugnisse zu Gegenständen des Schmuckes schließt den Entwickelungsgang.
Fortschreitende Cultur bringt größere Mannigfaltigkeit in die Form der Ornamente,
und wenn wir den Zierrath des Körpers Anfangs unter Mäuner und Weiber
gleich vertheilt sehen, so wird er aus den höchsten Culturstufen meist alleiniges
Eigenthum der Frauen. Die Gegenwart säugt an, diese Eigenschaften höherer Bil¬
dung des Geschmacks zu besitzen. Mau liebt uicht mehr Ueberladung mit Schmuck,
aber man will ihn in schönen Formen aus edlen Metallen und Steinen. Der
gebildete Mann überläßt den eigentlichen Schmuck, mit Ausnahme etwa eines Ringes,
wenn wir Tuchnadel und Uhrkette nicht unbedingt zu den Schmucksachen zählen,
den Frauen, welche als die Blütheu des geselligen Verkehrs berechtigt sind, durch
Glanz und Farbe die Anmuth ihrer Erscheinung zu erhöhe".

Die amerikanischen Urstämme lieben es, sich mit Schmuck zu überladen, und
behängen anch ihre Geräthe und Waffen mit farbigen, glänzenden, klappernden
Gegenständen. Die verheirathete Fran dieser Stämme trägt Ohr- und Hals¬
schmuck, Armbänder, Ninge an den Fingern, und zum Theil folgen auch die
Männer dem lockenden Beispiel. Der Ohrschmuck besteht z. B. in Cylindern aus
zusammengerollten Palmblättern, die dnrch Bänder gehalten werden und bis auf
die Schultern herabhängen. Die Weiber der Arowaken lieben es, die Oeffnungen
der Ohrläppchen mit Korkstöpseln auszufüllen, und bewahren darin ihre Nadeln
zum Nähen und Auflecken der Kleider. Muscheln, Korallen, Knochen, Thier-


Gold - und Silberarbeiten, Schmucksachen

Die Verarbeitung der edlen Metalle diente stets dem Schmucke und der
Pracht, aber nicht überall bestand der Schmuck aus solchen Stoffen, denen wir
heutigen Tages den Adel zuerkennen. Die Neigung, sich zu schmücken, ist allen
Völkern gemeinsam. Wir sehen sie eben so thätig auf den untersten Stufen der
Cultur, wenn der Indianer Amerika's die Unterlippe, der Botokude Lippen und
Ohren, der Australier deu Nasenknorpel durchbohrt, um Holzstöcke oder Ninge
in die Oeffnung zu klemmen, wie auf den hervorragendsten Punkten fortgeschrit¬
tener Cultur, welche uoch deu Durchstich des seinen weiblichen Ohres erlaubt. Bei
den Mädchen wird dieses Durchbohren des Ohrläppchens noch heute in frühester
Jugend vollzogen, ein Gebrauch, der über den ganzem Erdkreis und durch alle
Epochen der Weltgeschichte von deren asiatischen Anfängen durch das classische
Alterthum und das Mittelalter bis auf die Gegenwart sich erstreckt. In der Art
jedoch, wie die Neigung sich zu schmücken befriedigt wird, zeigen sich die Unter-
schiede der Bildung. In den ersten Stadien des Völkerlebens sind es meist un¬
verarbeitete Naturgegenstände oder roh behandelte Naturstoffe, welche den Schmuck
abgeben. Die Unterscheidung zwischen edlen und unedlen Stoffen bildet eine
höhere Stufe, und die künstliche, endlich künstlerische Bearbeitung der edelsten
Naturerzeugnisse zu Gegenständen des Schmuckes schließt den Entwickelungsgang.
Fortschreitende Cultur bringt größere Mannigfaltigkeit in die Form der Ornamente,
und wenn wir den Zierrath des Körpers Anfangs unter Mäuner und Weiber
gleich vertheilt sehen, so wird er aus den höchsten Culturstufen meist alleiniges
Eigenthum der Frauen. Die Gegenwart säugt an, diese Eigenschaften höherer Bil¬
dung des Geschmacks zu besitzen. Mau liebt uicht mehr Ueberladung mit Schmuck,
aber man will ihn in schönen Formen aus edlen Metallen und Steinen. Der
gebildete Mann überläßt den eigentlichen Schmuck, mit Ausnahme etwa eines Ringes,
wenn wir Tuchnadel und Uhrkette nicht unbedingt zu den Schmucksachen zählen,
den Frauen, welche als die Blütheu des geselligen Verkehrs berechtigt sind, durch
Glanz und Farbe die Anmuth ihrer Erscheinung zu erhöhe».

Die amerikanischen Urstämme lieben es, sich mit Schmuck zu überladen, und
behängen anch ihre Geräthe und Waffen mit farbigen, glänzenden, klappernden
Gegenständen. Die verheirathete Fran dieser Stämme trägt Ohr- und Hals¬
schmuck, Armbänder, Ninge an den Fingern, und zum Theil folgen auch die
Männer dem lockenden Beispiel. Der Ohrschmuck besteht z. B. in Cylindern aus
zusammengerollten Palmblättern, die dnrch Bänder gehalten werden und bis auf
die Schultern herabhängen. Die Weiber der Arowaken lieben es, die Oeffnungen
der Ohrläppchen mit Korkstöpseln auszufüllen, und bewahren darin ihre Nadeln
zum Nähen und Auflecken der Kleider. Muscheln, Korallen, Knochen, Thier-


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[0392] Gold - und Silberarbeiten, Schmucksachen Die Verarbeitung der edlen Metalle diente stets dem Schmucke und der Pracht, aber nicht überall bestand der Schmuck aus solchen Stoffen, denen wir heutigen Tages den Adel zuerkennen. Die Neigung, sich zu schmücken, ist allen Völkern gemeinsam. Wir sehen sie eben so thätig auf den untersten Stufen der Cultur, wenn der Indianer Amerika's die Unterlippe, der Botokude Lippen und Ohren, der Australier deu Nasenknorpel durchbohrt, um Holzstöcke oder Ninge in die Oeffnung zu klemmen, wie auf den hervorragendsten Punkten fortgeschrit¬ tener Cultur, welche uoch deu Durchstich des seinen weiblichen Ohres erlaubt. Bei den Mädchen wird dieses Durchbohren des Ohrläppchens noch heute in frühester Jugend vollzogen, ein Gebrauch, der über den ganzem Erdkreis und durch alle Epochen der Weltgeschichte von deren asiatischen Anfängen durch das classische Alterthum und das Mittelalter bis auf die Gegenwart sich erstreckt. In der Art jedoch, wie die Neigung sich zu schmücken befriedigt wird, zeigen sich die Unter- schiede der Bildung. In den ersten Stadien des Völkerlebens sind es meist un¬ verarbeitete Naturgegenstände oder roh behandelte Naturstoffe, welche den Schmuck abgeben. Die Unterscheidung zwischen edlen und unedlen Stoffen bildet eine höhere Stufe, und die künstliche, endlich künstlerische Bearbeitung der edelsten Naturerzeugnisse zu Gegenständen des Schmuckes schließt den Entwickelungsgang. Fortschreitende Cultur bringt größere Mannigfaltigkeit in die Form der Ornamente, und wenn wir den Zierrath des Körpers Anfangs unter Mäuner und Weiber gleich vertheilt sehen, so wird er aus den höchsten Culturstufen meist alleiniges Eigenthum der Frauen. Die Gegenwart säugt an, diese Eigenschaften höherer Bil¬ dung des Geschmacks zu besitzen. Mau liebt uicht mehr Ueberladung mit Schmuck, aber man will ihn in schönen Formen aus edlen Metallen und Steinen. Der gebildete Mann überläßt den eigentlichen Schmuck, mit Ausnahme etwa eines Ringes, wenn wir Tuchnadel und Uhrkette nicht unbedingt zu den Schmucksachen zählen, den Frauen, welche als die Blütheu des geselligen Verkehrs berechtigt sind, durch Glanz und Farbe die Anmuth ihrer Erscheinung zu erhöhe». Die amerikanischen Urstämme lieben es, sich mit Schmuck zu überladen, und behängen anch ihre Geräthe und Waffen mit farbigen, glänzenden, klappernden Gegenständen. Die verheirathete Fran dieser Stämme trägt Ohr- und Hals¬ schmuck, Armbänder, Ninge an den Fingern, und zum Theil folgen auch die Männer dem lockenden Beispiel. Der Ohrschmuck besteht z. B. in Cylindern aus zusammengerollten Palmblättern, die dnrch Bänder gehalten werden und bis auf die Schultern herabhängen. Die Weiber der Arowaken lieben es, die Oeffnungen der Ohrläppchen mit Korkstöpseln auszufüllen, und bewahren darin ihre Nadeln zum Nähen und Auflecken der Kleider. Muscheln, Korallen, Knochen, Thier-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/392>, abgerufen am 28.04.2024.