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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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stände zurück, und geben dem Zaubergärten eine scheinbar endlose Ausdehnung. Die
schönen breiten Asphaltwege ziehen sich in angenehmen Windungen durch Gebüsch
und Nasen, und führen seitwärts zu heimlichen Lauben, bald eben, bald sanft
aufsteigend durch die feenhaften Räume. Zahlreiche Kunstwerke von Metall nud
Stein sind überall passend aufgestellt. Die Spitze des Felsens behauptet ein
Lämmergeier, welcher im Begriff ist, sich mit seinem Raube aufzuschwingen. Die
Bassins sind von Goldfischen belebt; bunte ausländische Vögel wohnen unter
breiten Palmen in großen Käsigen, und einheimische Sänger fliegen frei umher,
zu deuen sich wol auch die überall sich herbeidrängenden Sperlinge gesellen. Ein
Felsensteig führt zu einer schönen Grotte und von da in die Arcaden, von deren
Decke Kronleuchter und Ampeln mit lebenden Pflanzen herabhängen. Schon
am Tage bemerkt man kaum, daß eine Glasdecke deu Himmel bildet, denn das
Eisengerippe des Krystalldomes erscheint in ferner Höhe wie das Gewebe einer
Spinne; aber des Abends bei glänzender Beleuchtung verschwindet anch dieses,
und das Auge glaubt über sich den düstern Nachthimmel zu erblicken, an dem
einzelne Sterne -- die Gasflammen -- funkeln. Eine milde Wärme von 12" R.
herrscht in diesen Räumen, und nur an solchen Stellen, wo der Fußboden die
unsichtbaren Wärmeröhren berührt, strömt wärmere Luft wie der Hauch des
Südens dem Lustwandelnden entgegen.

Im Salon werden Concerte gegeben, große Versammlungen, Ausstellungen
und andere Festlichkeiten abgehalten. , Wahrhaft märchenhaft sind die Ballabende,
wo der Wintergarten im Vergleich zu dem glänzend erhellten Salon in einem
lieblichen Halbdunkel liegt, wenn leichte weiße Frauengestalten durch die Gebüsche
schweben, und leises Geflüster aus deu verborgenen Lauben tönt. Noch be¬
denklicher sind die sogenannten italienischen Nächte, wenn zahllose bunte Lampen
an den großen Gewächsen schweben oder in Guirlanden gereiht wie ein bunter
Sternenhimmel funkeln; wenn sanfte Musik unsichtbar durch die Räume zittert und
eine glänzende Menschenmenge die Wege und Plätze belebt, begeistert von Cham¬
pagner und Sinnenlust.

In dem nahen Orte Auteuil befindet sich eine große Gärtnerei, wo die zum
Ersatz nothwendigen Pflanzen gezogen werden und sich erholen können.

Außer dem neuerdings von demselben Gärtner -- Constant -- angelegten
Wintergarten in Lyon befindet sich, meines Wissens, keine.derartige Anstalt in
Frankreich.




stände zurück, und geben dem Zaubergärten eine scheinbar endlose Ausdehnung. Die
schönen breiten Asphaltwege ziehen sich in angenehmen Windungen durch Gebüsch
und Nasen, und führen seitwärts zu heimlichen Lauben, bald eben, bald sanft
aufsteigend durch die feenhaften Räume. Zahlreiche Kunstwerke von Metall nud
Stein sind überall passend aufgestellt. Die Spitze des Felsens behauptet ein
Lämmergeier, welcher im Begriff ist, sich mit seinem Raube aufzuschwingen. Die
Bassins sind von Goldfischen belebt; bunte ausländische Vögel wohnen unter
breiten Palmen in großen Käsigen, und einheimische Sänger fliegen frei umher,
zu deuen sich wol auch die überall sich herbeidrängenden Sperlinge gesellen. Ein
Felsensteig führt zu einer schönen Grotte und von da in die Arcaden, von deren
Decke Kronleuchter und Ampeln mit lebenden Pflanzen herabhängen. Schon
am Tage bemerkt man kaum, daß eine Glasdecke deu Himmel bildet, denn das
Eisengerippe des Krystalldomes erscheint in ferner Höhe wie das Gewebe einer
Spinne; aber des Abends bei glänzender Beleuchtung verschwindet anch dieses,
und das Auge glaubt über sich den düstern Nachthimmel zu erblicken, an dem
einzelne Sterne — die Gasflammen — funkeln. Eine milde Wärme von 12" R.
herrscht in diesen Räumen, und nur an solchen Stellen, wo der Fußboden die
unsichtbaren Wärmeröhren berührt, strömt wärmere Luft wie der Hauch des
Südens dem Lustwandelnden entgegen.

Im Salon werden Concerte gegeben, große Versammlungen, Ausstellungen
und andere Festlichkeiten abgehalten. , Wahrhaft märchenhaft sind die Ballabende,
wo der Wintergarten im Vergleich zu dem glänzend erhellten Salon in einem
lieblichen Halbdunkel liegt, wenn leichte weiße Frauengestalten durch die Gebüsche
schweben, und leises Geflüster aus deu verborgenen Lauben tönt. Noch be¬
denklicher sind die sogenannten italienischen Nächte, wenn zahllose bunte Lampen
an den großen Gewächsen schweben oder in Guirlanden gereiht wie ein bunter
Sternenhimmel funkeln; wenn sanfte Musik unsichtbar durch die Räume zittert und
eine glänzende Menschenmenge die Wege und Plätze belebt, begeistert von Cham¬
pagner und Sinnenlust.

In dem nahen Orte Auteuil befindet sich eine große Gärtnerei, wo die zum
Ersatz nothwendigen Pflanzen gezogen werden und sich erholen können.

Außer dem neuerdings von demselben Gärtner — Constant — angelegten
Wintergarten in Lyon befindet sich, meines Wissens, keine.derartige Anstalt in
Frankreich.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/391>, abgerufen am 13.05.2024.