Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

sollen sie Gottesfurcht und Gesetz achten lernen, wenn es in Kirche und Schule
so-zugeht, wie jetzt bei uns, wo von Gesetz keine Rede ist, souderu jeder
Gendarm thun kann, was er will, und, wenn man ihm einen halben Species in
die Hand drückt, dies mehr hilft, als alles Andere." Nimmermehr macht mau
mit diesen Mitteln das Volk in Süd-Schleswig damisch gesinnt, und wenn man
noch so viele seiner besten Männer voll Hans und Hof verjagt, und statt ihrer
uoch so zahlreiche Dänen, die sich in guten Stellen gern ausfüttern wollen,
Hieher sendet. Immer höher schwillt ans diese Weise der Haß, wenn derselbe
auch für die Gegenwart gänzlich ohnmächtig ist. Vor nutzlosen, ja schädlichen
Manifestationen hütet mau sich überall, es liegt nicht im Charakter dieses
ernsten, ruhigen, ja selbst zu bedächtigen Volksstammes, blinden, nutzlosen
Lärm zu machen, aber gerade dieser stille unterdrückte Haß heißt sich tief ein,
und Jahre, ja selbst Jahrzehende können darüber noch hingehen, denn das Geschick der
Völker erfüllt sich nicht so schnell, als wir Ungeduldigen oft wol wünschen.
Diese brutalen Maßregeln der Dänen sind die beste Propaganda für deutsches
Wesen. Einsichtsvolle Dänen, Beamte, Officiere fühlen das Unkluge in der
Behandlung, die mau deu Schleswigern angedeihen läßt, und haben sich schou
wieder aus dem Lande weg versetzen lassen, da sie .nicht als Werkzeuge an schäd¬
liche" Maßregeln Theil nehmen wollen. Ueber die dänischen Officiere, welche
hier sind, hört man die wenigsten Klagen aussprechen. Wenn auch stolz und
übcmuithig auf ihre Nationalität und oft von militärischer Rauhheit, sind sie doch
wenigstens dem heimlichen Spionirsystem und den vielen schmuzigen Dingen, die
dabei vorfallen, abgeneigt.




Pariser Botschaften.

Frankreich ist ein Scheintodter, der von lachenden Erben zu Grabe getragen
wird. Man will das Verzncken der Muskeln nicht sehen, die Anstrengung
nicht, die der Gelähmte macht, um kundzugeben, daß das Leben noch nicht ent¬
flohen, und daß der Pfaffe noch eine Weile warten möge mit seinem röchelnden
Trauergesang. Die Erben haben Eile, und die Wahl des neuen Augustulus
wird muter dem Trommelschlag des Belagerungszustandes vollzogen. Frankreich
ist vom Buonapartistischen Schlage gerührt, jede Regung der öffentlichen Mei¬
nung ist gewaltsam unterdrückt, und wenn uns Herr Graner von Cassaignac und
vom Konstitutionell nicht versicherte, daß Frankreich nur unter dem Kaiserreiche so
frei gewesen als jetzt, möchten wir behaupten, man höre nichts als Kettengerassel
und Fesselgeklirre. Dieses Leben ist unerträglich, dieser Anblick ist tödtend,
und ich ergriff mit Hast die Gelegenheit, mich diesem peinlichen Eindruck wenig-


sollen sie Gottesfurcht und Gesetz achten lernen, wenn es in Kirche und Schule
so-zugeht, wie jetzt bei uns, wo von Gesetz keine Rede ist, souderu jeder
Gendarm thun kann, was er will, und, wenn man ihm einen halben Species in
die Hand drückt, dies mehr hilft, als alles Andere." Nimmermehr macht mau
mit diesen Mitteln das Volk in Süd-Schleswig damisch gesinnt, und wenn man
noch so viele seiner besten Männer voll Hans und Hof verjagt, und statt ihrer
uoch so zahlreiche Dänen, die sich in guten Stellen gern ausfüttern wollen,
Hieher sendet. Immer höher schwillt ans diese Weise der Haß, wenn derselbe
auch für die Gegenwart gänzlich ohnmächtig ist. Vor nutzlosen, ja schädlichen
Manifestationen hütet mau sich überall, es liegt nicht im Charakter dieses
ernsten, ruhigen, ja selbst zu bedächtigen Volksstammes, blinden, nutzlosen
Lärm zu machen, aber gerade dieser stille unterdrückte Haß heißt sich tief ein,
und Jahre, ja selbst Jahrzehende können darüber noch hingehen, denn das Geschick der
Völker erfüllt sich nicht so schnell, als wir Ungeduldigen oft wol wünschen.
Diese brutalen Maßregeln der Dänen sind die beste Propaganda für deutsches
Wesen. Einsichtsvolle Dänen, Beamte, Officiere fühlen das Unkluge in der
Behandlung, die mau deu Schleswigern angedeihen läßt, und haben sich schou
wieder aus dem Lande weg versetzen lassen, da sie .nicht als Werkzeuge an schäd¬
liche» Maßregeln Theil nehmen wollen. Ueber die dänischen Officiere, welche
hier sind, hört man die wenigsten Klagen aussprechen. Wenn auch stolz und
übcmuithig auf ihre Nationalität und oft von militärischer Rauhheit, sind sie doch
wenigstens dem heimlichen Spionirsystem und den vielen schmuzigen Dingen, die
dabei vorfallen, abgeneigt.




Pariser Botschaften.

Frankreich ist ein Scheintodter, der von lachenden Erben zu Grabe getragen
wird. Man will das Verzncken der Muskeln nicht sehen, die Anstrengung
nicht, die der Gelähmte macht, um kundzugeben, daß das Leben noch nicht ent¬
flohen, und daß der Pfaffe noch eine Weile warten möge mit seinem röchelnden
Trauergesang. Die Erben haben Eile, und die Wahl des neuen Augustulus
wird muter dem Trommelschlag des Belagerungszustandes vollzogen. Frankreich
ist vom Buonapartistischen Schlage gerührt, jede Regung der öffentlichen Mei¬
nung ist gewaltsam unterdrückt, und wenn uns Herr Graner von Cassaignac und
vom Konstitutionell nicht versicherte, daß Frankreich nur unter dem Kaiserreiche so
frei gewesen als jetzt, möchten wir behaupten, man höre nichts als Kettengerassel
und Fesselgeklirre. Dieses Leben ist unerträglich, dieser Anblick ist tödtend,
und ich ergriff mit Hast die Gelegenheit, mich diesem peinlichen Eindruck wenig-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0080" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/93445"/>
          <p xml:id="ID_254" prev="#ID_253"> sollen sie Gottesfurcht und Gesetz achten lernen, wenn es in Kirche und Schule<lb/>
so-zugeht, wie jetzt bei uns, wo von Gesetz keine Rede ist, souderu jeder<lb/>
Gendarm thun kann, was er will, und, wenn man ihm einen halben Species in<lb/>
die Hand drückt, dies mehr hilft, als alles Andere." Nimmermehr macht mau<lb/>
mit diesen Mitteln das Volk in Süd-Schleswig damisch gesinnt, und wenn man<lb/>
noch so viele seiner besten Männer voll Hans und Hof verjagt, und statt ihrer<lb/>
uoch so zahlreiche Dänen, die sich in guten Stellen gern ausfüttern wollen,<lb/>
Hieher sendet. Immer höher schwillt ans diese Weise der Haß, wenn derselbe<lb/>
auch für die Gegenwart gänzlich ohnmächtig ist. Vor nutzlosen, ja schädlichen<lb/>
Manifestationen hütet mau sich überall, es liegt nicht im Charakter dieses<lb/>
ernsten, ruhigen, ja selbst zu bedächtigen Volksstammes, blinden, nutzlosen<lb/>
Lärm zu machen, aber gerade dieser stille unterdrückte Haß heißt sich tief ein,<lb/>
und Jahre, ja selbst Jahrzehende können darüber noch hingehen, denn das Geschick der<lb/>
Völker erfüllt sich nicht so schnell, als wir Ungeduldigen oft wol wünschen.<lb/>
Diese brutalen Maßregeln der Dänen sind die beste Propaganda für deutsches<lb/>
Wesen. Einsichtsvolle Dänen, Beamte, Officiere fühlen das Unkluge in der<lb/>
Behandlung, die mau deu Schleswigern angedeihen läßt, und haben sich schou<lb/>
wieder aus dem Lande weg versetzen lassen, da sie .nicht als Werkzeuge an schäd¬<lb/>
liche» Maßregeln Theil nehmen wollen. Ueber die dänischen Officiere, welche<lb/>
hier sind, hört man die wenigsten Klagen aussprechen. Wenn auch stolz und<lb/>
übcmuithig auf ihre Nationalität und oft von militärischer Rauhheit, sind sie doch<lb/>
wenigstens dem heimlichen Spionirsystem und den vielen schmuzigen Dingen, die<lb/>
dabei vorfallen, abgeneigt.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Pariser Botschaften.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_255" next="#ID_256"> Frankreich ist ein Scheintodter, der von lachenden Erben zu Grabe getragen<lb/>
wird. Man will das Verzncken der Muskeln nicht sehen, die Anstrengung<lb/>
nicht, die der Gelähmte macht, um kundzugeben, daß das Leben noch nicht ent¬<lb/>
flohen, und daß der Pfaffe noch eine Weile warten möge mit seinem röchelnden<lb/>
Trauergesang. Die Erben haben Eile, und die Wahl des neuen Augustulus<lb/>
wird muter dem Trommelschlag des Belagerungszustandes vollzogen. Frankreich<lb/>
ist vom Buonapartistischen Schlage gerührt, jede Regung der öffentlichen Mei¬<lb/>
nung ist gewaltsam unterdrückt, und wenn uns Herr Graner von Cassaignac und<lb/>
vom Konstitutionell nicht versicherte, daß Frankreich nur unter dem Kaiserreiche so<lb/>
frei gewesen als jetzt, möchten wir behaupten, man höre nichts als Kettengerassel<lb/>
und Fesselgeklirre. Dieses Leben ist unerträglich, dieser Anblick ist tödtend,<lb/>
und ich ergriff mit Hast die Gelegenheit, mich diesem peinlichen Eindruck wenig-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0080] sollen sie Gottesfurcht und Gesetz achten lernen, wenn es in Kirche und Schule so-zugeht, wie jetzt bei uns, wo von Gesetz keine Rede ist, souderu jeder Gendarm thun kann, was er will, und, wenn man ihm einen halben Species in die Hand drückt, dies mehr hilft, als alles Andere." Nimmermehr macht mau mit diesen Mitteln das Volk in Süd-Schleswig damisch gesinnt, und wenn man noch so viele seiner besten Männer voll Hans und Hof verjagt, und statt ihrer uoch so zahlreiche Dänen, die sich in guten Stellen gern ausfüttern wollen, Hieher sendet. Immer höher schwillt ans diese Weise der Haß, wenn derselbe auch für die Gegenwart gänzlich ohnmächtig ist. Vor nutzlosen, ja schädlichen Manifestationen hütet mau sich überall, es liegt nicht im Charakter dieses ernsten, ruhigen, ja selbst zu bedächtigen Volksstammes, blinden, nutzlosen Lärm zu machen, aber gerade dieser stille unterdrückte Haß heißt sich tief ein, und Jahre, ja selbst Jahrzehende können darüber noch hingehen, denn das Geschick der Völker erfüllt sich nicht so schnell, als wir Ungeduldigen oft wol wünschen. Diese brutalen Maßregeln der Dänen sind die beste Propaganda für deutsches Wesen. Einsichtsvolle Dänen, Beamte, Officiere fühlen das Unkluge in der Behandlung, die mau deu Schleswigern angedeihen läßt, und haben sich schou wieder aus dem Lande weg versetzen lassen, da sie .nicht als Werkzeuge an schäd¬ liche» Maßregeln Theil nehmen wollen. Ueber die dänischen Officiere, welche hier sind, hört man die wenigsten Klagen aussprechen. Wenn auch stolz und übcmuithig auf ihre Nationalität und oft von militärischer Rauhheit, sind sie doch wenigstens dem heimlichen Spionirsystem und den vielen schmuzigen Dingen, die dabei vorfallen, abgeneigt. Pariser Botschaften. Frankreich ist ein Scheintodter, der von lachenden Erben zu Grabe getragen wird. Man will das Verzncken der Muskeln nicht sehen, die Anstrengung nicht, die der Gelähmte macht, um kundzugeben, daß das Leben noch nicht ent¬ flohen, und daß der Pfaffe noch eine Weile warten möge mit seinem röchelnden Trauergesang. Die Erben haben Eile, und die Wahl des neuen Augustulus wird muter dem Trommelschlag des Belagerungszustandes vollzogen. Frankreich ist vom Buonapartistischen Schlage gerührt, jede Regung der öffentlichen Mei¬ nung ist gewaltsam unterdrückt, und wenn uns Herr Graner von Cassaignac und vom Konstitutionell nicht versicherte, daß Frankreich nur unter dem Kaiserreiche so frei gewesen als jetzt, möchten wir behaupten, man höre nichts als Kettengerassel und Fesselgeklirre. Dieses Leben ist unerträglich, dieser Anblick ist tödtend, und ich ergriff mit Hast die Gelegenheit, mich diesem peinlichen Eindruck wenig-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/80
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/80>, abgerufen am 28.04.2024.