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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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nisse gesessen, und wurde mit rohen Schimpfworten entlassen. Das Verbrechen
desselben hat darin bestanden, daß man ein Stück einer alten schwarz-roth-gol-
denen Pfeifenschnur bei ihm gefunden, die er im Frühjahr 1849 von einem
Herrn ans dem Gefolge des Herzogs von Sachsen-Coburg-Gotha, der dort längere
Zeit im Quartier gelegen, zum Geschenk erhalten hat. Alle Hausbesitzer, Pastoren,
Bauern, welche sich in den Jahren 1848 nud 1849 der deutschen Truppen
besonders angenommen, oder gar den Fürsten und Generalen derselben als
Marschcvmmissaire gedient haben, werden jetzt dafür von den Dänen so eifrig
verfolgt, daß ein großer Theil von ihnen schon hat flüchten müssen. Den Herrn
von Ahlefeld, der auf ausdrücklichen Wunsch des Generals von Wrangel im Jahre
1848 als Civilcommissair in dessen Hauptquartier sich befand, und den der König
von Preußen dafür mit dem rothen Adlerorden III. Klasse belohnte, haben die
Dänen ans diesem Grnnde von Hans nud Hof gejagt, und der Prediger in
Hamlef bei Hadersleben ist vertrieben worden, weil er dem Großherzoge von
Mecklenburg, der in demselben Jahre seine Truppen dort besuchte, ein sehr gutes
Mittagsmahl gegeben haben soll. Manche Spalten könnte ich anfüllen, wollte
ich alle Züge von Rohheit und Uebermuth hier anführen. ES ist nicht immer
der beste Theil der dänischen Bevölkerung, der jetzt in dem schwer geprüften
Lande herrscht. Wer im Vaterlande selbst eine Anstellung finden konnte, ist
nicht gern nach Schleswig'gezogen, und so sind viele Menschent hier angestellt
worden, die man daheim nicht brauchen konnte, besonders Prediger, Lehrer
und Civilbeamte. Da man viele Lehrer und Prediger ihrer deutschen Gesinnungen
wegen ohne Weiteres von ihren Stellen gejagt hat, und nur enragirte Dänen
dafür anstellen wollte, so haben auch notorisch unwürdige, und unwissende
Subjecte, die dem Trunke, dem Spiele und anderen Lastern ergeben sind,
Lehrer- und Pfarrstellen erhalten. Daher kommt es, daß die Bauern in ein¬
zelnen Dörfern die Kirche gar nicht mehr besuchen. Es ist schon vorgekommen,
daß in einem großen Dorfe in Angeln, wo ein neuer dänischer Prediger ein¬
gesetzt wurde, an 4 Sonntagen hinter einander gar kein Gottesdienst gehalten
wurde, da sich kein einziger Zuhörer zu demselben eingefunden hatte. Eben so
steht es in vielen Dörfern mit dem Schulbesuch, und nur der Zwang und die
Execution durch Gendarmen vermochte die Bauern derselben zu bewegen, ihre
Kinder zu den nen angestellten dänischen Schullehrern zu senden. Es wohnt im
Allgemeinen in den südschleswigschen Theilen ein sehr kernhafter, gesitteter und
dabei wahrhaft gottesfürchtiger Menschenschlag, sonst hätte unter solchen" Umstän¬
den die Moralität schon viel mehr gelitten. Daß aber die jetzigen Zustände, wenn
sie noch lange dauern, allmählich doch die ganze Sittlichkeit des Volkes unter¬
graben werden, steht sehr zu befürchten. "Dänisch machen die Dänen mit allen
ihren Maßregeln uns nicht, aber schlecht machen sie unsre jungen Leute, wenn
das so fort geht", sagte mir ein alter Zieglermeister unweit Flensburg. "Wo


nisse gesessen, und wurde mit rohen Schimpfworten entlassen. Das Verbrechen
desselben hat darin bestanden, daß man ein Stück einer alten schwarz-roth-gol-
denen Pfeifenschnur bei ihm gefunden, die er im Frühjahr 1849 von einem
Herrn ans dem Gefolge des Herzogs von Sachsen-Coburg-Gotha, der dort längere
Zeit im Quartier gelegen, zum Geschenk erhalten hat. Alle Hausbesitzer, Pastoren,
Bauern, welche sich in den Jahren 1848 nud 1849 der deutschen Truppen
besonders angenommen, oder gar den Fürsten und Generalen derselben als
Marschcvmmissaire gedient haben, werden jetzt dafür von den Dänen so eifrig
verfolgt, daß ein großer Theil von ihnen schon hat flüchten müssen. Den Herrn
von Ahlefeld, der auf ausdrücklichen Wunsch des Generals von Wrangel im Jahre
1848 als Civilcommissair in dessen Hauptquartier sich befand, und den der König
von Preußen dafür mit dem rothen Adlerorden III. Klasse belohnte, haben die
Dänen ans diesem Grnnde von Hans nud Hof gejagt, und der Prediger in
Hamlef bei Hadersleben ist vertrieben worden, weil er dem Großherzoge von
Mecklenburg, der in demselben Jahre seine Truppen dort besuchte, ein sehr gutes
Mittagsmahl gegeben haben soll. Manche Spalten könnte ich anfüllen, wollte
ich alle Züge von Rohheit und Uebermuth hier anführen. ES ist nicht immer
der beste Theil der dänischen Bevölkerung, der jetzt in dem schwer geprüften
Lande herrscht. Wer im Vaterlande selbst eine Anstellung finden konnte, ist
nicht gern nach Schleswig'gezogen, und so sind viele Menschent hier angestellt
worden, die man daheim nicht brauchen konnte, besonders Prediger, Lehrer
und Civilbeamte. Da man viele Lehrer und Prediger ihrer deutschen Gesinnungen
wegen ohne Weiteres von ihren Stellen gejagt hat, und nur enragirte Dänen
dafür anstellen wollte, so haben auch notorisch unwürdige, und unwissende
Subjecte, die dem Trunke, dem Spiele und anderen Lastern ergeben sind,
Lehrer- und Pfarrstellen erhalten. Daher kommt es, daß die Bauern in ein¬
zelnen Dörfern die Kirche gar nicht mehr besuchen. Es ist schon vorgekommen,
daß in einem großen Dorfe in Angeln, wo ein neuer dänischer Prediger ein¬
gesetzt wurde, an 4 Sonntagen hinter einander gar kein Gottesdienst gehalten
wurde, da sich kein einziger Zuhörer zu demselben eingefunden hatte. Eben so
steht es in vielen Dörfern mit dem Schulbesuch, und nur der Zwang und die
Execution durch Gendarmen vermochte die Bauern derselben zu bewegen, ihre
Kinder zu den nen angestellten dänischen Schullehrern zu senden. Es wohnt im
Allgemeinen in den südschleswigschen Theilen ein sehr kernhafter, gesitteter und
dabei wahrhaft gottesfürchtiger Menschenschlag, sonst hätte unter solchen" Umstän¬
den die Moralität schon viel mehr gelitten. Daß aber die jetzigen Zustände, wenn
sie noch lange dauern, allmählich doch die ganze Sittlichkeit des Volkes unter¬
graben werden, steht sehr zu befürchten. „Dänisch machen die Dänen mit allen
ihren Maßregeln uns nicht, aber schlecht machen sie unsre jungen Leute, wenn
das so fort geht", sagte mir ein alter Zieglermeister unweit Flensburg. „Wo


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/79>, abgerufen am 13.05.2024.